GitHub-COO im Interview

"Wir brauchen keine KI, um kreativ zu sein"

13.03.2024
Von  und
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

"Man soll nicht erst lernen müssen, wie man das benutzt"

Nicht wenige Technologie- und IT-Experten befürchten, dass KI, die automatisch Code generiert, Entwickler irgendwann komplett verdrängen könnte. Ihre Einschätzung?

Daigle: Wenn man auf die moderne Geschichte zurückblickt, gab es einige historische Momente, die unter den Menschen die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes befeuert haben - etwa die Erfindung des Buchdrucks. Was sich im Fall von Copilot tatsächlich abspielt: Dinge, die nicht mehr wirtschaftlich waren, sind es plötzlich wieder, weil die Entwickler dank Copilot nicht mehr 60 bis 70 Prozent ihrer wertvollen Zeit damit verbringen, Probleme zu lösen, die schon tausendfach gelöst wurden. Bei GitHub stellen wir jedenfalls immer noch Entwickler ein - auch aktuell. Und auch wir stellen fest, dass wir mehr Zeit auf die Diskussion mit Kunden im Vorfeld oder die Architektur und das Problem, das wir lösen wollen, verwenden. Je schneller die Programmierung abläuft, desto wichtiger wird es, seine Zeit in kreative Problemlösung zu investieren.

KI versetzt uns bei GitHub in die Lage, mehr Code zu schreiben als bisher und größere Probleme anzugehen, die zuvor aus Zeitgründen liegenbleiben mussten. Das kann beispielsweise auch eine grundlegende Überarbeitung einer App sein - ein Task, den viele unserer Kunden regelmäßig vor sich herschieben, insbesondere aus Kostengründen. Wird dieses Unterfangen durch Technologie um die Hälfte billiger, eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten.

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ich denke es gibt noch eine ganze Menge Arbeit für die menschlichen Entwickler dieser Welt. Das wird sich auch so schnell nicht ändern.

Welche Vorteile können Nicht-Entwickler-Teams aus der Arbeit mit GenAI ziehen?

Daigle: Ein entscheidender Aspekt von Copilot, der meiner Meinung nach nicht ausreichend gewürdigt wird, ist die Möglichkeit, 'on the job' zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Beschäftigte, die gerade neu an Bord sind, finden mit Copilot sofort einen Sparringspartner, der sie dabei unterstützt, Code zu schreiben und eine direkte Feedbackschleife etabliert. Dieser Anwendungsfall betrifft jedoch nicht nur neue Leute im Unternehmen. Unsere erfahrensten Developer müssen manchmal in eher unangenehme Legacy-Projekte abtauchen, die extrem wichtig sind. Wenn Sie in diesen Projekten Aktualisierungen vornehmen müssen, kann die KI ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Bei Copilot liegt der Fokus auf der Benutzererfahrung: Man soll nicht erst lernen müssen, wie man das Tool benutzt, sondern es einfach intuitiv tun. Auf dieser Grundlage haben wir intern nach weiteren Möglichkeiten gesucht, künstliche Intelligenz zu implementieren. Das ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis: Wenn man den Menschen erst beibringen muss, wie man ein Tool benutzt, ist es nicht viel besser als jede andere Technologie, die man dafür nutzen könnte.

Können Sie weitere Erfolge in Zusammenhang mit KI bei GitHub zu vermelden?

Daigle: Einer der ersten großen Erfolge, die wir bei GitHub erzielt haben, ist die Einführung von KI in die IT. Wir beschäftigen etwas mehr als 3.000 Mitarbeiter, die sich lange mit einem alten Heldesk-Ticketing-System herumschlagen mussten, um Hilfe bei streikenden Laptops und VPN-Zugängen zu bekommen. Dazu muss man wissen: GitHub läuft im Wesentlichen auf Slack und ist ein Remote-First-Unternehmen. Also haben wir uns gesagt: 'Wenn wir alle auf Slack sind, warum sollte die Interaktion mit der IT-Abteilung über Slack nicht auch KI-basiert ablaufen?'

Statt also ein Portal aufzurufen und ein Ticket einzureichen, haben wir in Kooperation mit unserem Automatisierungsdienstleister einen Slack-Kanal mit einem Chatbot aufgesetzt, den wir Octobot getauft haben. Wenn Sie ihm eine Frage stellen, teilt er postwendend die nötigen Schritte zur Problemlösung mit. In vielen Fällen lassen sich solche Workflows auch mit Automatisierungen verknüpfen. Weil wir für die Lösung weder ein neues System erstellen, noch ein neues Portal aufsetzen und darüber kommunizieren mussten, konnten wir eine enorme Verbesserung feststellen: Inzwischen sind wir so weit, dass Octobot 30 Prozent unserer Helpdesk-Tickets auf Anhieb lösen kann. So sparen wir unseren IT-Experten jeden Tag mehrere Stunden wertvolle Zeit ein, die in andere KI-Initiativen fließen können. Was dabei am interessantesten ist: Die Kundenzufriedenheit ist von 86 auf 98 Prozent gestiegen.

Ein Beispiel für eine User-Interaktion mit dem Support-Chatbot "Octobot".
Ein Beispiel für eine User-Interaktion mit dem Support-Chatbot "Octobot".
Foto: GitHub

Auf der Grundlage dieses Prozesses testen wir derzeit den internen Einsatz mehrerer KI-Tools. Ungefähr zehn Prozent unserer Beschäftigten ist an dieser Testphase beteiligt, bei der es immer um die gleichen Grundsatzfragen geht: 'Wir können wir KI etablieren, ohne die Mitarbeiter enablen zu müssen?' und 'Lässt sich die Lösung sinnvoll in den Workflow integrieren?' Anschließend messen wir die eingesparte Zeit und analysieren, ob sich ein Einsatz lohnt.