Mit feuchten Händen schüttelt Rolf K. dem Personalleiter die Hand. Seine Stimme zittert, auf seinem Hals zeichnen sich rote Flecken ab. "Was wird man während des Vorstellungsgesprächs wohl von mir wissen wollen?", fragt er sich. Rolf K. bewirbt sich als Entwickler für .NET-Lösungen bei einem Beratungsunternehmen. Nach zwei telefonischen Interviews wurde er zum persönlichen Gespräch eingeladen. Der Personalleiter und ein technischer Architekt erwarten ihn.
Fallstudie als Arbeitsprobe
Das Gespräch verläuft bis zu dem Moment gut, als der Personalleiter ihn auffordert, eine Fallstudie zu bearbeiten. Er solle sich in die Rolle eines Beraters versetzen und eine Aufgabe lösen, wie sie in einer Kundensituation auf ihn zukommen könnte. Rolf merkt, wie sein Herz bis zum Hals klopft, wie sich Schweißtropfen auf der Stirn bilden. Darauf war er nicht vorbereitet. Schließlich ist er Hochschulabsolvent und hat noch keine Erfahrung als Berater. Ihm bleiben 20 Minuten Zeit, bis er sein Ergebnis präsentieren muss. Er fängt an, die Aufgabe zu lesen, kann sich aber nicht konzentrieren. Auf einige Fragen weiß er keine Antwort. Die Zeit ist um. Er fängt an, die Aufgabe vorzulesen - und bricht nach etwa fünf Minuten von sich aus ab. Enttäuschung auf beiden Seiten. Ein Jobangebot erhält er nicht.
Wie hätte der Bewerber an die Fallstudie herangehen sollen? Worauf Personalverantwortliche bei Fallstudien achten, erklärt Yasemine Limberger, die beim IT-Dienstleister Avanade, einem Joint Venture von Microsoft und dem Beratungsunternehmen Accenture, für das Recruiting verantwortlich ist:
Eine Fallstudie ist in erster Linie eine Art Arbeitsprobe. Viele Unternehmen nutzen dazu eine realistische Situation aus der zu besetzenden Rolle, oder sie konfrontieren den Bewerber mit einer Aufgabe, die völlig losgelöst ist von der künftigen Tätigkeit. Verlangt wird jedoch immer, ein Problem zunächst zu analysieren, zu strukturieren und danach eine skizzierte Lösung zu präsentieren.