Was ist Burnout?

23.12.2023
Von 
Maximiliane Piontek ist Pädagogin (Erziehungswissenschaft B. A.) und freie Mitarbeiterin der Redaktion Computerwoche.
Burnout - Modekrankheit oder ernstzunehmende psychische Störung? Definition, Herkunft und Behandlung des Syndroms.
Ist Burnout überhaupt eine Krankheit? Lesen Sie, was Sie zu diesem Syndrom wissen sollten.
Ist Burnout überhaupt eine Krankheit? Lesen Sie, was Sie zu diesem Syndrom wissen sollten.
Foto: Kaspars Grinvalds - shutterstock.com

Keine Diagnosemöglichkeit, keine einheitliche Definition, keine Krankheit – so ist das Standing vom sogenannten Burnout-Syndrom in der Wissenschaft und Medizin. Und trotzdem wird der Begriff "Burnout" in der Alltagssprache übermäßig verwendet. Was versteht man unter Burnout?

Burnout-Syndrom – Definition & Kritik

Burnout ist ein berufsbedingtes Phänomen und keine Krankheit – so definiert es die aktuelle Ausgabe der internationalen Klassifikation für Krankheiten (ICD-11, seit Anfang 2022 in Kraft getreten), herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie definiert das Syndrom (ICD-11, QD85) folgendermaßen:

Burnout ist ein Syndrom, das durch chronischen Stress am Arbeitsplatz entsteht, der nicht erfolgreich bewältigt wird.

Laut WHO äußert sich das Burnout-Syndrom in drei verschiedenen Dimensionen:

  • Gefühle von Energiemangel oder Erschöpfung

  • zunehmende empfundene Distanz zur Arbeit, negative Gefühle oder Zynismus

  • verminderte berufliche Effektivität

Weiter wird betont, dass das Burnout-Syndrom ausschließlich den Arbeitskontext betrifft.

Die häufige Begriffsverwendung "Burnout", zahlreiche Artikel und viele Behandlungsmöglichkeiten treffen in der Medizin und Wissenschaft auf Kritik. Die Entscheidung der WHO, das Syndrom nicht als Krankheit anzuerkennen, kann auf vielfältige Gründe zurückgeführt werden. Vor allem aber darauf, dass die Abgrenzung zu anderen psychischen Krankheiten nicht eindeutig ist.

Zudem steckt hinter dem Burnout-Syndrom vor allem eine Beobachtung komplexen menschlichen Verhaltens. Die häufiger vorkommende "Diagnosestellung" sehen Psychologen und Mediziner kritisch. In ihren Augen gibt es zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse und zu viele Überschneidungen mit der anerkannten psychischen Störung Depression (Koch & Broich, 2012). Einige schlagen daher vor, das Burnout-Syndrom unter den Terminus Depression zu fassen und als Erschöpfungsdepression zu bezeichnen.

Dazu kommt, dass der wissenschaftliche Stand zu diesem Syndrom noch unübersichtlich ist - es fehlen vor allem Längsschnittstudien und kontrollierte Therapiestudien (Koch & Broich, 2012). Grund dafür, dass Burnout nicht diagnostiziert werden kann, ist neben der Anerkennung der WHO auch das Fehlen eines anerkannten Diagnostikinstruments (Kaschka et al., 2011).

Burnout - Symptome und Anzeichen

Doch neben der wissenschaftlichen Kritik erkennen immer mehr Menschen an: Das Burnout-Syndrom ist ein ernstzunehmendes Risiko für viele Mitarbeiter. Eine Arbeitsmarktstudie von Robert Half zeigt, dass auch Unternehmen das Risiko erkannt haben. Rund 39 Prozent der deutschen Führungskräfte halten es für wahrscheinlich, dass es in diesem Jahr bei ihren Mitarbeitern zu einem Burnout kommt.

Ein Mental Health Report der Online-Arztpraxis ZAVA zeigt zudem, dass viele Betroffene ihre Symptome noch vor dem ersten Arztbesuch bei Google suchen. So wurde nach den Schlagwörter "Burnout" und "Stress" zwischen 2019 und 2021 über 300.000 Mal gesucht. Unter den gefährdenden Faktoren, die psychische Probleme auslösen können, ist "Stress" am häufigsten vertreten (37%) und "Arbeit" wurde am zweithäufigsten genannt (31%).

Bisher wurden 130 Anzeichen mit dem Burnout in Verbindung gebracht. Wie der Begriff suggeriert, ist das häufigste damit assoziierte Symptom, sich "ausgebrannt" zu fühlen - ein Gefühl der vollkommenen Erschöpfung.

Diese Faktoren deuten auf einen Burnout (oder eine verwandte psychische Erkrankung) hin:

  • Erschöpfung

  • mangelnde Energie

  • Überforderung

  • Niedergeschlagenheit

  • Konzentrationsschwierigkeiten

  • Entfremdung von der beruflichen Tätigkeit

  • Angst und Wut gegenüber der Arbeit

  • Zynismus

  • verringerte Leistungsfähigkeit

  • nicht Nein sagen können

Neben psychischen und mentalen Beschwerden können körperliche Symptome dazukommen - beispielsweise:

  • häufigere Erkältungen,

  • Muskelverspannungen,

  • Schlafstörungen,

  • Engegefühl in der Brust,

  • Schwindel oder

  • Magen- und Darmbeschwerden.

Die Symptome des heutzutage bekannten Burnout-Phänomens sind nicht neu, so Kaschka et al (2011), in der Kirche ist die "Elias-Müdigkeit" schon lange bekannt. Und auch bei der Figur des Thomas Buddenbrooks aus Thomas Manns Roman "Buddenbrooks" werden solche Symptome beschrieben. 1869 gab es eine Krankheitsbezeichnung mit ähnlichen Symptomen, die sogenannte Neurasthenie. Sie wurde vor allem von Neurologen George Miller Beard beschrieben (Haisch, 2018).

Den neuen Begriff "Burnout" prägte vor allem der US-amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger, der damals das Problem bei hochgradig sozial engagierten Arbeitnehmern sah, vor allem in sozialen Berufen (Ärzte, Pflegekräfte etc.) Doch seit dieser Begriffseinführung wurde daraus nicht mehr als ein alltagssprachlicher Begriff. Diagnosen sind bis heute damit nicht möglich.

Wie entsteht ein Burnout?

Es ist menschlich, auf verstärkten Stress mit Erschöpfung zu reagieren. Deshalb müssen Betroffene zwischen kurzweiliger Erschöpfung und einem sich lange anbahnenden Burnout unterscheiden. Langfristige Belastungen können zum Erschöpfungssyndrom führen, wenn diese nicht beseitigt oder ausgeglichen werden.

Wie es zur Überlastung kommen kann:

  • Unregelmäßiger oder unausgeglichener Arbeitsrhythmus (zum Beispiel bis spät in die Nacht arbeiten, unbezahlte Überstunden)

  • Unausgewogene Work-Life-Balance (zu wenig Zeit für Freunde und Familie sowie Hobbies)

  • Zeitlicher Druck in der Arbeit (ständig neue Deadlines, die nicht zu halten sind)

  • Druck durch persönliche Überzeugungen (Perfektionismus, zu starkes Harmoniebedürfnis, zu wenig Selbstvertrauen, wenig Entscheidungsfreiheiten, ständige Schuldgefühle)

Oft stammen die möglichen Burnout-Ursachen aus verschiedenen Lebensbereichen. Arbeitgeber tragen eine gewisse Verantwortung, die Arbeitsbedingungen entsprechend zu gestalten, aber auch Arbeitnehmer müssen sich ihrer Arbeitshaltung bewusst werden, um einen Burnout zu vermeiden. Typisch für Burnout-Betroffene ist: Die eigenen Kräfte werden bis zur völligen Erschöpfung überschätzt. Zu hohe Ansprüche an sich selbst und die ständige Suche nach Wertschätzung und Anerkennung sind nachteilige Arbeitseinstellungen, die zum Erschöpfungssyndrom im Beruf führen können.

Burnout behandeln - Was tun, wenn Sie sich ausgebrannt fühlen?

Fühlen Sie sich betroffen von Burnout oder psychisch belastet, gibt es zahlreiche Behandlungsmethoden und Hilfen. Eine gute Nachricht: Nicht jede Therapie muss stationär stattfinden und muss daher nicht dem Arbeitgeber mitgeteilt werden.

Coaching und Beratung

Haben Sie psychische Probleme, müssen Sie nicht direkt in eine Psychotherapiebehandlung gehen. Möchten Sie sich erstmal eine Einschätzung einholen und einen Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten erhalten, lohnt es sich in eine psychologische Beratung zu gehen. Psychologische Berater sind zum Beispiel Therapeuten, Coaches, Heilpraktiker für Psychotherapie, Systemische Berater oder Berater in der Psychosozialen Beratung. Mögliche Anlaufstellen für Sie: die Personalabteilung beim Arbeitgeber, Beratungsstellen der kirchlichen Träger Diakonie und Caritas, Vereine für psychische Gesundheit, private Praxen, kassenärztliche Praxen.

Ambulante Therapie

Unter ambulanter Therapie fallen die vier kassenärztlich anerkannten Psychotherapieverfahren: Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Therapie, Psychoanalyse und systemische Therapie. Es ist bekannt, dass die Vermittlung an ambulante Psychotherapeuten mit sehr langen Wartezeiten verbunden ist. Diese Entwicklung hat sich seit der Corona-Pandemie noch verschlechtert. Trotzdem müssen die Therapeuten jedem Patienten ein Vorgespräch anbieten. Aufgrund der schlechten telefonischen Erreichbarkeit der Praxen lohnt es sich einen Vermittlungsservice anzunehmen. Auf dem Patientenservice der Kassenärztlichen Vereinigungen Therapie können Sie einen Vermittlungscode anfordern. Die bundeslandspezifischen Kassenärztlichen Vereinigungen bieten auch selbst Unterstützung bei der Suche nach einem Therapieplatz.

Gruppentherapie und Selbsthilfegruppen

Bei vielen psychischen und persönlichen Problemen haben sich Selbsthilfegruppen als hilfreich erwiesen. Diese Gruppen sind hauptsächlich eine Ergänzung zu einer professionellen Therapie und geben Betroffenen das Gefühl, nicht alleine zu sein. In vielen Regionen gibt es Koordinationszentren für Selbsthilfegruppen, in denen man nach der passenden Gruppe suchen kann. Gruppentherapien sind oft kostengünstiger als private Therapien und werden von Psychotherapiepraxen und Kliniken angeboten.

Klinischer Aufenthalt

Können Sie mit dem Erschöpfungssyndrom den Alltag nicht mehr bewältigen? Dann ist eine stationäre Therapie die bestmögliche Behandlungsform. In psychosomatischen Kliniken oder Psychiatrien erfahren Sie einen umfangreichen Therapieplan mit den unterschiedlichsten Therapiemethoden. In der Nähe München gibt es zum Beispiel die Schön-Kliniken, die sich auf Burnout-Patienten spezialisiert haben.

Prävention durch Bewegung und Entspannung

Entspannungstechniken sind für eine Erleichterung im Erschöpfungssyndrom besonders wichtig. Hier eignen sich körperbezogene Techniken wie Meditationstechniken, autogenes Training, Yoga, Progressive Muskelentspannung, Emotional Freedom Techniques, um in die Entspannung zu kommen. Hierzu gibt es zahlreiche Anbieter von Bewegungskursen oder Einzeltherapien, zum Beispiel auch von Ihrer Krankenkasse.

Gehen Sie den ersten Schritt…

Selbst wenn Sie keine Therapie in Anspruch nehmen wollen oder können, ist der wichtigste Weg zur Besserung, sich regelmäßige Auszeiten zu nehmen. Gehen Sie den ersten Schritt und machen Sie Erholung zu einem wichtigen Baustein Ihrer Tagesplanung.

Lesen Sie auch:

Frei zugängliche wissenschaftliche Artikel zum Thema:

Haisch, S., Ballweg, T., Seeher, C., Orosz, A., Schibli, Y., & Cattapan-Ludewig, K. (2018). Burnout und Neurasthenie–Zeitdiagnosen der Jahrhunderte?. Swiss archives of neurology, psychiatry and psychotherapy, 169(2), 54–57. https://boris.unibe.ch/112248/1/sanp_00561.pdf

Kaschka, W., Korczak, D. & Broich, K. (2011). Modediagnose Burn-out. Dtsch Arztebl, 108(46), 781–787. https://www.aerzteblatt.de/archiv/113220/Modediagnose-Burn-out

Koch, U., & Broich, K. Das Burn-out-Syndrom. Bundesgesundheitsbl. 55, 161–163 (2012). https://doi.org/10.1007/s00103-011-1415-x

Samra, R. (2018). Brief history of burnout. BMJ, 363. https://oro.open.ac.uk/58472/9/58472VOR.pdf

World Health Organization (2022). ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics. QD85 Burnout. https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/129180281

World Health Organization (2019). Burn-out an “occupational phenomenon”: International Classification of Diseases. https://www.who.int/news/item/28-05-2019-burn-out-an-occupational-phenomenon-international-classification-of-diseases