Machine Learning prognostiziert den Kraftstoffverbrauch
Weit fortgeschritten ist der Einsatz von KI-Techniken bereits in einigen technischen Bereichen. Die Lufthansa etwa setzt in der Flugzeugtechnik schon seit längerem auf künstliche Intelligenz und Machine Learning. Neben klassischen Bereichen wie der Flugzeuginstandhaltung mithilfe von Predictive Maintenance arbeitet der Konzern an einem Projekt zur Flugzeugeffizienz-Bewertung mit KI.
"Die vorhandenen Tools zum Aircraft Performance Monitoring sind überholt", berichtet Robert Heigl, Projektmanager Treibstoffeffizienz bei der Lufthansa Technik AG. Aktuelle Prognosen zum Kerosinverbrauch fielen deshalb zu ungenau aus. Gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt hat Lufthansa Technik ein Machine-Learning-Framework entwickelt, das exaktere Prognosen liefern soll. Heigl: "Das Framework hilft dabei, die Ökoeffizienz von Flugzeugen zu ermitteln und Kraftstofftreiber zu identifizieren."
Eine Hürde in dieser KI-Initiative war es, Daten in ausreichender Menge und Qualität für das Training des Systems zu beschaffen, wie Uwe Klingauf von der Technischen Universität Darmstadt erläuterte. Deutsche Unternehmen und Behörden sind nach seiner Einschätzung im internationalen Vergleich besonders zurückhaltend, wenn es um das Offenlegen und Nutzen von neuen Datenquellen geht.
Die Lufthansa griff deshalb für ihr Machine-Learning-Projekt auch auf anonymisierte Flugdaten zurück, die die US-Weltraumbehörde Nasa öffentlich bereitstellt. Amerikanische Großunternehmen wie Honeywell nutzen die Nasa-Daten schon länger und schreiben sogar Wettbewerbe dazu aus: Auf Basis der Daten sollten Interessierte Algorithmen und Anwendungen entwickeln, mit denen sich etwa der Treibstoffverbrauch von Flugzeugen optimieren lässt.
- Oliver Bracht, Chief Data Scientist bei Eoda
"In der Frage der Akzeptanz von KI und Machine Learning ist die Varianz unter den deutschen Unternehmen sehr hoch. Einige stehen noch ganz am Anfang, andere sind schon weit vorangeschritten." - Robert Gögele, General Manager bei Avanade Deutschland
"Im Feld KI und Machine Learning können in Deutschland viele neue Jobs entstehen. Dafür brauchen wir aber einen Kulturwandel, in dem wir uns als Gesellschaft und im öffentlich Diskurs deutlich mehr den Chancen widmen, als uns hinter den wohlbekannten und legitimen Risiken zu verstecken." - Stefan Gössel, Partner bei Reply
"Im ersten Schritt geht es um die eigene Effizienz. Der wesentliche Treiber ist es jedoch, die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen, um neues Wachstum zu generieren." - Franz Kögl, Vorstand von Intrafind
"Unsere Kunden haben mit dem Thema AI keine Berührungsängste. Alle gehen das pragmatisch an: Business Case und Anforderungen definieren, dann für den Use Case die beste Kombination aus AI-Verfahren auswählen und die Machbarkeit testen." - Ronny Kroehne, Senior IT Architect bei IBM
"Wir reden immer öfter direkt mit den Fachbereichen. Da ist der Innovationsdruck am Größten." - Katharina Lamsa, Pressesprecherin für die Division Digital Factory bei Siemens
"Die zunehmende Digitalisierung ist ein wesentlicher Treiber für die Entwicklung und die Akzeptanz von KI und Machine Learning bei unseren Kunden. Insbesondere im Maschinenbau sehen wir Ansätze, sich mit diesem Innovationsfeld intensiv zu befassen. Darunter finden sich auch kleinere, sehr innovative Unternehmen, die das Zukunftspotenzial des Themas erkannt haben." - Markus Noga, Leiter Maschinelles Lernen, SAP SE
"Unsere Vision ist das intelligente Unternehmen. Dank maschinellem Lernen und natürlicher Sprachverarbeitung werden Softwaresysteme Mitarbeiter zukünftig in allen Routinetätigkeiten unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, sich auf kreative und strategische Aufgaben zu fokussieren. Wir treiben diese Entwicklung mit intelligenten Applikationen und Services voran und bieten Anwendungsmöglichkeiten für jeden Kenntnisstand." - Klaus-Dieter Schulze, Senior Vice President Digital Business Solutions bei NTT Data Deutschland
"Ich muss immer mit der Business-Frage anfangen, nicht mit der Technologie." - Max Zimmermann, Data Scientist von Lufthansa Industry Solutions
"Man muss die unterschiedlichen Bereiche Künstlicher Intelligenz definitorisch voneinander abgrenzen. Einfache Regressionsverfahren zum Beispiel genießen derzeit hohe Akzeptanz."
Predictive Diagnostics bei Daimler TSS
Auch der Erfolg eines KI-Projekts bei Daimler TSS hängt von den verfügbaren Trainingsdaten ab. Die Inhouse-Consulting-Tochter des Daimler-Konzerns beschäftigt sich unter anderem mit künstlicher Intelligenz in der Fahrzeugdiagnose. Zwar hat die IT-gestützte Fahrzeugdiagnose beim schwäbischen Automobilbauer schon eine lange Tradition, wie KI-Experte Valentin Zacharias berichtete.
So habe man bereits 2002 damit begonnen, regelbasierte Systeme dafür einzusetzen. Nun aber wolle Daimler mit Hilfe von KI die Fahrzeugdiagnosen noch einmal verbessern, Werkstätten stärker unterstützen und am Ende die Kundenzufriedenheit steigern. Dazu könnten beispielsweise auch Remote-Diagnosen beitragen.
Geht es um die verfügbaren Datenquellen, befindet sich der Konzern in einer komfortablen Lage. Schon seit rund zehn Jahren sammelt er relevante Fahrzeugdaten in einem Data Warehouse. Diese werden nun dazu genutzt, das KI-System zu trainieren. Vor zwei Jahren startete Daimler TSS mit einem Proof of Concept. Mittlerweile ist der Rollout abgeschlossen und das System im Produktiveinsatz.
Es sammelt unter anderem Echtzeitdaten aus den Fahrzeugen, die an die Werkstätten übertragen werden. KI-Algorithmen generieren daraus Arbeitsvorschläge und "Repair Forecasts" für die Techniker vor Ort. So könnte das System beispielsweise anhand von Live-Daten vorschlagen, den Luftfilter auszutauschen.
In solchen Szenarien bringen mehr Daten unterm Strich mehr als verbesserte Algorithmen, resümierte KI-Spezialist Zacharias. Man versuche deshalb, das KI-System mit weiteren Trainingsdaten zu füttern, um noch genauere Diagnosen und Vorhersagen zu generieren.