Arbeiten nach Corona

Warum die Rückkehr ins Büro so wichtig ist

28.03.2023
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Innovation findet vor allem in Zusammenarbeit mit anderen, am besten im Büro statt, und Firmen sollten sich um die Qualität der Beziehungen statt um die Steigerung der Produktivität kümmern, fordert, Chris Böhnke, Design Lead bei Accenture Song.
Experten sind überzeugt, dass Innovation und Firmenkultur nur in einem engen Miteinander entstehen können. Firmen sind also gefordert, nach der Zeit des ständigen Remote-Arbeitens, Regelungen zu finden, um das zu ermöglichen.
Experten sind überzeugt, dass Innovation und Firmenkultur nur in einem engen Miteinander entstehen können. Firmen sind also gefordert, nach der Zeit des ständigen Remote-Arbeitens, Regelungen zu finden, um das zu ermöglichen.
Foto: G-Stock Studio - shutterstock.com

Wie können Unternehmen Arbeitsplätze gestalten, um den neuen Lebensgewohnheiten und Vorstellungen ihrer Mitarbeiter besser zu entsprechen?

Chris Böhnke: Durch die Integration von Arbeitsmodi und Lebenskontext. Der Startpunkt für Unternehmen sind vier Modi: Fokusarbeit, Kollaboration, Kreativarbeit und sozialer Austausch. Jede Form von Arbeit hat einen Mix dieser Komponenten. Jedes Unternehmen muss die gewünschte Mischung dieser für das eigene Ziel je Rolle kennen. Denn: Diese Modi lassen sich in bestimmten Kontexten besser oder schlechter leben. Und der nahtlose, räumliche Wechsel zwischen ihnen ist ebenso wichtig. So ist eine Aufgabe mit viel Fokusarbeit und hybrider Kollaboration einfacher 'Remote' zu erledigen.

Chris Böhnke, Accenture Song: "Unternehmen müssen das Arbeiten reizvoller gestalten als in der Vergangenheit."
Chris Böhnke, Accenture Song: "Unternehmen müssen das Arbeiten reizvoller gestalten als in der Vergangenheit."
Foto: Böhnke - Fjord Deutschland

Und wechselt ein Team nicht leicht aus direkter Kollaboration zu Fokusarbeit im Büro, verlieren die Mitarbeitenden das 'Warum' des Kommens. Hilft der Arbeitsplatz beim persönlichen Erfolg im Mix der Arbeitsmodi, passen Teams ihre Lebensgewohnheiten an. Denn: Wegen der Starre zuvor haben wir Flexibilität in den letzten drei Jahren schätzen und lieben gelernt. Menschen halten an ihr nicht aus Prinzip fest. Aber Unternehmen müssen dieses Jahr durch einen sinnvollen Mix der Arbeitsmodi, die Kombination aus Hoffice (Home-Office), Hybrid und Büro reizvoller als die Starre der Vergangenheit gestalten.

Innovation entsteht oft durch Austausch

Was sind die immateriellen Vorteile des Bürolebens und wie können Mitarbeiter und Unternehmen davon profitieren? Wie lassen sie sich in die neue Arbeitswelt integrieren/ übertragen?

Böhnke: Die Vorteile des Bürolebens liegen in einem in der DACH-Region oft belächeltem Wort: dem Informellen. Lernen im Büro ist zum großen Teil informell. Beobachtung, Nachahmung und unbewusstes Verarbeiten helfen Talenten zu wachsen. Der Clou: keine Trainingskosten. Drei Einsteigerjahrgänge haben diese Lernkurven zu Hause verpasst. Und ihnen ist auch ein weiterer immaterieller Vorteil durch Informelles genommen gewesen: Innovation durch Inklusion und Inspiration. Durch Studien im MIT ist bewiesen, dass Innovation oft im Zuge eines zufälligen Austauschs passiert. Zufällig zu sehen, was andere tun, kann neue Wege für die eigene Arbeit öffnen.

Im Büro lässt sich dieser Austausch ohne zusätzliche Aufwände ermöglichen. Gleiches gilt für eine starke und unbewusst verhandelte Kultur: Im Büro passiert die Zusammenarbeit sichtbar und Werte, Karrierewege sowie Verbindungen werden in eine Gruppe übertragen. Diese Effekte lassen sich nicht einfach ins Virtuelle übertragen. Unternehmen müssen dieses Jahr ihre Ziele und Arbeitsmodi darauf ausrichten, diese immateriellen Werte zu maximieren. Was vorher 'per Zufall' ein Vorteil war, muss dieses Jahr als Kennzahl den Weg in Abläufe, Räumlichkeiten, Kalenderplanung und Begegnung finden. Zu messen ist dann nicht nur die Produktivität, sondern etwa die Qualität des Mentorships für neue Kollegen.

Der Ansatz "Wo ihr wollt" ist zu einfach gedacht

Wie können praktikable Zukunftsmodelle der Arbeitswelt konkret aussehen?

Böhnke: Der erste Schritt ist eine neue Balance zwischen Produktivität und Qualität. Viele Manager haben Angst vor niedriger Produktivität aus dem Home-Office. Sie sollten Angst vor niedriger Qualität der Resultate und des persönlichen Wachstums ihrer Talente haben. Man braucht also ein klares Ziel für beides. Aus dem Ziel lassen sich die vier Arbeitsmodi in einen Mix bringen. Hieraus ergibt sich dann die individuelle Arbeitswelt eines jeden Unternehmens von der Anwesenheitsfrage bis hin zum digitalen Kalender. Denn allein das Design unserer Kalender hilft uns nicht.

Hier müssen Unternehmen dieses Jahr anleiten, vorgeben und versuchen. Die Ansätze 'alle zurück' oder 'wo ihr wollt' scheinen einfach. Aber die Ergebnisse für viele Unternehmen mit diesem Vorgehen bleiben weiterhin fraglich. Führungskräfte müssen sich dieses Jahr fragen: Wenn ich Ziele der Arbeit und Arbeitsmodi zum Erfolg kenne, welche praktischen Elemente führen meine Talente zum Erfolg. Ist es dieses Jahr noch wichtiger an Prestigeorten mit teuren Mieten zu sein oder den Mix der Arbeitsmodi durch das Umfeld reizvoll zu gestalten?

Wo KI helfen kann

Welchen Einfluss hat Künstliche Intelligenz auf kreative Prozesse im Unternehmen?

Böhnke: Den größten Einfluss wird KI auf das Selbstbewusstsein haben. Und zwar nicht durch die Angst, ersetzt zu werden. Sondern positiv: "Welche neuen Prozessschritte sollte ich mir ausdenken?" "Welche neuen Probleme kann unser Produkt lösen?". Der erste Schritt ist oft voller Sorge, ist langwierig, voller Workshops mit vielen Menschen und noch mehr Post-Its. Durch KI wie ChatGPT, Midjourney, Magenta und andere können wir einfach starten. Wir stellen eine Frage oder geben ein Prompt und es geht von 0 auf 1- oder sogar auf 10. Anzufangen schafft Selbstvertrauen.

Durch dieses Selbstvertrauen werden wir höhere Qualität in den kreativen Prozessen erleben. Nicht, weil die KI schneller oder smarter ist. Sondern weil die menschliche Komponente des 'Warum' schneller und mit mehr Fläche arbeiten kann. Schlägt ein LLM die zehn wichtigsten Features einer neuen Gesundheitsapp vor, kann der Mensch klarer überlegen: Was fehlt? Was braucht mein Kontext wirklich? Warum sollten wir das tun?