Analyse

Welcher BPM-Typ sind Sie?

30.08.2011
Von   
Dirk Stähler befasst sich seit vielen Jahren mit der innovativen Gestaltung von Organisationen, Prozessen und IT-Systemen.

Die BPM-Typen

Je nach fachlicher Breite und informationstechnischer Tiefe des Geschäftsprozess-Managements finden sich in deutschen Unternehmen die folgenden BPM-Kulturtypen:

• BPM-Hedonisten,

• BPM-Avantgarde,

• BPM-Trendsetter,

• BPM-Pragmatiker,

• BPM-Technokraten und

• BPM-Experimentalisten.

Trendsetter: Knapp ein Drittel der BPM-Spezialisten in Deutschland zählen zur Gruppe der Trendsetter. Dieser Ansatz wird stark getrieben durch den Anspruch, die fachlichen Abläufe in Unternehmen zu verbessern und zu verwalten. Seine Anhänger konzentrieren sich auf die Beschreibung der Kernprozesse und deren Zusammenhang im Unternehmen. Durch die Beschränkung auf die rein fachliche Modellierung ohne weitergehenden informationstechnischen Anteil ist der Nutzen jedoch begrenzt. Wenn nicht besondere prozessgetriebene Anforderungen zur Dokumentation vorliegen, verliert dieser Ansatz im Verlauf der Zeit seine Attraktivität und degeneriert.

Experimentalisten: Demgegenüber gehen BPM-Experimentalisten sehr gezielt vor. Sie beschränken ihre Arbeit auf einen einzelnen fachlichen Bereich, betrachten dort aber das gesamte Spektrum von der fachlichen Beschreibung bis zur informationstechnischen Implementierung. Dieser Ansatz ist sehr vielversprechend für ein erstes Kennenlernen von BPM.

Was die einzelnen BPM-Typen leisten müssen.
Was die einzelnen BPM-Typen leisten müssen.

Avangarde: Die BPM-Avangarde versteht sich als Vertreter eines ganzheitlichen Vorgehens. Meine Erfahrung aus zahlreichen BPM-Projekten in Deutschland ist jedoch, dass es bisher nur in sehr geringem Umfang gelingt, ein ganzheitliches BPM in diesem Sinn zu etablieren. Unternehmen, die einen solchen Schritt voreilig und schlecht geplant gehen, erkennen meistens schnell, dass mit dem avantgardistischen Ansatz viele Risiken verbunden sind. Häufig scheitern diese Konzepte an ihrer Komplexität und der mangelnden Ausdauer der Beteiligten. Wenn man den von Herstellern und Beratern versprochenen Nutzen erzielen will, kommt man allerdings um den Ansatz der BPM-Avantgarde nicht herum. Das gelingt aber nur, wenn die Avantgardisten im gesamten Unternehmen die erforderliche Durchsetzungskraft besitzen beziehungsweise erreichen können. Sonst wird der Nutzen, den die Hersteller versprechen, unerreichbar bleiben.

Technokraten: Viele Unternehmen ziehen sich auf die technokratische Herangehensweise zurück und stolpern damit von einem Fehler zum nächsten. Erscheint es auf den ersten Blick noch sinnvoll, sich zunächst ganz auf die Informationstechnik zu konzentrieren, so erfahren diese Unternehmen doch schnell die Grenzen des Ansatzes. Lassen sich einzelne informationstechnische Fragen im BPM-Umfeld noch lösen (zum Beispiel die Umsetzung eines kleinen, klar abgegrenzten, zu automatisierenden Prozesses), so ist die ganzheitliche Betrachtung eines Unternehmens aus dieser beschränkten Perspektive nicht möglich. Fehlen der fachliche Zusammenhang und die Übersicht, so werden die technikzentrisch implementierten Lösungen später niemals zusammenpassen. Ohne vorhergehende Abstimmung und Synchronisation der Fachlichkeit kann ein unternehmensübergreifendes Konzept für das Geschäftsprozess-Management nicht eingeführt werden.

Lösungen, die von BPM-Technokraten gebaut werden, gehen immer nur singuläre Probleme an. Da helfen auch alle Beteuerung und Begriffe wie "Guerilla-SOA" und "pragmatische Implementierung" nichts. Wenn Sie allerdings Ihre BPM-Anwendung im Unternehmen entsprechend reduzieren, ist der Ansatz durchaus vertretbar. Nur den von Herstellern und Beratern versprochenen BPM-Nutzen erzielen Sie damit leider nicht.

Pragmatiker: Weit verbreitet sind auch die BPM-Pragmatiker. Sie versuchen, die Balance zwischen fachlichem und informationstechnischem BPM zu finden. Dabei geht man hier aber nie so weit wie die BPM-Avantgarde, sondern behält immer den Status des "Sowohl-als-auch". Da das Bestreben, BPM in aller Breite zu etablieren, durch den kontinuierlichen Ausgleich zwischen allen beteiligten Parteien im Unternehmen gebremst wird, bleibt die Umsetzung zwangsläufig an der Oberfläche. Die erzielten Ergebnisse können deshalb auch nur mittelmäßig ausfallen.

Hedonisten: Kaum einer Erwähnung wert, weil ihr Anteil so gering ist, sind die BPM-Hedonisten. Sie bauen einzelne Potemkinsche Dörfer auf mit dem Ziel, BPM im Sinne einer Mode zu präsentieren. Ergebnisse oder Nutzen stellen sich dabei nie ein. Es handelt sich lediglich um eine "BPM-Show" ohne praktische Relevanz.

Guter Rat

Welche BPM-Vorgehensweise für Ihr Unternehmen am sinnvollsten ist, hängt immer vom individuellen Anwendungsszenario ab. Den Königsweg gibt es nicht. Bleiben Sie deshalb lieber realistisch! Wenn Sie nicht zur BPM-Avantgarde gehören können oder wollen, dann sollten Sie sich von dem Anspruch verabschieden, mit BPM organisatorische und informationstechnische Probleme gleichzeitig zu lösen. Sie werden in der Praxis nur auf einzelne Fragen ganz gezielt reagieren können. Dabei sollten Sie versuchen, in Ihrem speziellen Anwendungsfall die fachliche und die informationstechnische Seite so weit wie möglich zu verbinden.