Drei Führungstypen

Visionär, Manager, Vorgesetzter

10.02.2015
Von 
Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch" und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.
Jedes Unternehmen benötigt drei Typen von Führungskräften: Visionäre, Manager und Fachexperten für die Umsetzung. Entsteht hier ein zu starkes Ungleichgewicht, ist das Risiko zu scheitern groß.
Die meisten Führungskräfte sehen sich selbst als Leader.
Die meisten Führungskräfte sehen sich selbst als Leader.
Foto: thomaslerchphoto - Fotolia.com

Der Begriff "Leader" wird in der Management-Literatur oft verwendet, der Terminus "Führer" aus historischen Gründen kaum. Vom Leader wird in der Regel der "Manager" abgegrenzt. Seine Aufgabe ist es, im Alltagsgeschäft dafür zu sorgen, dass definierte Wege beschritten und so die Tagesaufgaben möglichst effizient und zielführend erledigt werden.

Vom Leader und vom Manager wird noch ein dritter Typ abgegrenzt, der "Fachexperte". Man könnte ihn als Edelsachbearbeiter bezeichnen, der aber dennoch mit dem klassischen Vorgesetzten gleichzusetzen ist. Seine Karriere lässt sich ungefähr so beschreiben: Als beste Fachkraft in seinem Bereich wurde er zur Führungskraft befördert, schaffte aber den Rollenwechsel nur bedingt.

In seinem Innersten blieb diese Person eine Fachkraft. Dem entspricht auch ihr Führungsverhalten. Sie sieht primär die Sachaufgaben, die im Alltag zu erledigen sind, und nicht die übergeordneten Zusammenhänge. Dieser klassische Vorgesetzte wird seinen ­Mitarbeitern kaum den Sinn ihres Tuns vermitteln. Eigentlich möchte er selber weiterhin die beste Fachkraft sein und Sachaufgaben erledigen - vor ­allem die herausfordernden und komplexen.

Unternehmen brauchen alle drei Führungstypen

Bei einer solchen Typisierung wird leicht übersehen, dass jedes Unternehmen alle drei Führungstypen braucht. Zumindest verbergen sich hinter diesen Typen Aufgaben, die in jeder Organisation zu erfüllen sind. Deshalb wäre es kontraproduktiv, die einzelnen Typen oder Führungsrollen gegeneinander auf- oder abzuwerten.

Jedes Unternehmen braucht Leader - also Personen, die für ihre Organisation eine Vision entwickeln, wohin die Reise gehen soll, und die Mitarbeiter für diese Idee entflammen. Ist diese Rolle nicht besetzt, stagniert die Organisation. Neben diesen Motoren für ein (quantitatives und qualitatives) Wachstum werden auch Manager benötigt. Sie leiten aus den Ideen der Leader Projekte ab und führen sie zum Erfolg. Außerdem sorgen sie im Betriebsalltag dafür, dass die Mitarbeiter die richtigen Prioritäten setzen und die erforderlichen Leistungen erbringen.

Jedes Unternehmen braucht schließlich auch die Fachleute mit Führungsaufgaben, die klassischen Vorgesetzten also, die sicherstellen, dass die Arbeitsqualität stimmt. Sie gewährleisten dies im Idealfall, indem sie

  • ihre Mitarbeiter bei der Arbeit anleiten,

  • deren Zusammenarbeit organisieren und strukturieren und

  • an Mitarbeiter, wenn sie die vereinbarten Normen nicht erfüllen, das Signal senden: so nicht.

Im Betriebsalltag lässt sich meist nicht so klar wie in Management-Büchern oder -Seminaren zwischen den drei Führungstypen "Leader", "Manager" und "Fachexperte mit Führungs­aufgaben" unterscheiden. Faktisch muss jede Führungskraft diese Rollen in sich vereinen - wenn auch in einer je nach der Position verschieden starken Ausprägung. Sonst ist das Scheitern programmiert.

Was Gründer leicht vergessen

Das zeigen die Beispiele von Startups: An der Spitze mancher zunächst erfolgreichen Firmengründung, die in den vergangenen Jahren die Segel wieder streichen musste, standen Leader - also Personen mit Visionen, die andere Menschen begeistern und mobilisieren konnten. Teilweise hatten diese Gründer aber so viele Ideen, dass in ihren Unternehmen nur noch Baustellenschilder standen.

Sie vergaßen, dass es zum Bauen eines Hauses nicht genügt, eine Baugrube auszuheben. Man muss auch ein Fundament legen, Wände hochziehen, Fenster und Türen einbauen, auf den Rohbau ein Dach setzen, bevor schließlich der Innenausbau beginnen kann. Oder ­anders formuliert: Sie schufen nicht die Strukturen, mit denen sie ihre Ideen auch ­umsetzen und die Früchte der Arbeit hätten ernten können.

Deshalb regierte in diesen Unternehmen irgendwann das Chaos - weil die ordnende Hand fehlte oder weil alle Ansätze von Ordnung von den Leadern sofort wieder zerstört wurden. Oft verloren sie das Interesse an ihren (Bau-)Vorhaben wieder und initiierten auf halbem Weg neue Projekte.