Auch mal Kart fahren

Wie sich Frauen in der IT behaupten

05.05.2013
Von Uwe Schick
Humor zeigen, Fachkenntnisse haben und mit den Kollegen rasante Runden im Kart drehen – Führungskraft Sandra Babylon und Einsteigerin Mahayekti Hacinthyasakti berichten über ihre Karrieren in der IT-Beratung.
Foto: Marsy - Fotolia.com

Jahre ist es her, da meldete sich das Telefon eines Kollegen, doch er war nicht da. So griff Sandra Babylon zum Hörer und der Kunde am anderen Ende der Leitung wollte bei ihr einen Termin mit dem Kollegen vereinbaren. Eine Frau am Telefon: Das musste ja die Sekretärin sein. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute hat die IT-Beraterin von damals selbst einen Assistenten und führt als Managing Director bei Accenture Projektteams mit bis zu 80 Mitarbeitern.

Eine IT-Karriere hatte die Kulturwissenschaftlerin, die in den USA aufwuchs, nie geplant, den Einstieg in die IT-Beratung eher zufällig gefunden. In ihrem ersten Projekt für den Online-Börsenhandel war Sandra Babylon von Betriebswirtschaftlern und Informatikern umgeben und bekam von Anfang an Verantwortung übertragen. „Mit viel Unterstützung meiner sehr netten Kollegen hatte ich die Feuertaufe gemeistert“, erinnert sich die heute 41-Jährige.

Sandra Babylon kam eher zufällig zur IT-Beratung Accenture.
Sandra Babylon kam eher zufällig zur IT-Beratung Accenture.
Foto: Accenture

Die Arbeit begann sie zu begeistern: Mit jedem Kunden eröffnete sich eine neue Frage, durch den Austausch mit Kollegen lernte sie schnell und viel, auch die Arbeit in internationalen Teams sorgte für Abwechslung. Im Kern geht es in ihrer Arbeit um IT-Prozesse. „Um das Thema IT kommt heute kein Unternehmen mehr herum“, sagt Sandra Babylon. „Auch bei bunten Marketing-Kampagnen stehen im Hintergrund große Kundendatenbanken und Software für das Kampagenmanagement.“ Heute ist sie auf Transformationsprozesse in der Finanzbranche spezialisiert. Um sich als Frau durchzusetzen, sind Optimismus und Humor hilfreich, so Babylon: „Die Kunden haben oft komplizierte Aufgaben, die Zeit drängt, da hilft eine positive Grundhaltung.“ Sie engagiert sich auch als Coach und gibt ihren jüngeren Kolleginnen regelmäßig Karrieretipps.

Geld ist Männern wichtiger als Frauen

Catrin Hinkel, Accenture:
Catrin Hinkel, Accenture:
Foto: Accenture

Unternehmen müssen ihre Personalstrategie sorgfältig und übergreifend planen, wie Catrin Hinkel weiß. Die Partnerin bei Accenture verantwortet nicht nur einen großen Geschäftsbereich, sondern sie hat auch bei der Personalstrategie den Hut auf. Sie rät: „Arbeitgeber sind gut beraten, auf die speziellen Anforderungen der Geschlechter einzugehen und sich zu überlegen, wie sie Führungspositionen auch für Frauen attraktiver machen. Sonst werden sie Probleme bekommen, geeignete Kandidatinnen für Führungspositionen aufzubauen.“

Wo Unternehmen die Anreize für Frauen setzen sollten, zeigen die diesjährigen Ergebnisse der internationalen Frauenstudie „Defining Success“, die Accenture 2013 veröffentlicht hat: Flexibilität ist Trumpf. Doppelt so viele Frauen wie Männer nennen flexible Arbeitszeiten als wichtigsten Faktor einer guten Arbeitsumgebung. Zusätzliche Freiheiten für die Arbeitszeit und den -ort schaffen technische Lösungen wie Laptop, Tablet Computer und Smartphone.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie: Die Work-Life-Balance ist den Frauen wichtiger als Geld. Auf die Frage, was Erfolg im Beruf ausmacht, antwortet nur ein gutes Drittel der Frauen mit „Geld“, doch 46 Prozent ist ein ausgeglichenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit wichtig. Die Anerkennung im Beruf wird von den Frauen sogar noch häufiger genannt: 52 Prozent bewerten sie als wichtigsten Erfolgsfaktor. Bei den Männern ergibt sich ein anderes Bild. Zwar erhält bei Ihnen die Anerkennung ähnlich viele Nennungen (51 Prozent) wie bei den Frauen, die Work-Life Balance kommt mit 34 Prozent aber nur auf Rang vier der Erfolgsfaktoren. Ganz oben steht bei den Männern das unabhängige Arbeiten (55 Prozent) und auf dem dritten Platz liegt das Geld (48 Prozent).

Fragt man Sandra Babylon, was für sie persönlich Erfolg im Job bedeutet, antwortet sie: „Als Dienstleister bin ich im Job erfolgreich, wenn die Kunden mit meiner Arbeit zufrieden sind. Das erkennt dann mein Arbeitgeber auch an.“ Wichtig ist ihr aber auch, dass sie andere Kollegen an ihrem Erfahrungsschatz teilhaben lassen kann – und dann sieht, wie sich ihre Mitarbeiter weiterentwickeln. An ihre Work-Life-Balance denkt Sandra Babylon erst an zweiter Stelle. „Ich ziehe viel Energie aus meinem Job und habe das Gefühl, dass ich etwas Sinnvolles mache, das mir auch Freude bringt.“ Für den Ausgleich blockt sie sich im Kalender Zeit für private Dinge, die ihr wichtig sind.

Gute Jobchancen lockten junge Informatikerin

Mahayekti Hacinthyasakti bewusst für die Branche - wegen der guten Berufsaussichten.
Mahayekti Hacinthyasakti bewusst für die Branche - wegen der guten Berufsaussichten.
Foto: Accenture

Mahayekti Hacinthyasakti, 28, steht am Anfang ihrer Karriere. Im Gegensatz zu Sandra Babylon hat sie sich auf ihren Einstieg in die IT-Branche systematisch vorbereitet. „Ich bin in Jakarta geboren und habe in Indonesien Informatik studiert, denn mit IT-Kenntnissen hat man gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“ Nach ihrem Bachelor-Abschluss kam sie vor vier Jahren nach Deutschland, wo sie ihren Master in Internationalem Management erwarb. Dann starte sie direkt in der IT-Branche: „Bei Accenture habe ich an dem zweimonatigen Einstiegsprogramm Jump-Start teilgenommen. Dazu gehörte ein technisches Trainingsprogramm, bei dem ich mich in SAP-Anwendungen eingearbeitet habe. Obwohl ich keine Vorkenntnisse hatte, gelang der Einstieg gut, denn das Training war sehr intensiv. Selten habe ich in so kurzer Zeit so viel gelernt.“ Diese tief verwurzelte Lernkultur gefällt Lingga noch immer, denn so kann sie sich ständig weiterentwickeln. In fünf Jahren möchte sie Manager bei Accenture sein.

Wenn es um Frauen in der IT und in Führungspositionen geht, kann Deutschland im internationalen Vergleich noch aufholen. Sandra Babylon präzisiert die Aussage: „Bei globalen Meetings ist der Frauenanteil deutlich höher. Obwohl sich bei uns viel getan hat, ist die Kultur noch nicht so weit. Oft akzeptieren die Kollegen nur vordergründig, wenn man trotz hoher Arbeitslast pünktlich geht, um seine Kinder von der Betreuung abzuholen. Wenn Männer diese Aufgaben übernehmen, stehen sie sogar noch größeren Vorurteilen gegenüber.“ In Schweden würden die Kollegen pünktlich um 16.30 Uhr aus dem Büro gehen, um ihre Kinder abzuholen, berichtet Sandra Babylon. Ansonsten empfiehlt sie, die Unterschiede zwischen Mann und Frau sportlich zu nehmen. „Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon bei Teamevents Kart gefahren bin. Da gucken die Jungs dann erstaunt, wenn ich sie auch mal überhole.“

Doch werden die Linien zwischen Mann und Frau in einigen Jahren anders verlaufen. „Die Führungskultur in Unternehmen muss sich so ändern, so dass sie für Frauen attraktiver wird. Das braucht Zeit, denn Einstellungen und Verhaltensweisen ändern sich nicht per Fingerschnipp. Unternehmen müssen diesen Wandel langfristig planen, aktiv gestalten und mit klaren, messbaren Zielen hinterlegen“, sagt Catrin Hinkel. So bieten Unternehmen wie Accenture ihren Führungskräften Seminare an, ihnen denen es um unbewusste Vorurteile geht – wo präferieren sie die Beförderung eines Mannes, obwohl bei klarer Sicht eine Frau die besseren Fähigkeiten für die Position mitbringen würde?

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