Intelligente Ampeln

Weniger Staus dank KI

25.02.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Fraunhofer arbeitet an KI-gesteuerten Ampelanlagen. Die intelligenten Ampeln sollen nicht nur für einen besseren Verkehrsfluss sorgen, sondern Fußgängerinnen und Fußgänger auch ein sichereres Überqueren der Straße ermöglichen.
In der Alten Hansestadt Lemgo testet Fraunhofer eine KI-gesteuerte Ampel. Die KI soll dabei eine vorausschauende Ampelschaltung ermöglichen.
In der Alten Hansestadt Lemgo testet Fraunhofer eine KI-gesteuerte Ampel. Die KI soll dabei eine vorausschauende Ampelschaltung ermöglichen.
Foto: Fraunhofer IOSB

Die Fahrt zur Arbeit und nach Hause kann zur Tortur werden. Im Stop-and-go-Modus rollen die Autos von einer überfüllten Ampelkreuzung zur nächsten, vor allem zu Stoßzeiten ist die grüne Welle eine Utopie. Dieses Problem will das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) jetzt mit intelligenten, vorausschauenden Ampeln angehen, die durch Künstliche Intelligenz gesteuert werden. Gleichzeitig soll die intelligente Ampel vulnerablen Personen ein sichereres Überqueren der Straße durch eine längere Grünphase ermöglichen. Einen Piloten hat Fraunhofer in der Alten Hansestadt Lemgo realisiert.

KI statt regelbasiert

Aktuelle Ampelsteuerungen sind regelbasiert, doch die starren Regeln passen nicht auf alle Verkehrssituationen. Zudem bilden die vorhandenen Sensoren - in den Asphalt eingelassene Induktionsschleifen - die Verkehrssituation nur grob ab. Diese Probleme will Fraunhofer mit hochauflösender Kamera- und Radarsensorik lösen, die das Verkehrsgeschehen präziser erfasst. Die Anzahl der wartenden Fahrzeuge an der Kreuzung soll dabei spurgetreu in Echtzeit aufgenommen werden. Auch die durchschnittliche Geschwindigkeit der Autos und die Wartezeit werden erfasst.

Die Echtzeit-Sensorik wird zudem mit Künstlicher Intelligenz kombiniert, die die starren Steuerungsregeln ersetzt. Die KI verwendet Algorithmen des Deep Reinforcement Learning. Diese Methode des maschinellen Lernens konzentriert sich darauf, intelligente Lösungen für komplexe Steuerungsprobleme zu finden. Dazu haben die Forschenden von Fraunhofer ein realitätsgetreues Simulationsmodell der Lemgoer Kreuzung, wo die Tests stattfinden, gebaut und die KI in diesem Modell unzählige von Iterationen trainieren lassen. Die so trainierten Algorithmen ermitteln das beste Ampel-Schaltverhalten und die beste Phasenfolge, um die Wartezeiten an der Kreuzung zu verkürzen, Fahrzeiten zu senken und den durch Staus entstehenden Lärm und die CO22-Belastung zu senken.

Edge-Computer zur Steuerung

Die KI-Algorithmen laufen auf einem Edge-Computer im Schaltkasten an der Kreuzung. Dadurch lassen sich die Algorithmen auch auf Verbundschaltungen testen, anwenden und skalieren - sprich auf benachbarten Ampeln einsetzen, die sich in einem Verbund befinden. Bei Fraunhofer geht man davon aus, dass der Verkehrsfluss durch Künstliche Intelligenz um 10 bis 15 Prozent verbessert werden könnte.

LiDAR für Fußgänger

LiDAR-Daten in Verbindung mit KI sollen bedarfsgerechte Überquerungszeiten für Fußgänger ermöglichen.
LiDAR-Daten in Verbindung mit KI sollen bedarfsgerechte Überquerungszeiten für Fußgänger ermöglichen.
Foto: Fraunhofer IOSB

Die Forschenden habe jedoch nicht nur die Fahrzeuge im Blick, sondern auch die Fußgänger. Mit KI-Unterstützung sollen auch die Fußgängerampel bedarfsgerecht gesteuert werden. Besonders vulnerable Personen wie Ältere oder Menschen mit Handicap sollen davon profitieren. Ziel ist es, Wartezeiten zu verkürzen und die Sicherheit an Ampelkreuzungen durch längere Überquerungszeiten zu erhöhen. Denn aktuellen Studien zufolge sind die Grünphasen für diese Personengruppen zu kurz.

Die derzeit installierten Taster, meist kleine gelbe Kästchen, liefern weder Informationen über die Anzahl noch das Alter oder gar das Gebrechen der Passantinnen und Passanten. Durch die Implementierung von KI in Kombination mit hochauflösenden LiDAR-Sensoren soll der Prozess automatisiert und die Überquerungszeit automatisch an den Bedarf der jeweiligen Fußgänger angepasst und abgestuft werden. Die Personenerkennung und das Tracking wird auf Basis von LiDAR-Daten mittels KI erzielt und in einem eingebetteten System in Echtzeit umgesetzt. Die Verwendung von LiDAR-Sensoren anstelle von Kameras hat den Vorteil, dass Fußgänger als 3D-Punktwolken dargestellt werden und diese somit nicht identifiziert werden können, also die Datenschutzvorgaben eingehalten werden.