Wenn es um Tools für die Zusammenarbeit und Office-Produktivität im Unternehmen geht, kann IBM auf eine lange und facettenreiche Geschichte zurückblicken. Mit der Übernahme von Lotus und deren visionärer Plattform Notes und Domino vor 20 Jahren setzten sich die Amerikaner an die Spitze der noch jungen Kategorie "Groupware", und legten damit den Grundstein für eine lange anhaltende Marktführerschaft, die vor allem im deutschen Markt überall sichtbar war.
Doch der IT-Markt entwickelte sich rasant weiter, und auch das Innovationsgebiet Kommunikation und Zusammenarbeit bleibt von der Dynamik nicht verschont. Hauptrivale Microsoft, der als Nachzügler in diesen Markt einstieg, fokussierte lange Zeit das Modell der dokumentenzentrierten Zusammenarbeit. Für den Austausch der zu bearbeitenden Objekte und die Kommunikation im deren Kontext kamen erst Exchange/Outlook und später ergänzend der Messenger Lync (früher OCS, neuerdings Skype for Business) zum Einsatz. Konzepte einer Teamzusammenarbeit, wie sie IBM schon lange unterstützte, etablierten sich in diesen Umgebungen erst allmählich mit der wachsenden Präsenz von SharePoint.
Gamechanger Web 2.0
Mitte der 2000er Jahre ereignete sich eine erneute Zäsur, die unter dem Schlagwort Web 2.0 völlig neue Formen der computerbasierenden Interaktion etablierte. In der damals aufstrebenden Blog- und Wiki-Szene bildeten sich neue Möglichkeiten des Informationsaustauschs und der Kommunikation heraus, die alte Systemmauern und Silos überwanden. Dank offener Web-Standards wie RSS und AJAX war es nun möglich, Informationsstücke von verschiedensten Autoren zu aggregieren, zu verlinken, zu teilen und mit Bewertungssystemen zu priorisieren.
Schon bald zeichnete sich ab, dass diese neue Kultur der unmittelbaren Kommunikation und des schnellen Austauschs auch im geschäftlichen Umfeld eine enorme Bedeutung gewinnen würde. Enterprise 2.0 hieß das neue Schlagwort, das der MIT-Wissenschaftler Andrew McAfee mit einem wegweisenden Artikel im dem Jahr 2006 über Nacht auf die Agenda hievte.
Pionier auch mit Connections
IBM erkannte frühzeitig den Nutzen der aufkommenden Social-Media-Revolution und präsentierte bereits im Jahr 2007 mit Connections das passende Produkt, das die entsprechenden Komponenten wie Profile, Communities, Blogs, Wikis und Dokumente verbindet. Wie sich der IBM-Server gegenüber dem rivalisierenden SharePoint von Microsoft profilieren konnte, beschreibt Axel Opermann vom Analystenhaus Avispador wie folgt: "Microsoft packte unterschiedliche Funktionsbereiche in einen Server, während IBM für unterschiedliche Szenarien eigenständige, aber integrierbare Server rund um das Kernprodukt Connections bot."
Etwas detaillierter schildert Siegfried Lautenbacher, Collaboration-Spezialist und Gründer des Beratungshauses Beck et al. Services, die Besonderheit von IBMs Social-Strategie: "Mit Connections hat IBM früh eine umfassende Lösung auf den Markt gebracht, die die drei zentralen Themen der Enterprise 2.0 zusammenbringt, nämlich Conversation, Content und Communities. Der Fokus lag dabei immer auf den Arbeitenden selbst." Mit der aktuellen Version 5 liege eine ausgereifte Plattform vor, die auch über eine gute mobile Client-Unterstützung verfüge. "Hier zeigt sich deutlich die lange IBM Geschichte auf dem Gebiet der Zusammenarbeit", so Lautenbacher weiter.
- Kernfunktionen von IBM Connections
Auf den folgenden Seiten haben wir einige der wichtigsten Funktionen von IBM Connections aufgelistet. Basis dafür sind Screenshots der produktiven Umgebung bei Beck et al. Services. - Einstiegsseite in IBM Connections
Beck et al. nutzt die Standardversion von IBM Connections in der neuesten Version 5. Außer dem Namen der Plattform "Harambee" ist alles out-of-the-box. Hier findet sich die personalisierbare Einstiegsseite eines Mitarbeiters. Der "activity stream" im mittleren Fenster der Applikation. Links unterschiedliche Sichten auf den Informationsfluss, Rechts die Aufgabenliste. - Profilseite eines Mitarbeiters
Herzstück der Enterprise Social Network Funktion ist die Profilseite jedes Nutzers. Rechts als wordcloud das Social Tagging der wahrgenommenen Kompetenzen des Nutzers, in der Mitte Information über den Nutzer, die zum Teil aus anderen Enterprise-Applikationen übernommen werden kann (Stammdaten, Telefonnumern, etc.), aber auch selbst gepfelegt werden können. Rechts Informationen über die Aufbauorganisation ("reports to", "full report chain" oder people managed) sowie das Netwerk des Mitarbeiters. Über den Tab "recent updates" lässt sich schnell sehen, mit welchen Themen sich der Mitarbeiter derzeit beschäftigt. - Zentrales Collaboration Element: Communitys
Eine Community ist der zentrale Platz zur Zusammenarbeit für eine themenzentrierte Gruppe. Alle Elemente der Plattform sind hier gebündelt. Anpassbar pro Community auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst. Dokumente, Wikis, Blogs und Activities gehören zu den meistgebrauchten Features einer Community. - Communitys aktiv
Auch in Communitys gibt es einen Activity Stream – hier nach den neuesten Einträgen gefiltert. Bei Dokumenten zeigt der Activity Stream bereits eine Vorschau an. - Personalisierte Einstiegsseite und Apps
Hier eine personalisierte Einstiegsseite. Neben den Kernelementen Profiles und Communities stehen dem Nutzer eine Vielzahl von Apps zur Verfügung. Nota bene: Das kleine Mail-Symbol mit dem blauen Stern oben links zeigt die Einbindung der Mail Inbox, so dass man für einfache Mailinteraktionen nicht mehr die Anwendung wechseln muss. - Blogs
Blogs stehen sowohl in Communities zur Verfügung als auch für jeden Nutzer. In diesem Beispiel sehen wir einen Blogeintrag des Geschäftsführerblogs mit Videointegration, Likes und Kommentaren. Links sehen wir die Tags des Blogs als wordcloud, rechts das Blogarchiv und die letzten Lesezeichen, die der Blogeigentümer auf der Plattform gespeichert hat. - Foren
Foren in IBM Connections liefern die Standardfunktionalität von Foren im Web. Sie eignen sich hervorragend für Diskussionen und als Grundlage für beispielsweise Social Service Desks - Wikis
Verglichen mit spezialisierten Wikiplattformen ist der Umgang mit dem IBM Wiki innerhalb von Connections noch etwas eingeschränkter – jedoch ist es ein mächtiges Werkzeug. Unabhängig von der Plattform zeigt sich: Der Umgang mit Wikis will eingeübt werden. Darin liegt oft das größere Problem als im Funktionsumfang einzelner Lösungen. - Projekttransparenz
Mit dem Konzept der Activities liefert IBM eine Mini-Projektmanagement-Applikation. Dabei können Templates für immer wiederkehrende Aktivitäten angelegt werden. To do’s lassen sich zuordnen, relevante Projektinformationen strukturieren und transparent dokumentieren. Mehr Management von Projekten braucht es in vielen Situationen nicht. - IBM Connections App
Hier zwei Screenshots auf IOS: links das Menü im iPhone 6, rechts das Blogboard in der Darstellung auf einem iPad. IBM scheint es ernst zu nehmen mit Design Thinking und mobile first.
Grundsätzlich attestiert Oppermann beiden großen Anbietern ein komplettes Portfolio, das unabhängig von der Leistungsfähigkeit einzelner Features vergleichbar ist. So setzt Microsoft im klassischen Groupware-Bereich auf Exchange mit Outlook als Frontend. Der Server wird auch als Cloud-Service angeboten, Outlook existiert inzwischen in den Unterschiedlichsten Varianten für Clients und das Web. Bei IBM heißen die Protagonisten Domino, Notes, iNotes oder IBM Web Mail Cloud. Unternehmensorientierte Social Networks können auf Basis von IBM-Produkten mit Connections oder Connections Cloud realisiert werden.
Microsofts Doppelstrategie
Microsoft trimmte SharePoint seit der Version 2007 auf Social Networking und baute mit jeder Version die Funktionen aus. Doch der große Sprung mit der aktuellen Version 2013 markiert auch einen Endpunkt. Überraschend kam nämlich die Yammer-Übernahme dazwischen, und im Zuge der Integration des Cloud-Dienstes wechselte man auch die Strategie. Yammer wird Schritt für Schritt als Social-Layer in alle Microsoft-Produkte integriert, die Social-Funktionen von SharePoint werden nicht mehr weiterentwickelt. Für viele Kunden steht damit eine Grundsatzentscheidung an: Wer sich für Yammer entscheidet, müssen auch in die Cloud. Oder aber man bleibt beim SharePoint On-Premises, und setzt auf eine separate Social-Netzwerk-Erweiterung, wie sie Drittanbieter wie Beezy, Hoozin oder Sitrion/NewsGator liefern.