Schule und Studium gut abschließen - und dann kontinuierlich die Karriereleiter nach oben klettern - das war früher ein großes Ziel von jungen Menschen. Doch die Einstellungen haben sich geändert. Zwar steigt die Anzahl derer, die mit der allgemeinen Hochschulreife und einem Bachelor- und Masterstudium bestens ausgebildet für höhere Aufgaben sind, weiterhin. Die Lust auf eine Führungsposition scheint vielen aber zu vergehen.
Klassische Karriere hat ausgedient
Umfragen zeigen, dass ein Posten im Management sowohl für junge Menschen sowie für Mitarbeitende, die bereits in Führungspositionen sind, wenig attraktiv ist. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. So fühlen sich Frauen bei Beförderung und Gehaltserhöhung am Arbeitsplatz nicht fair behandelt - und sind wenig zuversichtlich, eine solche Position überhaupt zu erreichen.
Unter Männern wird ein Managementposten wiederum mit Stress und Überforderung verbunden, oft fehlt ihnen auch die fachbezogenen Aspekte der Arbeit. Junge Menschen hingegen scheuen häufig die Verantwortung und Verpflichtungen, die damit verbunden sind. Auch wenn es dafür in der Regel mehr Geld gibt. Zusammengefasst: Die klassische Art, Karriere zu machen - nämlich Vollzeit, mit Präsenzpflicht und über lineare Karrierepfade -, hat für die meisten ausgedient.
Karriere machen auf moderne Art
Für Personalabteilungen bedeutet das, die Chefrolle neu zu definieren und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich der Wunsch nach genügend Zeit für Familie, Freunde und Hobbys mit einem Top-Job vereinbaren lässt. "Firmen sollten gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden herausfinden, wie und wo sie arbeiten möchten, und bei Karriereplänen unterstützen - zum Beispiel, indem sie mehr individuelle Pakete schnüren", sagt Ellen Padilla aus dem Talent Acquisition Team beim IT-Dienstleister Nagarro. Solche Pakete können zum einen Unterstützung beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit und Kinderbetreuung beinhalten, beim anderen die Begleitung durch einen Coach.
Grundsätzlich haben sich folgende Ansätze einer neuen Organisations- und Führungskultur bewährt, weil sie den Vorstellungen vieler Nachwuchskräfte entsprechen. Wer sie verfolgt, vergrößert die Chance, dass sich junge Menschen langfristig für ein Unternehmen entscheiden - und sogar den Weg als Führungskraft einschlagen.
- Flache Hierarchien und Führung schließen sich in werte- und sinnorientierten Unternehmen nicht mehr aus. Auch in Organisationen mit Geschäftsführung und (Top-)Management kann eine angenehme Atmosphäre herrschen, in denen sich alle auf Augenhöhe begegnen, aufeinander eingehen und versuchen zuzuhören.
Der Chef als Sparringspartner
Führungskräfte geben zwar nach wie vor Leitplanken und Regeln vor und kümmern sich um Mitarbeiterbelange. Im Gegensatz zum klassischen Top-Down-Prinzip haben sie heute aber eher eine beratende und vermittelnde Rolle, ähnlich einem Sparringspartner. "Wir haben für unsere Unternehmenskultur einen übergeordneten Wert geschaffen: CARING.
Er ist gleichzeitig ein Akronym und soll im Bereich 'non hierarchical' zu Zusammenarbeit und Teamwork über die verschiedenen Gruppen hinweg ermutigen", sagt Ellen Padilla. In der Praxis bedeutet das: Aufgaben - und damit auch Verantwortung und Verpflichtungen - werden im Sinne des Kunden gleichberechtigt und auf mehrere Schultern verteilt.
Sowohl strategisch als auch operativ arbeiten
Der Berufs- oder Quereinsteiger übernimmt genauso Kundenberatung und Produktvertrieb wie die erfahrenen KollegInnen oder die Teamleitung selbst. Die Gefahr, dass Überstunden und ständige Erreichbarkeit bei nur einer Person, nämlich der Führungskraft, anfallen, verringert sich dadurch. Menschen, die Führungspositionen kritisch gegenüberstehen, bekommen durch die veränderten Rollen zudem neue Anreize: Sie können nicht nur strategisch, sondern auch operativ-inhaltlich arbeiten, gleichzeitig fungieren sie als Vorbild und Mentor.
- Tipps zur virtuellen Mitarbeiterführung
Seit der Pandemie gehört virtuelle Mitarbeiterführung zu den Standartaufgaben für jeden Vorgesetzten. Wir haben die wichtigsten Learnings aus dieser Zeit zusammengefasst. - Unterschiedliche Arbeits- und Lebensumstände anerkennen
Zu den größten Herausforderungen zählen die unterschiedlichen Voraussetzungen, womit Teammitglieder bei der Heimarbeit konfrontiert sind. Nicht jeder hat ausreichenden Raum für ein separates Home-Office. Dazu kommen Ablenkungen wie Kinder, Haustiere oder bei Singles ein Gefühl der Isolation. All das hat Einfluss darauf, wie und zu welchen Zeiten Mitarbeiter ihre Aufgaben am besten erledigen können. Vorgesetzte, die offen Verständnis für individuelle Situationen zeigen, schaffen die Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. - Stress-Level steuern
Permanenter Stress im Home-Office ist keine gute Voraussetzung, um kontinuierlich gute Arbeit zu leisten. Wer als Führungskraft vermittelt, dass es okay ist, nicht immer perfekt zu funktionieren, nimmt Mitarbeitern etwas den Druck in der Gewöhnung an die neue Normalität. Vielen fällt es mit dieser Gewissheit leichter, Deadlines einzuhalten und den Erwartungen zu entsprechen. - Regelmäßigen Kontakt pflegen
Ein tägliches Gespräch mit Chefin oder Chef - ist das nicht zu viel der Kommunikation? Nein, denn insbesondere bei der digitalen Mitarbeiterführung ist die Regelmäßigkeit des Austauschs entscheidend. Nur so lässt sich einschätzen, ob alles wie besprochen läuft und sich alle im Team den Anforderungen gewachsen fühlen. Missverständnisse und Fehler passieren - ähnlich wie im Büro - vor allem, wenn zu wenig kommuniziert wird. - Neue Technologien nutzen
Nur mit Personen, zu denen man regelmäßigen Kontakt pflegt, können Beziehungen entstehen. Das funktioniert im Zeitalter des digitalen Austauschs über zahlreiche Kommunikationskanäle. Moderne Videokonferenz-Tools wie Zoom, Teams, Google Meet etc. ermöglichen eine Kommunikation von Angesicht zu Angesicht und machen sichtbar, wie es allen Teammitgliedern geht. - Kommunikationsregeln festlegen
Dezentral organisierte Teamarbeit funktioniert am effektivsten, wenn sich alle über die Grundregeln der Kommunikation einig sind. Vorgesetzte können für klare Verhältnisse sorgen, indem sie Häufigkeit, Zweck und Timing des Austauschs und die dafür priorisierten Kanäle festlegen. Videokonferenzen sind in der Regel die erste Wahl für die tägliche Gruppenbesprechung. Gerade größere Gesprächsrunden lassen sich durch simple Tricks so strukturieren, dass auch Meetings mit hoher Teilnehmerzahl geordnet und effektiv ablaufen. Wenn es um dringliche Angelegenheiten oder Nachfragen geht, sind andere Kanäle wie Instant Messaging der bessere Weg. Unified-Communications-Plattformen ermöglichen eine Vielzahl von Anwendungen und Kommunikationskanälen. - Erwartungen definieren
Oft werden beim Übergang von der klassischen Büroarbeit ins Home-Office Aufgaben innerhalb eines Teams neu verteilt oder kommen neue hinzu. Damit Mitarbeiter diese erfüllen können, muss klar sein, was genau von ihnen erwartet wird. Manchen mag es außerhalb der gewohnten Büroatmosphäre anfangs schwerfallen, Aufträge zu priorisieren. Gemeinsam kann geklärt werden, welche Aufgaben Priorität haben und zu schaffen ist. Einfach davon auszugehen, dass jeder weiß, was zu tun ist, ist kontraproduktiv. Besser ist, von Anfang an eine Feedback-Schleife zu vereinbaren, um Erwartungen anzupassen und in den bekannten Applikationen zu dokumentieren. - Ein gemeinsames Ziel verfolgen
Teams funktionieren vor allem dann, wenn alle Mitglieder eine gemeinsame Mission verfolgen. Das dabei entstehende Gemeinschaftsgefühl hilft auch, Unsicherheiten zu überwinden und mit ungewohnten Arbeitssituationen umzugehen. Wenn jeder weiß, was er zum gemeinsamen Erfolg beiträgt, ist das die beste Motivation, Höchstleistungen zu erbringen. Erfolge sollten außerdem gewürdigt werden. - Auf die Ergebnisse konzentrieren
Wie lassen sich Engagement und Selbstverantwortung fördern? Indem Führungskräfte sich auf die gewünschten Ergebnisse konzentrieren und Teammitgliedern den Freiraum lassen, selbst einzuteilen, wie sie zum Ziel kommen wollen. Voraussetzung dafür ist ausreichend Zeit und zuvor aufgebautes Vertrauen. Ist das der Fall, lässt sich auf diesem Weg nicht nur die Kreativität der Mitarbeiter fördern, sondern auch kräftezehrendes Mikromanagement vermeiden. Virtuelle Brainstorms lassen sich beispielsweise in Breakout-Räume aufteilen. Kleinere Teams können dadurch in separaten Sitzungen arbeiten und ihre Ideen sammeln, die anschließend in der größeren Runde präsentiert werden. - Strikte Kontrollmechanismen vermeiden
Regelmäßige Kommunikation und klare Zielvorgaben sind wichtig. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass Mitarbeiter das Gefühl bekommen, im Home-Office überwacht zu werden. Vorgesetzte, die mehrmals täglich penible Rückmeldungen zu erledigten Arbeitsschritten einfordern, signalisieren damit fehlendes Vertrauen. Sie riskieren zudem, dass Teams den Fokus verlieren. Beratung und Betreuung sind besser als strikte Kontrolle. - Neue Team-Mitglieder integrieren
Als neues Mitglied in ein dezentral arbeitendes Team zu kommen, kann zur Herausforderung werden, weil sich die Dynamik einer Gruppe anfangs schwerer erspüren lässt. Umso wichtiger ist es, Neulingen zu Beginn ihrer Tätigkeit das Gefühl zu geben, Teil der Gruppe zu sein. Unternehmen, die bereits über längere Erfahrung in dezentralem Arbeiten verfügen, haben dies zum festen Bestandteil ihres Onboardings gemacht. - Das Wir-Gefühl stärken
Selbst in gut funktionierenden Arbeitsumfeldern kann es gelegentlich zu Unsicherheiten, Unzufriedenheit oder Ängsten der Mitarbeiter kommen. Die Aufgabe von Führungskräften besteht darin, Teams davor zu schützen. Das gelingt am besten, wenn auch die sozialen Aspekte der gemeinsamen Arbeit berücksichtigt werden. Dafür braucht es keine verpflichtenden gemeinsamen Kaffeepausen, aber von Zeit zu Zeit die Gelegenheit für einen lockeren Austausch, der Mitarbeitern das Gefühl gibt, trotz der Distanz wahrgenommen zu werden. Virtuell lässt sich der Teamgeist auch fördern, wenn zur Abwechslung mal eine Happy Hour, ein virtuelles Quizzen oder ein gemeinsames Essen per Videochat organisiert wird.
- Dezentrale Führung bedeutet, dass Führungskraft und Mitarbeitende gemeinsam von verschiedenen Orten aus - etwa aus dem Home-Office - an Projekten arbeiten. Dies ermöglicht, Teams zeitlich und räumlich flexibel zu leiten. "Viele wünschen sich, ihre Arbeit um private Verpflichtungen herum zu legen, ohne beruflich Abstriche machen zu müssen", weiß Ellen Padilla. "Dieses Prinzip erfordert allerdings ein bestimmtes Mindset von Mitarbeitenden, im Stile eines Entrepreneurs."