Bloß keine Konzerne

Wir wollen anders arbeiten

28.01.2010
Von Anja Dilk

Michael Rebstock kann das bestätigen. "Wer ganz andere Arbeitsformen sucht, kommt nicht zu uns", sagt der BMW-Sprecher. Doch stellt er fest, dass junge Bewerber verstärkt nach Telearbeit, flexiblen Arbeitszeiten, wechselnden Projekteinsätzen und flachen Hierarchien fragen. "Wir reagieren darauf. Wenn ein Mitarbeiter mal schnell zum Sport geht oder das Kind vom Kindergarten abholt, dafür abends entsprechend länger bleibt, ist das kein Problem für uns." Beim bayerischen Autobauer nehmen jährlich 2500 Mitarbeiter ein Sabbatical oder an einem Programm teil, das ihnen 20 zusätzliche Urlaubstage im Jahr bringt. Auch zehn Prozent der Führungskräfte schlagen ein. Wie jener Chef, der sich nach Abschluss der heißen Phase für den neuen Siebener-BMW eine Auszeit gönnte. "Das geht natürlich nicht immer, sondern muss sich mit den Unternehmensinteressen verbinden lassen."

Das Märchen vom Hierarchieabbau

Ein guter Anfang. Die Schweizer Management-Beraterin Betty Zucker bleibt nach ihren Erfahrungen mit den Wirtschaftsetagen in Deutschland skeptisch: "Viele Unternehmen pflegen die Rhetorik von Flexibilität und meinen damit oft nur die Beweglichkeit, die sie von den Mitarbeitern erwarten. Sie werben bei den Jungen mit einer leistungsorientierten Kultur jenseits von Hierarchie- und Zeitdiktaten. Die Neulinge müssen dann bald erleben, dass vielerorts zum Beispiel die Parkplätze nach Hierarchie- und Senioritätskriterien vergeben werden." Ohnehin reiche ein smarter Flexibilisierungskurs kaum aus, um die nachwachsende Generation dauerhaft zu binden.

Die 20-Jährigen sind aufgewachsen in einer Zeit, in der Wandel der Normalzustand, Globalisierung Realität und die digitale Welt Alltag ist. Sie sind vertraut mit Joystick und sozialen Netzen, geprägt vom Denken in Links statt in Hierarchien und an Feedback per Mausklick gewöhnt. Darum suchten sie in der Tat mehr Freiheit und andere Führung. Zucker: "Sie wollen schnellen Wechsel, ehrliches, häufiges Feedback, klare Rahmenbedingungen für Budgets, Ziele, Termine, aber maximale Autonomie für den Weg zum Ziel. Sie suchen Autoritäten, die fachlich oder persönlich Vorbilder sind, statt Autoritäten, die nur auf Hierarchien gründen."

Drang zu neuer Freiheit

Den Drang zu neuer Freiheit nennt der Politologe und Autor Markus Albers "Easy Economy". In seinem Buch "Morgen komm ich später rein" plädiert er für mehr Selbstbestimmung in den Unternehmen. Die Mitarbeiter sollten selbstbewusst ihre Freiheiten einfordern: Wann und wie oft sie kommen, wie sie ihre Aufgaben organisieren, um die Ziele zu erreichen. Die Idealform ist eine Art Hybrid zwischen Angestelltem und freiem Mitarbeiter, der "Freiangestellte", wie Albers sagt. Blanke Theorie? Der Autor hat sich in Unternehmen umgeschaut. "Viele entdecken, dass ihre Mitarbeiter produktiver und kreativer sind und nicht so oft kündigen, wenn man sie nicht mehr jeden Tag ins Büro zwingt. Firmen sind bereit, den Mitarbeitern zunehmend Freiräume einzuräumen."

Palomar 5

Die Idee zu einem offenen Innovationshaus der jungen Generation hatte der Musikstudent Jonathan Imme schon lange. Auf dem Digital-Natives-Gipfel der Deutschen Telekom nahm sie Gestalt an. Mit Unterstützung der Telekom gründeten der 25-Jährige und seine fünf Mitstreiter das Projekt Palomar 5. Sie wollten drei Dutzend Internet-affine, hochqualifizierte Kreative aus aller Welt zusammentrommeln, die in einer renovierten Fabriketage sechs Wochen lang mit Unterstützung hochkarätiger Experten Ideen für die Arbeitswelt von morgen entwickeln sollten. Wie das Sternen-Cluster Palomar durch die Milchstraße kreuzt und sie dadurch verändert, sollte Palomar 5 durch die Arbeitswelt schießen und seine Spuren hinterlassen.

Das Team hinter Palomar 5 ( von links): Philippa Pauen, Dominik Wind, Jonathan Imme, Hans Raffauf, Simon Wind, Mathias Holzmann
Das Team hinter Palomar 5 ( von links): Philippa Pauen, Dominik Wind, Jonathan Imme, Hans Raffauf, Simon Wind, Mathias Holzmann

Aus 600 Bewerbungen suchten Imme und sein Team 28 Teilnehmer unter 30 Jahren heraus. Der bunte Mix aus Computer-Nerds, Ingenieuren, Bankern, Künstlern, Philosophen, Entwicklern, Freiberuflern, Studenten, Unternehmern und Festangestellten fand sich im Oktober und November 2009 sechs Wochen zum Workshop-Camp in der Malzfabrik zusammen. Seit Abschluss des Projekts besteht Palomar 5 als Netzwerk weiter. In diesem Jahr geht das Camp in eine zweite Runde.