Den großen Wurf im Auge haben
Das heutige Umfeld zwingt Unternehmen, Stabilität und Dynamik in einer Zeit großer Veränderungen in Einklang zu bringen. Viele sind den Buzzwords der Digitalisierung schon überdrüssig. Trotzdem stellt sich den Verantwortlichen, gerade auch im Nachgang an die COVID-19-Pandemie über kurz oder lang die Frage nach strukturellen Anpassungen und wie der Wandel geschehen kann.
Für die organisatorische Weiterentwicklung sind mit den obigen Ausführungen viele Zutaten hinreichend beschrieben. Ausgehend vom Management gilt es einen für das Unternehmen passenden Teamschnitt zu finden. Je größer das Unternehmen und je komplexer die Wertschöpfungsketten sind, desto mehr stellt das eine Herausforderung dar. In der Tat versuchen sich viele Unternehmen im stillen Kämmerlein alleine oder mit Unterstützung durch Scrum Master im Trial-and-Error-Modus. Dies mag im Kleinen funktionieren, doch eine bewusste Veränderung erfordert einen signifikanten transformativen Schritt. Vergleichbar mit der Chirurgie benötigt es jahrelange Erfahrung, um zu wissen, wie für das jeweilige Unternehmen ein passender Schnitt aussehen kann.
Unterstützung von außen
Die Skalierung von Agilität jenseits der Projektgrenze gelingt vielen Führungskräften nicht mit Bordmitteln und führt selten zum Erfolg. Der Grund: Das Management ist selbst betroffen und muss seinen Führungsstil überarbeiten. Insofern bedarf es externer Impulsgeber und Begleiter, die den Grundstein für die agile Organisationstransformation legen und dann auch die Transformation begleiten.
- Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle. - Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen. - Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf. - Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle". - Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen. - Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung. - Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise. - Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein. - Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.
In mehreren Zyklen wird ein Zielbild für die Organisationsstruktur der Zukunft geschaffen. Ein solches Zielbild ist viel mehr als ein Organigramm. Es vermittelt eine klare Vorstellung, wie Teams geformt und ein neues Zusammenspiel von Teams im Sinne eines Operating-Models funktionieren kann. Deshalb muss das Zielbild auch Veränderungen an den Menschen, Prozessen und technologischen Elementen erkennen und berücksichtigen. Diese Veränderungen werden auf Basis des Zielbilds in einer Roadmap gebündelt und dienen dann als Orientierung für die Umsetzung.
Lesetipp: Wenn Veränderung zum Dauerzustand wird
Man darf sich auch nichts vormachen: Gerade eine solche Transformation bedeutet nicht mehr von demselben. Sie bringt eine signifikante - gar revolutionäre - Veränderung mit sich. Wie das Beispiel des Online-Händlers Zappos zeigt, machen das auch nicht alle Führungskräfte und Mitarbeiter mit. Zappos ist eines der ersten Unternehmen, das sich komplett dem agilen Management verschrieben hat. Der CEO überließ den Mitarbeitern die Entscheidung, den Wandel mitzugehen oder kompensiert mit drei Monatsgehältern das Unternehmen zu verlassen. Über 200 der 1500 Mitarbeiter gingen darauf ein.
In Summe muss die agile Transformation selbst agil gestaltet sein. Der Weg zu allen Strukturen ist selbst wieder agil: Das heißt, einem sehr disziplinierten und strukturierten Vorgehen inklusive der erforderlichen Regelungen folgen. Wer hierarchische Strukturen abbaut, aber keinen Rahmen schafft, wie sich selbstgesteuerte Teams finden und bilden, wie Rollen definiert und zugewiesen werden, wie man als Mitarbeiter in ein Team kommt und es auch wieder verlässt und wie Entscheidungen getroffen werden, landet geradewegs im Chaos. (bw)