Rechtslücke zum Dateneigentum

Wem gehören die Daten im Internet of Things?

07.12.2016
Von  und Prof. Dr. Andreas Wiebe


Dr. Andreas Leupold ist Rechtsanwalt in München und berät Unternehmen im IT-Recht, Medienrecht und gewerblichen Rechtsschutz sowie bei der Erstellung und Verhandlung von Lizenzverträgen. Als Industrieanwalt mit über 20 Jahren Erfahrung in der Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte ist er Autor zahlreicher Fachbeiträge und des im Verlag Franz Vahlen erschienenen Buchs "3D-Druck, Additive Fertigung und Rapid Manufacturing".

"Informationen im Speicher- und Transportzustand"

Nach ISO/IEC 2382-1 (1993) sind Daten "eine wieder interpretierbare Darstellung von Information in formalisierter Art, geeignet zur Kommunikation, Interpretation oder Verarbeitung." Das heißt, das Konzept der Daten bezeichnet Informationen im Speicher- und Transportzustand. Wenn ich jetzt den Schutz bei den Daten als solchen ansetze, ergeben sich mehrere Probleme. Zum einen ist die notwendige Spezifizierung des Schutzgegenstands, die für das geistige Eigentum essenziell ist, nur schwer leistbar. Daten beinhalten eine solche Vielzahl unterschiedlichen Arten von Informationen mit unterschiedlichen Zwecken, dass eine inhaltliche Abgrenzung nicht möglich ist. Aber auch das Konzept der Daten ist rechtlich kaum hinreichend greifbar. Geht es um die physischen Veränderungen auf meinem Speichermedium, zum Beispiel auf meinem Smartphone, um die (abstrakte) Folgen von Nullen und Einsen oder doch um die Inhalte? Aus praktischer Sicht erscheint eine für Immaterialgüter-Rechte notwendige physische Kontrolle, die zur Durchsetzung eines Datenrechts notwendig wäre, kaum machbar, etwa bei zunehmender Speicherung von Daten in der Cloud. Die Schaffung eines Eigentumsrechts kann zur praktischen Kontrolle wenig beitragen.

Schwierig zu entscheiden ist auch, wem das neue Schutzrecht zuzuordnen sein soll. So wird vertreten, dass das Recht demjenigen zugeordnet werden soll, der die Daten zum ersten Mal aufzeichnet ("Codiert"). Betrachtet man das Beispiel des vernetzten Autos, das heute schon Wirklichkeit ist, so gibt es aber eine Reihe von Stakeholdern, die Interesse an der Erlangung von Rechten an den erhobenen Daten haben können: Hersteller, Halter, Fahrer, Navigations- und TK-Dienste, Versicherungsgesellschaften, Internetprovider und letztlich der Staat (eCall, Verkehrsüberwachung, Maut, Verbrechensbekämpfung).

An den Daten, die das vernetzte Auto liefert, haben viele Parteien großes Interesse.
An den Daten, die das vernetzte Auto liefert, haben viele Parteien großes Interesse.
Foto: Multi-Share - shutterstock.com

Wenn ich aber entscheiden muss, die Rechte dem Betreiber der Blackbox zuzuordnen oder dem Halter oder dem Fahrer, fehlen mir für diese Entscheidung einerseits die notwendigen Argumente, andererseits würde ich die anderen zunächst von der Nutzung der Daten ausschließen. Dass sich basierend auf einem solchen Recht dann wieder ein Markt entwickeln könnte, der befriedigende Lösungen herbeiführt, ist derzeit eine eher theoretische Annahme, für deren Beleg es umfangreicher wissenschaftlicher Untersuchungen bedürfte und deren positive Bestätigung angesichts der Besonderheit der Internet-Ökonomie fraglich erscheint.

Nicht über's Ziel hinausschießen

Ein gewichtiger Aspekt für ein neues Schutzrecht wäre sicher der Schutz von Investitionen in die Datenproduktion, der durch den Know-how-Schutz allein in einem vernetzten Umfeld nicht mehr geleistet werden kann. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass durch ein absolut und gegen jedermann wirkendes Schutzrecht auch der Zugang der anderen Beteiligten im Netzwerk behindert werden könnte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass mit einem Schutz von Daten auch die "dahinter liegenden" Informationen erfasst werden.

Ein breiter Schutz von Informationen ohne qualitative Differenzierung, also der Begrenzung auf den erfinderischen Teil beim Patent, oder auf den individuellen Beitrag beim Urheberrecht, würde aber eine neue Qualität des Schutzes bedeuten. Es würden viel zu breit und unqualifiziert Informationen erfasst und damit das delikate Gleichgewicht zwischen Schutz und Zugang, das dem Immaterialgüter-Recht zugrunde liegt, empfindlich gestört. Wenn man also ein neues Schutzrecht einführt, sollte dieses auf bestimmte Bereiche beschränkt und durch zusätzlich Merkmale qualifiziert werden.

Im B2B-Bereich kommt es vor allem auf die Verfügbarkeit der Daten in modernen Produktionsketten an, die durch die Einführung eines Dateneigentums gestört werden könnte. Wenn ich als Hersteller eines Autos erst beim Zulieferer um die Erlaubnis zur Nutzung von Daten zu den Produktionszeiten von Einzelkomponenten nachfragen muss, oder beim Vertriebspartner das Einverständnis für die Nutzung von Daten über Lagerzeiten einholen muss, um Optimierungen in der Produktionskette herbeizuführen, stört dies einen effizienten Produktionsprozess. Zumindest müsste dann ein umfangreicher Apparat aufgebaut werden, um das Management der Datenrechte zu gewährleisten.

Die Probleme, die heute schon die Verwertungsgesellschaften im Bereich des Urheberrechts haben, würden hier noch um ein Vielfaches übertroffen. Die Gefahr besteht, dass hier neue, rechtlich abgesicherte Datenmonopole entstehen. Hier können eher vertragliche Regelungen eine angemessene und auf die Interessen der Beteiligten zugeschnittene Lösung bieten.

All dies sind wohl auch die Gründe, warum die Industrie und deren Verbände wie BDI, DIHT etc. der Einführung eines neuen Schutzrechts skeptisch gegenüberstehen. Zu Recht wird eine Beschränkung des freien Informationsflusses befürchtet, der gerade für eine effiziente Ausgestaltung von Industrie 4.0 essenziell erscheint. Auch die EU-Kommission betont diesen Aspekt im Rahmen der derzeitigen Initiative der EU-Kommission zur "Digital Single Market Strategy" ((KOM) 2015 192 final).

Nach umfangreichen Konsultationen will die EU-Kommission im Januar 2017 eine Mitteilung zum weiteren Vorgehen in Sachen Datenrechten veröffentlichen, aus der sich dann die zukünftige Marschrichtung ergeben soll. Nach dem zuvor Gesagten steht zu erwarten, dass die Einführung eines neuen Eigentumsrechts an Daten nicht vorgeschlagen wird. Jedenfalls wäre es zu früh dafür. Es bedarf weiterer umfangreicher Forschungen, vor allem zu den ökonomischen Auswirkungen der Einführung solcher Rechte, aber auch zu den rechtlichen Aspekten, um hier eine Bewertung vornehmen zu können. Innovation war immer das Hauptziel von geistigem Eigentum. Schnellschüsse wären hier in jedem Fall kontraproduktiv.

Solange der Gesetzgeber daher keine neuen Ausschließlichkeitsrechte an Daten einführt, ist es umso wichtiger, dass die Unternehmen die Verfügung und Kontrolle über die von ihnen produzierten Daten im Rahmen einer vertraglich begründeten Zuordnung absichern.