Harte Talent-Arbeit

Wie Sie junge Menschen für Führungspositionen begeistern

11.05.2023
Von 
Catrin Schreiner ist Texterin und Inhaberin der Agentur sprachwuerdig in Köln.
Top-Jobs scheinen für viele Nachwuchstalente nicht mit ihren Wünschen vereinbar: keine übermäßigen Überstunden, von überall aus arbeiten, genug Freizeit. Wer Führung neu definiert und aufstellt, überzeugt Talente vielleicht doch noch.
Führungskräfte können Aufgaben ans Team abgeben; die KollegInnen freuen sich über die Wertschätzung - und das Unternehmen über motivierte und damit produktive Angestellte.
Führungskräfte können Aufgaben ans Team abgeben; die KollegInnen freuen sich über die Wertschätzung - und das Unternehmen über motivierte und damit produktive Angestellte.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Schule und Studium gut abschließen - und dann kontinuierlich die Karriereleiter nach oben klettern - das war früher ein großes Ziel von jungen Menschen. Doch die Einstellungen haben sich geändert. Zwar steigt die Anzahl derer, die mit der allgemeinen Hochschulreife und einem Bachelor- und Masterstudium bestens ausgebildet für höhere Aufgaben sind, weiterhin. Die Lust auf eine Führungsposition scheint vielen aber zu vergehen.

Klassische Karriere hat ausgedient

Umfragen zeigen, dass ein Posten im Management sowohl für junge Menschen sowie für Mitarbeitende, die bereits in Führungspositionen sind, wenig attraktiv ist. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. So fühlen sich Frauen bei Beförderung und Gehaltserhöhung am Arbeitsplatz nicht fair behandelt - und sind wenig zuversichtlich, eine solche Position überhaupt zu erreichen.

Unter Männern wird ein Managementposten wiederum mit Stress und Überforderung verbunden, oft fehlt ihnen auch die fachbezogenen Aspekte der Arbeit. Junge Menschen hingegen scheuen häufig die Verantwortung und Verpflichtungen, die damit verbunden sind. Auch wenn es dafür in der Regel mehr Geld gibt. Zusammengefasst: Die klassische Art, Karriere zu machen - nämlich Vollzeit, mit Präsenzpflicht und über lineare Karrierepfade -, hat für die meisten ausgedient.

Karriere machen auf moderne Art

Für Personalabteilungen bedeutet das, die Chefrolle neu zu definieren und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich der Wunsch nach genügend Zeit für Familie, Freunde und Hobbys mit einem Top-Job vereinbaren lässt. "Firmen sollten gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden herausfinden, wie und wo sie arbeiten möchten, und bei Karriereplänen unterstützen - zum Beispiel, indem sie mehr individuelle Pakete schnüren", sagt Ellen Padilla aus dem Talent Acquisition Team beim IT-Dienstleister Nagarro. Solche Pakete können zum einen Unterstützung beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit und Kinderbetreuung beinhalten, beim anderen die Begleitung durch einen Coach.

Grundsätzlich haben sich folgende Ansätze einer neuen Organisations- und Führungskultur bewährt, weil sie den Vorstellungen vieler Nachwuchskräfte entsprechen. Wer sie verfolgt, vergrößert die Chance, dass sich junge Menschen langfristig für ein Unternehmen entscheiden - und sogar den Weg als Führungskraft einschlagen.

- Flache Hierarchien und Führung schließen sich in werte- und sinnorientierten Unternehmen nicht mehr aus. Auch in Organisationen mit Geschäftsführung und (Top-)Management kann eine angenehme Atmosphäre herrschen, in denen sich alle auf Augenhöhe begegnen, aufeinander eingehen und versuchen zuzuhören.

Der Chef als Sparringspartner

Führungskräfte geben zwar nach wie vor Leitplanken und Regeln vor und kümmern sich um Mitarbeiterbelange. Im Gegensatz zum klassischen Top-Down-Prinzip haben sie heute aber eher eine beratende und vermittelnde Rolle, ähnlich einem Sparringspartner. "Wir haben für unsere Unternehmenskultur einen übergeordneten Wert geschaffen: CARING.

Er ist gleichzeitig ein Akronym und soll im Bereich 'non hierarchical' zu Zusammenarbeit und Teamwork über die verschiedenen Gruppen hinweg ermutigen", sagt Ellen Padilla. In der Praxis bedeutet das: Aufgaben - und damit auch Verantwortung und Verpflichtungen - werden im Sinne des Kunden gleichberechtigt und auf mehrere Schultern verteilt.

Sowohl strategisch als auch operativ arbeiten

Der Berufs- oder Quereinsteiger übernimmt genauso Kundenberatung und Produktvertrieb wie die erfahrenen KollegInnen oder die Teamleitung selbst. Die Gefahr, dass Überstunden und ständige Erreichbarkeit bei nur einer Person, nämlich der Führungskraft, anfallen, verringert sich dadurch. Menschen, die Führungspositionen kritisch gegenüberstehen, bekommen durch die veränderten Rollen zudem neue Anreize: Sie können nicht nur strategisch, sondern auch operativ-inhaltlich arbeiten, gleichzeitig fungieren sie als Vorbild und Mentor.

- Dezentrale Führung bedeutet, dass Führungskraft und Mitarbeitende gemeinsam von verschiedenen Orten aus - etwa aus dem Home-Office - an Projekten arbeiten. Dies ermöglicht, Teams zeitlich und räumlich flexibel zu leiten. "Viele wünschen sich, ihre Arbeit um private Verpflichtungen herum zu legen, ohne beruflich Abstriche machen zu müssen", weiß Ellen Padilla. "Dieses Prinzip erfordert allerdings ein bestimmtes Mindset von Mitarbeitenden, im Stile eines Entrepreneurs."