Experten diskutieren Cloud-Migration

Trotz Krise nicht aus allen Wolken fallen

19.01.2023
Von 
Iris Lindner ist freiberufliche Journalistin für Elektronik und Automatisierung.
Flexibilität, Verfügbarkeit, Skalierbarkeit – ihre Vorteile haben Cloud Services in den letzten drei Jahren mehr als bewiesen. Jetzt geht es bei Cloud Migration darum, in Krisenzeiten nicht aus allen Wolken zu fallen.
Es sind stürmische Zeiten für viele Unternehmen. Trotzdem gilt es, seine Cloud-Strategie nicht aus den Augen zu verlieren.
Es sind stürmische Zeiten für viele Unternehmen. Trotzdem gilt es, seine Cloud-Strategie nicht aus den Augen zu verlieren.
Foto: Joel Calheiros - shutterstock.com

Corona hat der Cloud durch die verstärkte Nachfrage nach dort beheimateten Services ein völlig neues Image beschert: die einstige Innovation wurde Commodity. Doch während zu Beginn der Pandemie eine Cloud Migration hauptsächlich wegen der Anbindung der Mitarbeiter im Homeoffice stattfand, ist die Motivation aktuell eine andere.

In den heutigen Krisensituationen geht es den Unternehmen um Flexibilisierung und Agilisierung, damit sie schneller und zielgerichteter auf große globale Events, Veränderungen in lokalen Märkten und neue Kundenanforderungen reagieren können. Damit geht auch der derzeitige Wandel in der Nachfrage nach wirklich resilienten Cloud-Infrastrukturen einher: Welche Cloud steht bei einem Stromausfall zur Verfügung? Welche Backup-Möglichkeiten gibt es nach einer physikalischen Zerstörung der Infrastruktur?

Das Märchen von den geringeren Kosten

Das Bewusstsein über die Bedeutung von IT ist in den letzten zwei Jahren stark gewachsen. So gut wie jeder hat mittlerweile Erfahrungen gesammelt, wie man in bestimmten Situationen durch Cloud Services besser reagieren konnte oder was man hätte machen können, wenn man Cloud gehabt hätte. Durch das gereifte Verständnis über die Möglichkeiten der Cloud finden sich immer mehr Gründe für eine Cloud Migration. Dennoch liegt für den Mittelstand die Motivation zum Großteil immer noch in den vermeintlich geringeren Kosten. Eines der größten Missverständnisse überhaupt, denn Cloud ist nicht günstiger, war noch nie günstiger und wird es auch nie sein - solange man Äpfel mit Birnen vergleicht.

Wenn Anwenderunternehmen am Ende eine richtige TCO-Berechnung machen, zwischen dem, was man davor hatte und dem, was man nach der Migration hat, fahren sie mit Cloud-Lösungen oft durchaus günstiger. Allerdings ist eine solche Rechnung selten möglich, da den Unternehmen schon vorher die Transparenz fehlte, um die Kosten für ihre IT richtig zu berechnen. Allein schon beim Betrieb von alten Legacy-Umgebungen und den Gehältern für Fachkräfte, die gehalten werden müssen, um diese alten Technologien am Leben zu erhalten: Welche Kosten davon sind notwendig und wo gönnt man sich Luxus? Da dieser Vergleich nie richtig gezogen wird, bleibt die Cloud einfach teurer.

Mit der Kündigung der IT-Fachkraft endet oft die Sicherheit

Eine weitere Motivation für eine Cloud Migration verbirgt sich hinter Sicherheitsaspekten. Etwa zehn bis 20 Prozent der Unternehmen unterliegen immer noch dem Trugschluss, dass sie mit ihrem eigenem Rechenzentrum in puncto Sicherheit am besten aufgestellt sind. Zum einen, weil die eigene IT mit Argumenten wie geringere Kosten bei einem besseren Service-Level ihren Arbeitsplatz rechtfertigt. Zum anderen aus Angst vor der Umsetzung, die Aufwand und Ressourcen verlangt. Kapazitäten, über die der Mittelstand einfach nicht verfügt.

Dabei ist es unumstritten, dass ein schlecht gemanagtes eigenes Rechenzentrum im Vergleich zu einer professionell verwalteten Cloud von der Sicherheit her immer die schlechtere Wahl ist. Gerade dann, wenn eigenes Personal dafür nicht mehr vorhanden ist. Die Schwierigkeit, geeignete Mitarbeiter zu finden, ist auch der Grund, warum der Großteil der Unternehmen verstanden hat, dass Cloud die Sicherheit tatsächlich bietet. Nicht zuletzt deshalb, weil ihr auch ganz andere Vorgehensmodelle zugrunde liegen, andere Werkzeuge zur Verfügung stehen und die Anbieter mit Security by Design diesen Aspekt von Anfang an berücksichtigen.

Auch Software-Hersteller haben keine grüne Wiese

Die treibende Rolle hinter der Cloud Migration ist das Business, da es die Cloud häufig auch als Enabler für Innovation nutzt. Um die Anforderungen der Fachbereiche an Flexibilität und Agilität zu erfüllen, kommt es jedoch nicht nur darauf an, den richtigen Service zu buchen. Entscheidend ist auch, wie dieser mit den eigenen Services zusammenarbeitet.

Weil der schönste Service in der Cloud nichts nützt, wenn er sich nicht integrieren lässt, spielt die Orchestrierung eine wesentliche Rolle - mit nicht zu unterschätzender Komplexität. Denn Cloud Migration bedeutet nicht, seine kompletten Systeme eins zu eins in die Cloud zu heben. Vielmehr steckt die Verknüpfung aus On-Prem-Lösungen mit einer oder mehreren Clouds und Plattformen dahinter. Damit stehen nicht nur alle Möglichkeiten offen, um das beste Tool für den maximalen Nutzen zu erhalten. Mit dieser Dezentralisierung lässt sich auch Resilienz in Bezug auf Ausfall der Systeme schaffen.

Dass aber diese Zusammenarbeit von Services in hybriden IT-Landschaften - besonders in den aktuell entstehenden Ökosystemen - immer besser funktionieren muss, daran war in der klassischen IT bis vor zehn Jahren noch nicht zu denken. Und diese Tatsache wird in den nächsten Jahren noch einige Probleme verursachen. Die Lösung, um die Lücken zu schließen, ist nämlich für jedes Unternehmen eine andere.

Studie "Cloud-Migration 2023": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema Cloud-Migration führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler (mraedler@idg.de, Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Mit der Cloud wächst die Komplexität

Fest steht: Durch Cloud Migration wird die Komplexität steigen. Nicht nur wegen anderer Technologien oder den zahlreichen Schnittstellen. Auch auf der vertraglichen Seite gilt es für die Kunden, den Überblick zu behalten: Man muss auf einmal Provider steuern, Abrechnungen prüfen et cetera. Und auch da ist der Fachkräftemangel ein Problem, denn auch wenn man Services nicht mehr von der eigenen IT bezieht, so braucht es jemanden, der sich mit Cloud-Plattformen, den Technologien und Service-Abgrenzungen auskennt. Damit Kunden ihr vorhandenes Know-how nutzen können, wäre hier ein Ansatz, in der Entwicklung ihrer eigenen Applikationen und der Transformation ihrer Prozesse auf Standards zu setzen, die On-prem und in der Cloud nutzbar sind. Container-Lösungen zum Beispiel. Viele versuchen auch bereits, infrastrukturnahe Dienste mit Infrastruktur as Code stärker zu automatisieren.

Um die vorhandenen Skills nutzen zu können, wird es zunehmend wichtiger werden, die Workloads zwischen den Welten verschieben zu können. Also auch die Rückwärtsbewegung aus der Cloud, für die es ebenfalls gute Gründe gibt. Bandbreiten, Latenzen oder Sicherheitsanforderung erzwingen oftmals die lokale Verarbeitung der Daten im Edge. Der zugehörige Analytics-Teil findet dann oftmals in der Cloud statt, wo sie ausgewertet werden, bevor sie wieder in die Edge wandern.

Keiner kennt alle Cloud-Services

Wo macht man was am besten? Eine Frage, die sich Software-Anbieter übrigens genauso stellen müssen, wenn es darum geht, Services eventuell auf einer Plattform zur Verfügung zu stellen. Um diese Frage für den Anwender zu beantworten, braucht es jedoch Beratung und Hilfestellung durch hochspezialisierte Partner. Die Beratung muss dabei nicht nur objektiv sein, sondern auch ehrlich. Denn mittlerweile sind auf einer Plattform zehntausende von Services zu finden - genau zu wissen, welche davon die richtige Lösung für den Kunden ist, wird immer schwieriger und ist teilweise schon heute schlichtweg unmöglich.

Deshalb muss auch ein Berater mit dem Kunden zusammen die Kultur etablieren, dass die Cloud sich ständig ändert und erweitert. Beide müssen dazu bereit sein, gemeinsam zu lernen, wie etwas in der Cloud funktionieren kann oder eben auch nicht. Optimal ist es, diese partnerschaftliche Zusammenarbeit um Business-Analysten zu erweitern, denn die technische Lösung alleine ist nichts ohne den Business-Aspekt dahinter. Und der wird in dem gesamten Zusammenspiel von Technologie und permanentem Wandel immer wichtiger.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Cloud-Migration 2023'