Zur Vorbereitung dieses Interviews habe ich ChatGPT einmal gefragt, was die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit Speichertechnologien sind. Was, glauben Sie, hat der Bot geantwortet?
Giancarlo: (lacht) Geringe Zuverlässigkeit vielleicht?
Nein, die fehlende Skalierbarkeit wurde zuerst genannt, gefolgt von Performance-Problemen und dann erst Zuverlässigkeit. Außerdem hat der Bot Sicherheit, Komplexität und Kosten angeführt.
Giancarlo: Das ist alles korrekt.
Mich beschleicht das Gefühl, dass sich da in den vergangenen zehn Jahren nicht viel geändert hat.
Giancarlo: Den Eindruck könnte man bekommen. Dabei ist die Leistungsexplosion bei den Storage-Systemen unglaublich. In den 80er Jahren lag die Kapazität einer Festplatte noch bei fünf Megabytes, heute sind es fünf Terabytes. Das bedeutet, die Disk speichert fast eine Million Mal mehr Daten.
Der Wandel besteht in dem gewaltigen Leistungszuwachs, während sich Architektur und Vielfalt der Systeme nur wenig verändert haben. Es gibt günstigen Storage für Aufgaben wie Backup, Hochleistungsspeicher für KI und Machine Learning oder Systeme für Datenbanken, File-Sharing etc.
Das klingt nach einer ziemlich heterogenen Storage-Welt.
Giancarlo: So ist es auch. Heute kann man sagen, dass vor 15 Jahren die Privatkunden moderner agiert haben als Enterprise-Kunden. Wollte man damals mehr Informationen speichern, als der Desktop oder Laptop fassen konnte, wurde eine externe Festplatte angeschafft. Wenn die dann nicht mehr ausreichte, brauchte man eine neue, größere, und alle Daten mussten auf das neue System portiert werden. Das war schon für Consumer eine unangenehme Arbeit, und wissen Sie was: In den Unternehmen läuft das heute noch genauso mit dem Enterprise-Storage. Das liegt daran, dass die Systeme mit bestimmten Anwendungen verknüpft sind, die oft wieder auf eigenen Systemen laufen.
Storage-Wildwuchs lähmt die Unternehmen
Ist doch ein prima Geschäft für die Speicheranbieter…
Giancarlo: Ja, das mag im Interesse der alten Storage-Anbieter liegen, die ihre Geschäfte immer noch so betreiben wie früher. Die sind oft durch Übernahmen gewachsen und haben heute fünf oder sechs unterschiedliche Systeme für die verschiedenen Use Cases im Angebot. Da geht es dann nicht nur um Hardware, sondern auch um die zugehörige Software. Jedes System stellt seine eigenen Herausforderungen an den Betrieb und wird von einem individuellen Management-System unterstützt.
Als ich vor sechs Jahren zu Pure Storage kam, hatte ich keine große Erfahrung im Storage-Markt. Ich hatte Freunde, bei denen hörte ich mir einfach mal an, worum es gehen sollte. Dann habe ich ein wenig nachgeforscht und festgestellt, dass alle großen Wettbewerber davon ausgingen, der Storage-Markt sei ausgereizt, technologisch würde sich nicht mehr viel tun - eine Commodity-Technologie.
Ich dachte mir dann: Die Rechenzentren werden weiterwachsen, Daten werden immer wichtiger, genauso deren schnelle Verarbeitung. Und da auch die Prozessoren und GPUs immer noch besser werden, Ethernet-Networking ebenso, da kann es doch nicht sein, dass im 50- bis 60-Milliarden-Dollar schweren Storage-Markt nichts mehr passieren soll.
Mir gefiel der Ansatz von Pure Storage, wo in Speichertechnik immer noch wie in einen Hightech-Wachstumsmarkt investiert wurde. Wir behandeln Speicher nicht als Commodity-Technologie. In diesem Jahr werden wir 20 Prozent unseres gesamten Umsatzes für Forschung und Entwicklung ausgeben. Die meisten Wettbewerber investieren weniger als fünf Prozent dafür.
Wer ist Charles ("Charlie") Giancarlo? |
Warum setzt Pure Storage ausschließlich auf Flash-Speicher?
Giancarlo: Ganz einfach, wir glauben nicht, dass in fünf Jahren noch Harddisks verkauft werden - zumal wir mit unseren All-Flash-Systemen nun damit anfangen, die Preise für billige Festplatten zu unterbieten. Sie kennen Moore's Law, das bezieht sich auf Mikroprozessoren. Es gibt ein ähnliches Gesetz, dass sich auf Flash-Storage und auch auf Harddisks bezieht.
Vergleicht man die Preisentwicklung von Flash- und Festplattenspeicher über die letzten 30 Jahre, dann kann man sehen, wie sich die Kurven immer mehr angenähert haben, und jetzt holt Flash-Speicher die Festplattentechnologie ein. Während unsere Konkurrenten auf einfache SSDs setzen, konzentrieren wir uns auf eine kapazitätsoptimierte NAND-Technik, die wir Quad-level Cell (QLC) Flash nennen. Damit erreichen wir die Kapazitätsziele früher und können Festplatten vom Preis-Leistungs-Verhältnis her ausstechen.
Flash-Speicher sind strom- und platzsparend
Welche Vorteile bietet Flash-Speicher noch?
Giancarlo: Im Vergleich zu Harddisk-Systemen erfordern unsere Flash-Speicher im Rechenzentrum nur ein Zehntel des Platzes, ein Zehntel der Energie und ein Fünftel bis ein Zehntel der bisher üblichen Management-Arbeiten. Auch die Zuverlässigkeit und Robustheit sind um mehr als das Zehnfache größer.
Ist es heute möglich, mit Flash-Speicher jede Aufgabe beziehungsweise jeden Use Case im Unternehmen abzudecken?
Giancarlo: Früher hätte ich Ihnen sagen müssen, Flash lohnt sich nur für die schnellen High-Performance-Systeme. Heute sind wir so weit, dass wir das wirklich auf allen Ebenen können, also mit Block,- File und Object-Storage. Auf dem High-Level war das schon früher klar, doch wir stießen an unsere Grenzen, wenn es galt Disk-Systeme am Low End auszustechen. Heute gelingt uns auch das. Ein großer Vorteil dabei ist, dass unsere Kunden auf allen Systemen mit demselben Storage-Betriebssystem arbeiten, mit Purity. Mit dieser Softwareumgebung lassen sich alle drei Speichertypen verwalten.
Wie aufwendig ist es für große Unternehmen, mit ihrer gesamten Speichertechnologie in eine All-Flash-Welt zu migrieren?
Giancarlo: Das ist schon eine große Herausforderung, da macht der Wechsel auf Pure-Systeme keine Ausnahme. Das kann Monate dauern. Wenn Sie so weit sind, müssen sie über das Wochenende ihre Anwendungen herunterfahren und mit dem neuen System wieder in Betrieb nehmen. Das geschieht im Durchschnitt alle fünf Jahre.
Um den Aufwand zu reduzieren, haben wir uns sogenannte Non-Disruptive Upgrades einfallen lassen. Der Vorteil ist, dass unsere Kunden nach der Migration nie wieder migrieren müssen. Wir haben dafür ein Abo-Programm namens Evergreen aufgesetzt, in dessen Rahmen wir alle paar Jahre die Systeme beim Kunden upgraden, so dass sie niemals veralten können. Der Anwender bekommt immer wieder neue Hardware und Software, und das Beste: Er muss seine Anwendungen für ein Upgrade nicht mehr herunterfahren. Für unsere Leute ist das ein Job von zwei Stunden.
Eine Aufgabe, die für Unternehmen und auch für IT-Verantwortliche immer wichtiger wird, ist das Einhalten von Nachhaltigkeitszielen. Lohnt sich dazu eine Umstellung auf Flash-Storage?
Giancarlo: Ich habe ja schon erwähnt, dass die Energiekosten nur zehn Prozent von denen eines Disksystems betragen, weil sowohl beim direkten Energieverbrauch als auch in der Kühlung der Strombedarf viel geringer ist. Wenn in einem Rechenzentrum ein Viertel des Stromverbrauchs auf Storage-Systeme entfällt, was durchaus typisch ist, dann können wir mit unseren Systemen den Gesamtverbrauch des RZ um 20 Prozent reduzieren. Das ist eine Menge.
Auch im Vergleich zu unseren Wettbewerbern, die nicht NVMe-Flash-Speicher, sondern SSDs nutzen, brauchen unsere Systeme die Hälfte, manchmal sogar nur ein Fünftel des Stroms. Da wir nicht ganze Systeme austauschen, sondern die vorhandenen umbauen, produzieren wir auch weniger Müll. Systeme, die wir zurücknehmen, bieten wir danach über einen Cloud-Storage-as-a-Service wieder an, so dass sich deren Nutzung verlängert. Damit sind unsere Systeme zehn Jahre im Einsatz und nicht fünf Jahre, wie herkömmliche SSDs.