GitHub-COO im Interview

"Wir brauchen keine KI, um kreativ zu sein"

13.03.2024
Von  und
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

"Natürliche Sprache ist manchmal der bessere Code"

Ziehen Sie in Betracht, weitere GenAI-Tools auf den Markt zu bringen?

Daigle: Bezogen auf GitHub haben wir viel von der zugrundeliegenden Copilot-Technologie übernommen und sie auf unsere Support-Anwendungsfälle angewandt. Wenn Entwickler auf GitHub ein Problem haben und ein Ticket stellen müssen, ist diese Erfahrung unserer internen sehr ähnlich - auch hier kommt ein Chatbot auf Copilot-Basis zum Einsatz, der 'Support Copilot'. Auch dieses Tool ist in der Lage, ein Problem im Kontext der jeweiligen Frage zu verstehen und zu lösen.

Inzwischen erkunden wir auch weitere Möglichkeiten mit Copilot, die über Code-Generierung und Pull Requests hinausgehen. Dabei beschäftigen wir uns insbesondere mit der Frage, was passiert, wenn man das Modell "umdreht" und Copilot nicht mit Code füttert, sondern stattdessen beschreibt, welches Problem man zu lösen versucht. Copilot kann aus dem resultierenden Prompt Code erzeugen, der anschließend über den Prompt bearbeitet werden kann. Am Ende kann das Tool das Ergebnis testen, ausführen und bereitstellen - alles auf der Basis natürlicher Sprache. Derzeit versuchen wir herauszufinden, wie man auf diese Weise schneller mehr akkuraten Code generieren kann. Natürliche Sprache ist manchmal der bessere Code.

Wie ermitteln Sie den Return on Investment bei KI-Projekten?

Daigle: Man kann intern eine Million Dinge messen. Auch, wenn es um die Softwareentwicklung geht - DORA- oder Space-Metriken sind nur zwei Beispiele. Als wir intern an den IT-Anwendungsfällen gearbeitet haben, ging es um diesselben Fragen: 'Wie viele Tickets werden umgeleitet?', 'Wie viele Tickets wurden geschlossen?' - am Ende des Tages geht es eigentlich darum, die erzielte Zeitersparnis zu messen. Das ist entscheidend.

Für mich ist bei all diesen Maßnahmen der ROI schon mit eingerechnet, weil wir Zeit zurückgewinnen, die die Mitarbeiter zuvor für die Bearbeitung von Tickets und andere manuelle Tasks aufgewendet haben. Diese Zeit investieren wir wiederum in strategisch wichtigere Dinge. Der ROI beim OctoBot-Projekt ist an dieser Stelle ziemlich aussagekräftig: Die gesteigerte Produktivität der Entwickler wird automatisch reinvestiert, weil sie schneller mit ihrer Arbeit vorankommen - und dann Zeit haben, mit anderen Tools zu arbeiten, die ebenfalls eine Zeitersparnis realisieren.

Am Beispiel von GitHub erkennt man gut, dass wir in der Lage sind, mehr zu leisten als früher. Das liegt allerdings nicht daran, dass wir im letzten Jahr um 50 Prozent gewachsen sind, sondern an der gewonnenen und reinvestierten Zeit.

Was raten Sie Unternehmen, die den Einsatz generativer KI erwägen oder ihn skalieren wollen?

Daigle: Ihre Teams müssen das Rad nicht neu erfinden. Es ist einfacher, KI-Funktionen zu nutzen, die im Fluss halten und nicht erfordern, sich neue Verhaltensweisen anzutrainieren. Holen Sie Ihre Mitarbeiter dort ab, wo sie sind und geben Sie ihnen die KI-Tools, die sie brauchen. Dann wird sich die Technologie von alleine verbreiten.

Außerdem wichtig: Entwickeln sie eine wiederholbare Strategie. Jahrzehnte der Softwareentwicklung haben bewiesen, dass sinnvolle und bewährte Iterationen oft zielführender sind als große Umwälzungsprojekte, die maximal möglicherweise funktionieren. Außerdem wichtig: Testen Sie früh und mit kleinen Gruppen und machen Sie Experimentierfreude zu einem zentralen Bestandteil Ihrer Unternehmenskultur.

Und last but not least: Lassen Sie die KI arbeiten. Die besten Tools im Bereich der künstlichen Intelligenz sind die, die menschliche Qualitäten zur Geltung bringen. Wir brauchen keine KI, um kreativ zu sein - vielmehr sollte sie uns von den repetitiven Tasks befreien, die uns daran hindern, unsere Kreativität zu entfalten.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.