Die IT-Branche ist bekannt für ihre Überstundenaffinität und manchmal nahezu unmöglich einzuhaltenden Deadlines. Mitarbeiter, die sich in diesem Umfeld ausnutzen lassen, laufen Gefahr, dem Burnout zu erliegen - unter anderem.
Inzwischen ist auch durch Studien belegt, dass Mitarbeiter, die ihre Arbeit mit Freude und Leidenschaft erledigen, viel wahrscheinlicher im Job ausgenutzt werden: "Overachiever" werden demnach häufiger um unbezahlte Überstunden gebeten, vernachlässigen häufiger Familie und Privatleben für den Job oder erledigen Aufgaben, die nichts mit ihrer eigentlichen Jobbeschreibung zu tun haben. Auffällig ist auch, dass einige Manager Mehrarbeit den Umfrageergebnissen zufolge tatsächlich als Belohnung ansehen und davon ausgehen, dass Menschen, die ihren Job gerne machen auch freiwillig mehr Leistung bringen.
Im Job ausgenutzt?
Die folgenden sechs Anzeichen können darauf hindeuten, dass Sie in ihrem Job ausgenutzt werden - inklusive entsprechender Handlungsempfehlungen, um gegenzusteuern.
1. Nur Arbeit, kein Spaß
Wenn sich ihr ehemaliger Traumjob wie eine Sackgasse anfühlt und den Großteil ihres Lebens einnimmt, ist es an der Zeit, mit Ihrem Vorgesetzten zu sprechen. Sollte der betreffende Manager ein schwieriger - oder gar manipulativer - Zeitgenosse sein, lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Sagen Sie, was Sie frustriert und geben Sie ausgiebig Feedback. Achten Sie dabei darauf, Ihre Gespräche im Nachgang zu dokumentieren. Wenn eine Konversation mit dem Management nichts hilft, wenden Sie sich an die Personalabteilung oder sprechen Sie mit einer anderen Führungskraft Ihres Vertrauens.
2. Antriebslosigkeit
Gerät die Work-Life-Balance in Schieflage, steigt die Burnout-Gefahr - besonders im Startup-Umfeld. Sagt auch Chris Nicholson, CEO beim KI-Ökosystem-Anbieter Skymind. Wo besonders hoher Wettbewerbsdruck herrscht, übertrage sich das auch auf viele Mitarbeiter - gerade die besonders enthusiastischen, meint der Manager. "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Vorgesetzte, die keine Ahnung von den internen Prozessen haben, ihre Teams mit unmöglichen Deadlines überhäufen. Überstunden oder gar Nachtschichten können einem latenten Gefühl der Ausbeutung zuträglich sein."
Um gegenzusteuern, empfiehlt der CEO eine Evaluierung des Status Quo. Folgende Fragen sollten Sie sich nach Meinung von Nicholson stellen:
Gibt es noch Aspekte am Job, die mir zusagen?
Beschäftige ich mich mit Dingen/Themen, die mich bewegen und/oder motivieren?
Wie hat sich mein Job und sein Stresslevel im Laufe der Zeit entwickelt?
Machen die Entscheidungen des Managements Sinn?
Werden Versprechungen von Seiten des Managements eingehalten?
Stehe ich mit meinem Arbeitgeber in einem ehrlichen Dialog über den Status Quo?
Was kostet mich mein Job und ist es das wert?
Habe ich noch genug Zeit für meine Familie?
Habe ich noch genug Zeit für mich?
"Jeder sollte sich über seine eigenen Ziele im Klaren sein. Dennoch passt ein anderer Job vielleicht besser zu Ihnen, der Sie nicht unbedingt reich macht, dafür aber genug Zeit für die, beziehungsweise eine Familie lässt", meint der Skymind-CEO.
3. Ungesunde Deadlines
Dass manche IT-Projekte mit ihren Deadline-Wettrennen weit über das gesunde Maß hinausgehen, ist nichts Neues - und nicht immer liegt die Schuld dafür beim Manager, weiß Nicholson: "In einigen Teilen der Branche, zum Beispiel der Gaming-Industrie, ist es unter Product Teams bereits üblich, sich diverser Stimulanzien zu bedienen, um kreativ bleiben und Deadlines einhalten zu können. Das ist das Paradebeispiel für ein Alarmsignal."
In manchen Fällen seien solche Probleme aber auch keine böse Absicht, sondern Übermut und Unwissenheit geschuldet. Gerade Startups hätten oft mit extremer Ressourcenknappheit zu kämpfen. In Kombination mit unerfahrenen Gründern, die sich selbst zu viele Hüte aufgesetzt haben und kaum einschätzbaren Timelines, sagt Nicholson. "In solchen Fällen ist es einfach ganz normal, die Arbeit mehrerer Personen zu erledigen und dabei einer unsichtbaren Ziellinie entgegen zu eifern."
- Kein Privatleben
Wer kein Leben außerhalb des Büros hat, misst dem Job eine übertriebene Bedeutung zu. - Immer erreichbar
Auch im Urlaub Mails lesen? Wer sich erholen will, räumt den Job mal für zwei Wochen ganz raus aus dem Kopf. Der Chef will Sie erreichen können? Geben Sie ihm ("Für den äußersten Notfall") die Handynummer ihrer Frau. Er wird nicht anrufen ... - Nicht schlafen
Gesunder Schlaf ist der Schlüssel zu Wohlbefinden, Ausgeglichenheit und guter Arbeit. Wer mehr als eine Woche am Stück keine Ruhe findet, sollte sich helfen lassen. - Tschaka, Tschaka!
Seit dem letzten Motivationsseminar sind Sie mehr denn je davon überzeugt, dass Sie IMMER ALLES schaffen können. Sie sind auf dem richtigen Weg. Zum Burnout. - Nie gestresst wirken wollen
Sicher, ausrasten ist nicht gut. Aber sicher gesünder, als ständig entspannt wirken zu wollen, obwohl Sie keine Nacht mehr ruhig schlafen können. - Zu wenig Bewegung
Nehmen Sie sich nicht vor, dreimal pro Woche joggen zu gehen. Nehmen Sie sich gar nichts vor, und tun Sie es stattdessen einfach ab und zu. - Die Probleme lange ignorieren
Alle wollen wir leistungsfähig sein. Schaffen wir das nicht mehr, bezeichnen wir das meist als temporäres Problem, das von selbst wieder verschwindet. Das wird es nicht. - Immer ja sagen
"Müller, Sie schaffen das doch bestimmt bis Freitag, die Präsentation für den Kunden xy noch dazwischenzuschieben?" Versuchen Sie es bei solchen Ansagen einfach mal mit einem schlichten Nein. Spätestens beim dritten Mal wundern Sie sich, wie leicht das geht.
4. Im Dunkeln
Wenn Mitarbeiter nicht wissen, woran sie sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich unfair behandelt fühlen. Davon ist auch Jeff Atkinson, CIO beim Cloud-Dienstleister INAP, überzeugt. Der IT-Manager empfiehlt Führungskräften drei grundlegende Maßnahmen:
Rollen der Mitarbeiter und ihre Bedeutung für das große Ganze im Blick haben;
eine gesunde Balance zwischen Alltagsarbeit und Team-Wellnessmaßnahmen schaffen, um Motivation und Produktivität zu treiben;
Soft-Skills wie Zeitmanagement, Kommunikation, etc. nicht vergessen.
Für Führungskräfte nicht empfehlenswert sei es hingegen, Probleme zu leugnen oder unter den Tisch zu kehren: "Das löst die Probleme nicht. Falsch eingesetzte oder überforderte Mitarbeiter werden früher oder später verbrannt. Sorgen Sie dafür, dass jedes Teammitglied seine Meinung offen äußern kann", mahnt CIO Atkinson.
5. Management Disconnect
Des Öfteren entstehen Probleme auch dann, wenn Manager keine Ahnung davon haben, welche Probleme ihre Teams eigentlich zu lösen versuchen. Das kann im schlimmsten Fall zu Gleichgültigkeit führen, die den Graben zwischen Management und Team noch vergrößert, meint Syed Ahmed, Mitbegründer und CTO von Tara AI, Anbiter einer KI-Entwicklungsplattform.
"Entwicklern kommt in einem solchen Umfeld möglicherweise die Wertschätzung zu kurz. Außerdem fühlen sie sich mit unmöglichen Projekten konfrontiert", weiß der Manager. Führungskräfte hingegen müssten sich auf ihrem Weg nach oben Mühe geben, alles im Blick zu behalten, um zu verhindern, dass ganze Teams in Richtung Burnout taumeln. "Die Reports der Projektmanager zu lesen, reicht nicht aus. Wer Teams managt, sollte den Faktor Mensch nicht außer Acht lassen", appelliert Ahmed.
6. Mehr Arbeit, gleiches Geld
Wenn einer Ihrer Kollegen kündigt, Sie dessen Aufgaben übernehmen, dafür aber weder Anerkennung noch eine angemessene Vergütung bekommen, ist es berechtigt, das zu hinterfragen. Eine Gehaltserhöhung ist nicht die einzige Option für Arbeitgeber - auch zusätzliche Urlaubstage oder einmalige Boni kämen laut Julia Kanouse, CEO der Illinois Technology Association, in Betracht: "Wie bei jedem Verhandlungsgespräch ist es essenziell, dass Sie Ihre Zusatzarbeit dokumentieren und sich darauf vorbereiten, Ihre Forderungen mit guten Argumenten zu untermauern." (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.