Linux-Projekte

Triumph in München - Kehrtwende in Freiburg

06.12.2012
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Zwei Städte, zwei Open-Source-Projekte, zwei völlig unterschiedliche Ergebnisse: Während die Verantwortlichen des Münchner LiMux-Projekts von einem Erfolg sprechen, beschloss Freiburg, von OpenOffice wieder zu Microsoft zurückzukehren.

Feierlaune in München - in der Rathaus-Umschau vom 26. November meldete der Stadtrat, die Ziele des LiMux-Projekts seien erreicht. Über 12.000 städtische Rechner sind demnach mit dem offenen PC-Arbeitsplatzsystem "LiMux" ausgestattet. Außerdem arbeiten der Stadtverwaltung zufolge 15.000 PCs mit "OpenOffice" sowie dem eigens entwickelten Vorlagensystem "WollMux". Bürgermeisterin Christine Strobl sprach von einer "großartigen Gesamtleistung ". Außerdem sei damit "ein konsequenter Schritt zu mehr Offenheit und Unabhängigkeit von einzelnen Softwareherstellern" gelungen.

Während in München der Sekt für die Siegesfeiern in Sachen LiMux kalt gestellt wurde, herrschte im Breisgau Katerstimmung. Nach aufgeregten Debatten beschloss der Gemeinderat am 20. November mit knapper Mehrheit, den Umstieg auf OpenOffice zu stoppen und wieder zurück zu Microsofts Office-Paket zu migrieren. "Eine 3000-Personen-Verwaltung kann nicht dauerhaft im Trial-and-Error-Modus laufen", begründete SPD-Stadtrat Kai-Achim Klare die Entscheidung. Die Verwaltungsmitarbeiter seien schließlich keine Versuchskaninchen für unausgereifte Software. Die Umstellung auf OpenOffice sei nur halbherzig angegangen worden, klagte dagegen Timothy Simms von den Grünen, der sich gegen die Rückkehr zu MS-Office ausgesprochen hatte. Deshalb sei es auch falsch, das Experiment als gescheitert abzutun.

Diskussionen dieser Art kennt auch Peter Hofmann, LiMux-Projektleiter in München. Auf dem "Open Source Day" der Open Source Business (OSB) Alliance in München berichtete der IT-Experte, dass auch im Zuge von LiMux immer wieder Gerüchte aufkamen, das Projekt sei gescheitert, und München werde zu Microsoft-Produkten zurückkehren. Das sei verständlich, schließlich habe sich das Vorhaben nicht gerade als einfach erwiesen: Viele Beschäftigte mit vielen PC-Arbeitsplätzen, über 50 Betriebsstandorte, eigenständige IT-Organisationen, heterogene Infrastrukturen und Prozesslandschaften sowie der Wechsel auf eine unbekannte Plattform hätten für eine komplexe Ausgangssituation gesorgt. "Es wäre kein Wunder gewesen, wenn wir gescheitert wären", gibt Hofmann unumwunden zu.

Linux-Projekte - große Pläne und leise Tode

Open-Source-Pläne der öffentlichen Hand quer durch Europa haben in den vergangenen Jahren wiederholt für Aufsehen gesorgt. Nachdem 2005 die Stadt Wien offen über einen Linux-Umstieg nachdachte, bejubelten Open-Source-Fans schon den Durchbruch. Heute ist Wienux jedoch faktisch tot. Der freiwillige Umstieg hat offenbar nicht funktioniert. In der Folge musste die Donau-Metropole Millionenbeträge in weitere Microsoft-Lizenzen investieren. Seit 2008 wird Wienux nicht mehr weiterentwickelt. Das System wird de facto nicht genutzt, hieß es. Nur die offizielle Todesnachricht stehe noch aus.

Dadurch wollen sich andere Länder allerdings nicht von ihren Open-Source-Strategien abbringen lassen: In Frankreich hat jüngst Premierminister Jean-Marc Ayrault alle Behörden aufgefordert, wo immer möglich Open-Source-Software zu verwenden.

Italien hat Anfang August dieses Jahres ein Gesetz verabschiedet, das in der Verwaltung den Einsatz von Open-Source-Produkten zur Pflicht macht. Die Regierung im spanischen Baskenland hat angeordnet, dass sämtliche Programme, die für Behörden und die öffentliche Verwaltung geschrieben werden, als Open Source zu veröffentlichen seien. In Island wurde im März 2012 ein Projekt gestartet, um langfristig die gesamte Verwaltung auf Open Source zu migrieren.

Dass die Umstellung auf OpenOffice im Breisgau scheitern würde, hatte sich bereits früher im Jahr angedeutet. Die Projektverantwortlichen bekamen die technischen Probleme immer weniger in den Griff, was zuletzt für wachsenden Unmut unter den Anwendern sorgte. "So beklagten die Ämter unter anderem Programmabstürze, das fehlende Datenbankmodul, hohen Konvertierungsaufwand beim Datenaustausch mit Externen, Probleme beim gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten im Änderungsmodus oder Schwierigkeiten bei der Erstellung von Serienbriefen", hieß es in einer offiziellen Mitteilung der Kommune. Ferner war die Rede davon, dass sich die Tabellenkalkulations- und Präsentationsprogramme von OpenOffice als "deutlich leistungsschwächer" erwiesen hätten als ihre Microsoft-Pendants. Schlussendlich läutete ein Gutachten vom Mai das Ende des OpenOffice-Projekts in Freiburg ein. Darin kamen die Prüfer zu dem Schluss, dass der durch die Probleme beim Datenaustausch verursachte Parallelbetrieb von Office 2000 und OpenOffice einen hohen Aufwand verursache. Es sei zudem zweifelhaft, ob die Schwierigkeiten hinsichtlich der Kompatibilität und der Schnittstellen von OpenOffice in absehbarer Zukunft gelöst werden könnten. Schließlich werde die in Freiburg eingesetzte Version 3.2.1 nicht mehr weiterentwickelt, und es sei nicht absehbar, welcher der beiden Nachfolger, Apache OpenOffice oder LibreOffice, sich besser einbinden lasse. Fazit: Freiburg soll die Zwei-Produkte-Strategie in Sachen Office aufgeben und flächendeckend Office 2010 von Microsoft einführen.