Was sollten wir stärken, um in der Arbeitswelt von morgen noch gebraucht zu werden? Wie differenzieren wir uns von einer immer klüger werdenden Maschinenintelligenz und schaffen aus der Kombination aus humaner und künstlicher Intelligenz eine komplementäre Superintelligenz? Diese Fragen mögen theoretisch klingen, doch ihre praktische Relevanz wird sich bereits in naher Zukunft bemerkbar machen, wenn
Technologie in Bereiche vordringt, die bislang uns Menschen vorbehalten waren,
die zu lösenden Probleme und die Komplexität unserer Welt unsere menschliche Problemlösungsfähigkeit übersteigt.
ChatGPT ist erst der Anfang
Schon in naher Zukunft wird es sich vermutlich "normal" anfühlen, ein Foto von unserem Kühlschrankinhalt hochzuladen und von der KI auf dieser Basis konkrete Rezeptvorschläge generieren zu lassen, mit der Möglichkeit, den digital-vernetzten Kühlschrank die fehlenden Zutaten online bestellen zu lassen. Dies sind nur einfache Beispiele dafür, dass die unumkehrbare technologische Zeitenwende begonnen hat, die unser Leben im privaten und beruflichen Alltag nachhaltig verändern wird.
Was wir bisher mit ChatGPT, DALL-E & Co. erlebt haben, ist nur das Warm-Up für eine neue Stufe der Leistungsfähigkeit neuer Technologien. Diese werden uns Menschen einerseits bei der Bewältigung unseres Alltags und unserer Herausforderungen unterstützen und andererseits in unserer beruflichen Existenz und Daseinsberechtigung herausfordern.
Weiterbildung zu neuen Technologien wird Pflicht
So dynamisch sich derzeit Technologien entwickeln und verlässliche Prognosen erschweren, so gelten doch folgende Trends für die Arbeitswelt der Zukunft als gesichert:
- Es wird branchen- und sektorenübergreifend zu einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Mensch und Maschine kommen, die kontinuierlich neu zu bewerten ist.
- In vielen Tätigkeitsbereichen wird Technologie die menschliche Arbeitsleistung ergänzen, in bestimmten Tätigkeitsbereichen aber auch sukzessive ersetzen.
- Wer als Mensch kein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu einer immer leistungsfähigeren Technologie vorweisen kann, läuft Gefahr, substituiert zu werden.
- Menschen, die neue Technologien nicht anwenden können und sich dem Lernen verwehren, werden langfristig am Arbeitsmarkt schwer vermittelbar sein.
Es betrifft auch die Softwareentwickler
Laut einer Studie der Investmentbank Goldman Sachs können in den USA und Europa rund 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze durch KI ersetzt werden, das heißt bis zu 25 Prozent der derzeitigen Arbeitsplätze sind schon jetzt grundsätzlich substituierbar geworden. Dies betrifft Aufgabenbereiche von Sachbearbeitern, Assistenten, Verkäufern, Buchhaltern, Controllern, Juristen und Journalisten, aber auch kreative Tätigkeitsprofile wie Fotografen, Visagisten, Texter und Künstler.
Ironischerweise lassen sich insbesondere auch Aufgaben von Softwareentwicklern, also Menschen, die eine künstliche Intelligenz entwickeln, durch künstliche Intelligenz gut ersetzen. Der Geist ist also aus der Flasche und wir werden uns sehr ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen müssen, was unsere menschliche Intelligenz von der künstlichen unterscheidet und wie wir mit der künstlichen Intelligenz in einem diversen Team aus Mensch und Maschine stärkenbasiert zusammenarbeiten. Um Antworten auf diese Fragen zu finden, lohnt es sich, die Funktionsweise unserer menschlichen Intelligenz näher zu betrachten.
KI wird täglich leistungsfähiger
Zunächst die gute Botschaft: Die menschliche Intelligenz ist trainierbar - und zwar bis ins hohe Alter. Sie ist jedoch auch an die biologischen Grenzen des Gehirns gebunden und nicht beliebig ausweitbar. Und menschliche Gehirne lassen sich nicht beliebig miteinander verknüpfen. Das Gehirn einer genialen Physikerin lässt sich bestenfalls durch gute und intensive Kommunikation mit dem Gehirn eines genialen Ethikers, eines genialen Historikers und einer genialen Informatikerin zusammenführen, aber nicht im Kopf verschmelzen.
KI-Systeme hingegen können aufgrund ihrer digitalen Natur und der Möglichkeit, auf immer größere Rechenleistung und Speicherkapazität zuzugreifen, theoretisch unbegrenzt skaliert und damit mit einem täglich wachsenden Datenmeer trainiert werden. Zudem lassen sich fokussiert trainierte KI-Systeme miteinander verknüpfen und in ihrer Problemlösungskraft zusammenführen. Dies lässt KI-Systeme jeden Tag leistungsfähiger werden. Jede Intelligenz, die besser werden möchte, muss wachsen. Das gilt auch für unsere menschliche Intelligenz.
Immerhin besitzen wir Empathie, Gespür, Intuition…
Die Art und Weise, wie KI-Systeme lernen, bedeutet aber nicht, dass die künstliche Intelligenz unserer menschlichen in jeder Hinsicht überlegen ist und gänzlich ohne sie auskommt. Im Gegenteil. Denn die rund 86 Milliarden Nervenzellen, die ein Homo Sapiens in seinem Gehirn besitzt, funktionieren nicht wie Schaltkreise in einem Computer; sie sind mehrdimensionalen, verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, die als Informationen ins menschliche Gehirn eingespeist werden.
Sinneseindrücke aus fünf unterschiedlichen Sinnen, Botenstoffe, vegetative Nervenimpulse und sogar Bakterien aus unserem Darm beeinflussen unsere Emotionen und unser Denken. Wir besitzen Intuition, Empathie und situatives Gespür, das von allen Sinneseindrucken gespeist wird und von einer rationalen Logik abweichen kann.