DXC-Chef Dirk Schürmann

"Wir wollen uns extrem fokussieren"

08.01.2020
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Beratung, Analytics, individuelle Kundenlösungen - das sind die geschäftlichen Schwerpunkte, die der IT-Serviceanbieter DXC Technology künftig neben dem IT-Betrieb setzt. Workplace- und Mobility-Services sind nicht mehr strategisch, sagt Managing Director Dirk Schürmann im Interview.
  • Im IT-Betrieb will DXC für seine Kunden einen Qualitätssprung durch Automatisierung erreichen
  • Massiv aufbauen will der Konzern im Bereich Data/Analytics. Hier wird es eine Einstellungsoffensive geben
  • Die Bereiche Business Process Outsourcing und Workplace and Mobility Services sind nicht mehr strategisch, nach Lösungen wird derzeit gesucht
Dirk Schürmann, Vorsitzender der Geschäftsführung von DXC Technology, erklärt die Restrukturierung des Konzerns im COMPUTERWOCHE-Gespräch.
Dirk Schürmann, Vorsitzender der Geschäftsführung von DXC Technology, erklärt die Restrukturierung des Konzerns im COMPUTERWOCHE-Gespräch.
Foto: DXC Technologies

DXC hat mit Mike Salvino einen neuen CEO. Ist schon absehbar, was er mit Ihrem Unternehmen vorhat?

Dirk Schürmann: Mike Salvino hat vor drei Monaten die DXC-Führung übernommen und hat bereits kurz darauf Prioritäten gesetzt. Wir haben ja unsere Wurzeln im klassischen Outsourcing- und IT-Operations-Geschäft, dort wollen wir die Automatisierung weiter vorantreiben.

Ziel ist es, diesen Kunden im IT-Infrastrukturbereich einen "lautlosen Betrieb" ("silent running") zu bieten - auch dann, wenn sie den Übergang in eine Hybrid-Cloud-Welt planen - und wir damit unseren Kunden ermöglichen, mit ihnen gemeinsam, die digitale Transformation ihrer Geschäftsmodelle erfolgreich zu gestalten. Wir sehen uns derzeit vor allem bei den Top-200-Accounts genau an, wie wir mit Automatisierungstechnologien und -ressourcen schlagartig einen deutlichen Qualitätssprung erreichen können, um die Qualitiätsführerschaft im Markt zu erlangen.

Gab's Qualitätsprobleme oder warum betonen Sie das so?

Schürmann: Nein, wir hatten immer einen hohen Net Promoter Score. Aber die Welt wird komplexer. Wir betreiben nach wie vor dedizierte Infrastrukturen, bieten dazu aber die Transformation in die hybride Cloud-Infrastrukturen incl. der Hyperscaler an. Wenn unsere Kunden also eine hybride Welt aus On-premise-Systemen und Private- sowie Public-Cloud-Angeboten anstreben, können wir das für sie umsetzen und betreiben. Da möchten wir uns als Qualitätsführer im Markt verstanden wissen - auch in Abgrenzung von den indischen Herausforderern.

Passt das zusammen: mehr Qualität in den IT-Operations-Bereich bringen und gleichzeitig massiv automatisieren?

Schürmann: Auf jeden Fall. Unsere Kunden erwarten die bestmögliche Unterstützung ihrer Mission-critical-Systeme, sie möchten sich wenig drum kümmern müssen und wünschen sich so etwas wie Silent Operations. Der IT-Betrieb ist unsere Basis, dort kommen wir her und fühlen uns traditionell stark aufgestellt. Wenn wir aber über unsere Zukunft reden, dann müssen wir verstärkt bei den darüber liegenden Ebenen des "Technologie-Stacks" (siehe Darstellung) ansetzen und unser Geschäftsmodel verändern.

Was meinen Sie damit genau?

Der "DXC Enterprise Technology Stack": Sowohl bei den Branchen als auch den Angeboten will der Konzern deutliche Verlagerungen vornehmen.
Der "DXC Enterprise Technology Stack": Sowohl bei den Branchen als auch den Angeboten will der Konzern deutliche Verlagerungen vornehmen.
Foto: DXC Technologies

Schürmann: Vom IT-Betrieb, dem untersten Level, geht es über Cloud- und Security-Services, Anwendungen und Industrie-IP (= Intellectual Property) sowie Daten und Analytics ganz nach oben zu Beratungsdiensten, die auch digitale Geschäftsmodelle umfassen können. Wir bewegen uns weiter klar in Richtung höherwertige Services. Das geht aber nur mit gut ausgebildeten Mitarbeitern. Deshalb will Salvino darauf einen deutlichen Schwerpunkt setzen: Talente, ob junior oder senior, für DXC begeistern und deren Karriere entwickeln.

Wir haben heute schon einen großen Teil unserer Mitarbeiter im Bereich Applications und Industrie-IP eingesetzt, da haben wir hohe Marktanteile. Auf der Ebene Data und Analytics haben wir unsere Führungsposition bestätigt. Sie kennen vielleicht das Referenzprojekt, das wir derzeit mit BMW im Bereich autonomes Fahren betreiben. Und Advisory - da geht es eben darum, wie wir unsere Kunden über all diese Stacks hinweg beraten, um ihnen End-to-End-Lösungen anzubieten und mit ihnen gemeinsam erfolgreich komplexe Projekte über alle Leistungselemente umsetzen.

Um tiefer in das Beratungs- und Analytics-Geschäft vorzustoßen, werden wir aber einen weiteren Mitarbeitertyp brauchen. Wir müssen also überlegen: Wie stellen wir uns im Wettbewerb der Ressourcen auf? Wie können wir Skills in unseren Wachstumsfeldern aufbauen?

Einstellungsoffensive bei Data-Progessionals und Beratern

Wollen Sie Ihre Mitarbeiter umschulen oder neues Personal einstellen?

Schürmann: Beides. Wir werden eine Transformation durchführen - gerade im Infrastrukturgeschäft haben wir viele seniore Mitarbeiter, die vor allem daran arbeiten können, den Silent-Operations-Betrieb sicherzustellen. In Bereichen wie Data Analytics und Advisory werden wir massiv einstellen. Da braucht man einen neuen Typ Mitarbeiter und eine ganz andere Kultur, damit das funktioniert.

Das hört sich so an, als ob Sie in eine ähnliche Richtung wie Accenture gehen wollen…

Schürmann: Mike Salvino war ja jahrelang ein erfolgreicher Manager bei Accenture. Er gehört zu denen, die dort den Grundstein für den Erfolg gelegt haben. Ich glaube aber, dass wir schon heute im Bereich Data Analytics weiter vorne sind. Wenn Sie Gartner- oder ISG-Daten heranziehen, dann sehen Sie uns weit oben rechts im Quadranten als Führer, auch in Deutschland.

Der IT-Betrieb verlangt eine enge Zusammenarbeit mit den IT-Abteilungen. Wenn Sie Richtung Anwendungen, Data Analytics und Beratung gehen, ändern sich auch Ihre Ansprechpartner in den Unternehmen.

Schürmann: Nicht unbedingt. Die klassischen IT-Abteilungen, in denen wir unsere Ansprechpartner hatten, entsenden heute immer mehr Mitarbeiter in die Business-Bereiche. Zusammen mit den Kollegen dort erwarten sie jetzt Komplettlösungen von uns, die alle genannten Stacks umfassen. Für uns liegt also die Herausforderung darin, sowohl klassische Lösungen innerhalb eines Stacks anzubieten als auch End-to-End-Lösungen über die gesamten Stacks hinweg vertraglich mit durchgehenden SLA's abzubilden.

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Was bedeutet diese Entwicklung für Ihren Kontakt zu den CIOs?

Schürmann: Wir stellen uns da flexibler auf. Natürlich orientieren wir uns weiter an den CIOs, man sieht ja auch, dass wir dort nach wie vor viele Anknüpfungspunkte haben. Aber so, wie sich unsere Kunden verändern, verändern wir uns auch als IT-Dienstleister. Wir werden weiterhin eine klassische IT, die hauptsächlich den Infrastrukturbereich bedient, mit den klassischen Betriebsverträgen versorgen. Gleichzeitig gehen wir auch in neue Vertragskonstrukte, also dorthin, wo die IT in die Business-Bereiche hineinwächst und wo es darum geht neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Wohin entwickelt sich das klassische, auf den Betrieb bezogene Outsourcing-Business?

Schürmann: Ursprünglich hatte der ganze Markt eine schnelle Wanderungsbewegung in Richtung Public Cloud erwartet. Die findet aus unserer Sicht aber nicht in der Geschwindigkeit statt. Stattdessen gehen wir von klassischen On-premise-Lösungen in einen Hybrid-Cloud-Betrieb über. Es gibt Applikationen, die werden definitiv weiter auf klassischen Rechnern im eigenen Data Center laufen, und es gibt andere, die lassen sich besser in die Cloud transferieren (Application defines Infrastructure).

Es gibt also ein Nebeneinander in einem Hybrid-Cloud-Modell, wo Anwender einen Management-Layer brauchen, um eigene und Cloud-Infrastrukturen einheitlich zu managen. Das wird auch so bleiben. Wir werden auch weiter eine Vielzahl von Betrieben haben, die einen dedizierten Betrieb favorisieren.

Des Weiteren fragen unsere Kunden bei steigender Komplexität auch zunehmend nach Sourcing-Leistungen, die über die Infrastruktur hinausgehen, wo wir Ende-zu-Ende Services aus einer Lösungssicht erbringen, also den Betrieb und die Maintenance bestimmter Anwendungsbereiche inklusiver der Plattform- als auch der Infrastruktur-Komponenten. Insbesondere da, wo ein Betrieb solcher Lösungen spezifisches Know-How als auch eine globale Präsenz erfordern, zum Beispiel für SAP-Basis, ServiceNow oder IoT-Lösungen.

Hybrid-Cloud-Produkte sind Teil des Serviceangebots

Sieht sich DXC auch als Produktanbieter, der die Hybrid-Cloud-Management-Konsole in die Unternehmen hineinverkauft?

Schürmann: Das tun wir schon längst. Ein Software-Layer, der Hybrid-Cloud-Umgebungen managt, ist Teil unseres Serviceportfolios. Unsere Kunden, die den Service einkaufen, bekommen das. Wir vermarkten es aber nicht als eigenständiges Produkt.

Kommen wir zu den indischen Herausforderern: Die haben einen Vorteil durch geringere Personalkosten und das frühe Engagement im Bereich der Betriebsautomatisierung. Wie will DXC in diesem Geschäftsfeld schwarze Zahlen schreiben?

Schürmann: Wir investieren derzeit massiv in unsere Automatisierungsplattform Bionix. Da sind wir mit Sicherheit genauso kostengünstig aufgestellt wie die indischen Anbieter. Ansonsten wollen wir uns aber gar nicht in den vollen Preiswettbewerb mit den Indern begeben, sondern als Qualitätsanbieter punkten.

Wie wichtig ist das Geschäftsfeld Legacy-Modernisierung für DXC?

Schürmann: Es war schon immer wichtig, und jetzt ist es entscheidend. Unsere Großkunden im Infrastrukturbereich sind auf dem Weg, Anwendungen in die Cloud zu transferieren. Da wollen wir der zentrale Hybrid-Cloud-Partner sein, zumal wir die Angebote der Hyperscaler in unser Portfolio integrieren können. Dafür haben wir globale Verträge mit Microsoft Azure und AWS unterzeichnet, Google kommt jetzt noch dazu.

Die zweite Frage ist, wie schaffen wir für unsere Kunden die Transformation und Modernisierung der Anwendungen? Hierbei möchten wir unsere Kunden begleiten. Entsprechende Analyse-Tools und Prozess-Frameworks haben wir, wir machen das ja schon seit Jahren.