Digitalisierung bei dm Drogeriemarkt

Wenn der Roboter die Filiale scannt

29.12.2022
Von 
Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs „CIO des Jahres“. Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Zu den Konzernsystemen gehört auch ein Data Warehouse auf Basis von Microstrategy, das dm nun mit Snowflake in die Cloud hieven will. Aufgrund der Snowflake-Architektur kann das Data Warehouse auf Cloud-Plattformen unterschiedlicher Anbieter laufen. Welcher Provider am Ende zum Zug kommt, ist noch nicht entschieden. Im Bereich Office und Collaboration dagegen ist Microsoft gesetzt. Die rund 70.000 dm-Angestellten arbeiten allesamt mit der Office-365-Suite.

SAP S/4 HANA-Migration in Vorbereitung

Wie viele andere Großunternehmen muss sich auch dm mit der Ablösung klassischer SAP R/3-Systeme befassen. In jedem der 14 Länder, in denen das Unternehmen aktiv ist, läuft derzeit ein separater SAP-Mandant mit jeweils eigener Datenhaltung. Das soll sich ändern. Melcher will die Anwendungslandschaft auf nur noch einen Mandanten mit einer einzigen Datenbank verschlanken. Dieses Vorhaben werde zwei bis vier Jahre dauern.

Erste Vorbereitungen laufen. "Zunächst geht es darum, Systeme und Daten zu konsolidieren", berichtet der IT-Chef. Diese Aufgabe erledige man intern auf On-Premises-Systemen. Die Migration auf S/4 HANA folge im zweiten Schritt. Erst danach werde entschieden, auf welcher Cloud-Plattform das neue Kernsystem künftig laufen soll.

Der IT-Chef hat auch Business-Verantwortung

Geht es um die Zusammenarbeit mit Fachabteilungen und die Verteilung von Budgets, befindet sich Melcher in einer komfortablen Lage, denn er hat bei dm gleich drei Hüte auf: Neben seinen Geschäftsführerposten bei der dm Verwaltungs GmbH und der IT-Tochter dmTECH trägt er die Verantwortung für mehr als 330 dm-Märkte in Baden-Württemberg.

Dass er nicht wie viele seiner Amtskollegen an einen CFO berichtet, empfindet er als großen Vorteil für dm: "So können IT-Investitionen direkt in der Geschäftsführung beraten werden". Das erleichtere vieles; die kurzen Wege erlaubten beispielsweise schnellere Entscheidungen. Doch wichtiger ist ihm ein anderer Aspekt: "IT ist für dm ein Wertschöpfungsfaktor." Das spiegele sich auch in stark steigenden IT-Budgets wider.

Technik ist nicht das Problem

Die größten Hürden im digitalen Transformationsprozess sieht der CIO dennoch weniger im technischen Bereich. Die kritischen Fragen lauten für ihn: "Machen die Menschen mit? Sind die Anwender zufrieden?" Um dabei voranzukommen, komme es darauf an, den Nutzen der Technologie anschaulich zu machen. Dazu setzt er sich etwa mit Filialleitern zusammen und erklärt Technologien in diversen internationalen Gremien. Eine weitere Erfahrung aus den vergangenen Jahren: "Man muss die Menschen überzeugen, indem man Betroffene zu Beteiligten macht."

Am Ende brauche es für den digitalen Wandel auch die richtige Kultur, so Melcher. "Wir müssen vermitteln, dass es sich lohnt, auszuprobieren. Dazu brauchen wir selbstverantwortliche und unternehmerische Menschen, die sich trauen, Fehler zu machen, um aus ihnen zu lernen und so Spitzenleistungen generieren."

Wie die IT zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt

Jenseits der klassischen CIO-Aufgaben beschäftigt sich der Manager verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit. In den Märkten setze dm beispielsweise auf Rezyklate für wiederverwertbare Verpackungen. Doch auch die IT könne ihren Teil beitragen: "Der größte Hebel in Sachen Sustainability steckt in den Anwendungen und den damit verbundenen Effizienzpotenzialen."

Ansatzpunkte sieht er auch in der IT-Infrastruktur. So arbeiteten die eigenen Rechenzentren inzwischen mit Strom aus erneuerbaren Energien. In den Drogeriemärkten gelinge es, mithilfe von IoT-Lösungen Energie zu sparen. Erst kürzlich habe dm entschieden, die bisher im Standby-Modus laufenden WLAN Access Points in mehr als 2.000 Märkten nachts auszuschalten. Melcher: "Der Effekt war verblüffend. Wir haben damit so viel Strom eingespart, wie 25 Haushalte durchschnittlich im Jahr verbrauchen."