BIG nutzt ITIL in der Wohnwirtschaft
Als größter Immobilieneigentümer Österreichs bewirtschaftet und verwaltet die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) rund 2.800 Objekte. Mit immerhin 9,6 Millionen Quadratmetern Nettoraumfläche ist der gesamte Liegenschaftsbestand sowohl in Form von Plänen als auch als Raumdatenbank im CAD- System abgespeichert (Computer Aided Design). "Wir haben Request-Prozesse, bei denen Planausdrucke, Ausgabe bearbeitbarer digitaler Pläne, Änderungen von Plänen oder die Änderung von Stammdaten zum Beispiel durch An- und Verkäufe oder veränderte Adressen angefordert werden", erklärt Fritz Seda der Leiter der Abteilung für Daten-Management und CAD bei der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Früher kamen diese Anfragen in Form von Anrufen, E-Mails oder im Termin herein.
"Unser Gedanke war, dass diese Requests sich nicht wesentlich von einer Bestellung von Computern oder Zubehör in der IT unterscheiden. Da unsere IT-Abteilung bereits für ihre Prozesse helpLine einsetzte, kamen wir auf die Idee, etwas Vergleichbares auch für unsere Prozesse aufzusetzen - Denken ist ja schließlich nicht verboten", erinnert sich Seda. Über die IT-Abteilung nahmen die Wiener dann Kontakt zu deren Dienstleister auf.
Am Anfang stand eine sehr detaillierte Analyse der Prozesse und Anforderungsarten, schließlich wurden vorerst zwei Prozesse definiert, deren Umsetzung von der Planung bis zum Live-System etwa ein halbes Jahr dauerte. Hinter jedem Prozess liegen die jeweiligen Freigabeprozesse, Genehmigungsschritte und beteiligten Personen in Form von Workflows. So müssen beispielsweise bei der Ausgabe von bearbeitbaren Plänen die Planempfänger eine Haftungserklärung abgeben. "In der IT ist das System insbesondere auf Störungsmeldungen abgestellt. Unsere Prozesse sind stärker mit anderen Systemen wie zum Beispiel Datenbanken verzahnt und es sind wesentlich mehr verschiedenen ausführende Rollen der Mitarbeiter involviert, das war insofern mehr Herausforderung für den Dienstleister bei der Umsetzung", sagt Seda. Nach erfolgreicher Produktivsetzung und Evaluierung wurden zwei weitere Prozesse in gleicher Weise erarbeitet und eingeführt.
Anfragen werden automatisiert in die Prozesse eingepflegt
Alle Abläufe sind als interne Prozesse konzipiert. Externe Anfragen an das Unternehmen werden durch die zuständigen Mitarbeiter der Hausverwaltung entgegengenommen und entsprechend strukturiert. Mittlerweile kommen alle Requests über ein Service-Portal als Anforderungsticket in der Abteilung Daten-Management und CAD an und werden automatisiert über Standardprozesse bearbeitet. "Jeder anfordernde Mitarbeiter der BIG weiß nun, in welchem Bearbeitungsstadium sich seine Anforderung befindet. Sobald ein Plan geändert oder ausgedruckt ist, bekommt der Anfordernde eine E-Mail mit der Info, dass der Plan abzuholen ist oder der Plan geändert wurde", erzählt Fritz Seda. Die automatisierte Rückmeldung über die Erledigung ist nach seiner Einschätzung ein besonders wichtiges Feature, das erheblich zur Kundenzufriedenheit beiträgt. "Durch die Best-Practice-Prozesse ist auf der einen Seite die Qualität der Dienstleistung erhöht worden - so wird nichts vergessen oder übersehen. Auf der anderen Seite haben wir die Möglichkeit, die Priorisierung der Anforderungen zu steuern", so Seda.
- Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail
Wenn ein IT-Services-Management umgesetzt werden soll, kommt es immer wieder zu denselben Schwierigkeiten. Wie lassen sie sich umgehen oder beseitigen? - 1. Aufgelaufene Kosten sind kein Argument
Wenn Entscheidungen zum weiteren Verlauf eines Projekts anstehen, werden die bereits investierten Kosten gern als Argument genannt. Das ist nicht zielführend. Es gilt, an den entscheidenden Stellen des Projekts einen zukunftsbezogenen Business Case zu erstellen. - 2. Kein Projekt ohne ausreichende Ressourcen
Nicht nur ITSM-Vorhaben werden häufig ad hoc gestartet. Das heißt: Es sind noch keine ausreichenden Ressourcen verfügbar. Das liegt oft daran, dass die Berechtigungen zur Ausgabe des Projektmandats überhaupt unklar sind. Abhilfe kann die Einführung eines Projekt-Management-Prozesses schaffen. Dabei sollte unbedingt eine Zuständigkeitsmatrix erstellt werden. Sie gibt an, welche "Rollen" einen Projektauftrag erteilen können - und zwar differenziert nach Projektgröße und -typ. - 3. Grundverständnis geht vor Lösungsansatz
Bei der Projektplanung wird zu schnell über konkrete Lösungsansätze und dafür erforderliche Aktivitäten gesprochen - ohne dass ein einheitliches Verständnis hinsichtlich der genauen Ziele besteht. Die Projektplanung sollte konsequent auf die zu liefernden Ergebnisse ausgerichtet sein. Dabei sind diese Ergebnisse möglichst exakt und in einer messbaren Kategorie zu beschreiben (Spezifikation des Ergebnisses, Form, Umfang, Qualität etc.). - 4. Besser Kanban als Bildschirm oder Beamer
Umfangreiche Projektpläne lassen sich nicht am Bildschirm oder über Beamer visualisieren. Stattdessen ist es sinnvoll, die Kanban-Methode zu nutzen. Das heißt: Visualisierung auf großen Wänden und Verwendung von Karten für die einzelnen Tasks. Das hilft, komplexe Zusammenhänge für alle Beteiligten auf den unterschiedlichen Hierarchiestufen darzustellen. - 5. Jeder muss seine Rolle im Projekt kennen
Viele Ansprechpartner sind sich ihrer Rolle in den Projekten nicht bewusst. Sie sollten aktiv in die Vorhaben eingebunden werden - über Use-Case-Definitionen und die gemeinsame Entwicklung eines Kommunikationsplans. - 6. Der Informationsfluss darf nicht stocken
Zu Projektbeginn ist das Team meist relativ gut informiert. Aber mit zunehmender Dauer sowie außerhalb des eigentlichen Projekts fehlt es häufig an Informationen. Um dem abzuhelfen, ist es sinnvoll, zu Projektbeginn eine Stakeholder-Analyse zu erstellen, aus der sich Form und Umfang der nötigen Informationen ableiten lassen. Dort kann auch definiert werden, wie die Akteure eingebunden werden sollen. Auf dieser Basis lässt sich ein Stakeholder-spezifisches Kommunikationskonzept aufsetzen. - 7. Wenn der Fachbereich keinen Input liefert
Immer wieder krankt ein Projekt auch daran, dass der vereinbarte Input aus den Fachabteilungen ausbleibt. Da helfen zwei Maßnahmen. Zum einen müssen eindeutige Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Zum anderen muss den Fachbereichen, auch durch Visualisierung über den Produktstrukturplan, eindrücklich klargemacht werden, wie abhängig das Gesamtprojekt von ihrem Input ist und welche Folgen die ausbleibende Lieferung hat. - 8. Es geht einfach nicht ohne formale Anträge
eue Projekte und Serviceänderungen werden "on the fly" und ohne Spezifikationen direkt an einen Mitarbeiter der IT geleitet. Was ist dagegen zu tun? Es muss ein strukturiertes Verfahren zur Projektantragsstellung und -freigabe etabliert werden, verbunden mit der Definition von Verantwortlichkeiten zur Steuerung dieses Prozesses - beispielsweise durch einen IT-Koordinator. - 9. Arbeitspakete beugen Verzögerungen vor
Mit den Kunden sind klare Termine vereinbart, die aber werden immerzu verschoben. Das schreit nach einem Workshop zur Definition der Arbeitspakete mit Abschätzung der Dauer durch Experten. Dabei ist eine genaue Priorisierung vorzunehmen, der Abstimmungsprozess zu überdenken und der Dokumentationsbedarf zu klären. - 10. Alle müssen den Status des Projekts kennen
Während des Projekts ist häufig unbekannt, wo es eigentlich gerade steht. Damit alle Bescheid wissen, empfehlen sich eine kleine Website sowie ein Newsletter mit Reporting. Auf diese Weise kann jeder Stakeholder die Statusinformationen jederzeit abrufen.
Die Anfragen werden automatisiert den zuständigen Abteilungsbereichen in den Bundesländern zugewiesen und an den jeweiligen Leiter gesendet, der diese dann an die Mitarbeiter verteilt, auch wenn einmal ein Bearbeiter nicht da ist, kann auf die Anfragen zugegriffen werden. "Wir sparen vor allem Zeit im Bereich von Rückfragen, weil alle relevanten Informationen im Vorfeld abgefragt werden", meint Abteilungsleiter Seda. Denn heute wählt der Anfragende im Service-Portal das entsprechende Gebäude und füllt ein Formular aus. Hier werden je nach Anfragetyp genau die Informationen abgefragt, die für die Bearbeitung benötigt werden. Langwierige Nachfragen zu fehlenden Informationen gehören damit der Vergangenheit an. "Die Durchlaufzeit hat sich mindestens um zehn bis 15 Prozent verringert", ist sich Seda sicher. (jha)