Anwendungsszenarien: Ein Blick in die Praxis
Wo das einzelne Unternehmen startet und welche Maßnahmen priorisiert und kombiniert werden, ist hochindividuell. Wichtig ist die Skalierbarkeit der Pilotprojekte und eine technologische Infrastruktur, die Spielraum bietet für Visionen und Ideen, die vielleicht erst später in die Realität umgesetzt werden.
Praxisbeispiel #1: Ein Maschinenbauunternehmen möchte die Wartung des Maschinenparks optimieren und setzt im ersten Schritt auf Condition Monitoring, also der kontinuierlichen Erfassung des Zustandes beispielweise einer Maschine. Mittels Sensoren am Werkzeughalter zerspanender Maschinen werden Schwingungen, Kräfte und Temperaturen direkt an der Wirkstelle erfasst und in Echtzeit an eine zentrale Datenplattform übertragen. Bei Überschreitung definierter Toleranzen meldet das System, dass das Werkzeug ausgetauscht werden muss.
Das nächste Level ist Predictive Maintenance: Intelligente Algorithmen erstellen präzise Diagnosen, wann mit dem nächsten Werkzeugwechsel zu rechnen ist und ermöglichen so eine produktionsfreundliche Wartungsplanung. In einer weiteren Ausbaustufe werden zusätzliche Sensoren nachgerüstet, um den Energieverbrauch zu messen und mittels künstlicher Intelligenz zu optimieren.
Praxisbeispiel #2: Ein Fertigungsunternehmen entscheidet sich, digitale Arbeitsplätze einzuführen. Die primäre Intention ist es, die eingesetzten Softwareprodukte zu standardisieren, Lizenzkosten zu sparen und den Aufwand für Updates zu senken. Die Cloud als neue Infrastrukturbasis eröffnet dabei zahlreiche weitere Verbesserungsmöglichkeiten, die nach und nach umgesetzt werden:
Für den Shopfloor erhalten die Mitarbeitenden mobile Endgeräte, um den Maschinenstatus zu überwachen und so Zeit für Kontrollgänge einzusparen.
Durch den Aufbau einer zentralen Kollaborationsplattform werden Informationssilos aufgelöst, sowie das Managen von Dokumenten und der Austausch von Wissen gefördert.
Der einheitlich hohe Sicherheitsstandard für alle Arbeitsplätze vereinfacht Zertifizierungen und Audits.
Auch der Wunsch vieler Mitarbeitenden nach hybriden Arbeitsmodellen lässt sich so in vielen Bereichen umsetzen, was mittelfristig sowohl die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber als auch die Mitarbeitendenbindung erhöht. Die papierlosen Prozesse, der geringere Energieverbrauch durch Reduzierung der Bürofläche und CO2-Einsparungen aufgrund sinkender Pendelstrecken zahlen außerdem auf den ökologischen Fußabdruck ein.
Praxisbeispiel #3: Ein Reifenhersteller startet in der Produktentwicklung ein Pilotprojekt für den Digitalen Zwilling: Mit Hilfe des Digitalen Zwillings lassen sich Simulationen für eine Vielzahl an Profilvarianten, Materialmischungen und Wetterbedingungen durchführen, ohne physische Prototypen zu bauen und in realen Testumgebungen zu erproben. Das spart Geld, verkürzt die Time-to-Market und optimiert die Produktqualität.
Der Fertigungsbetrieb weitet das Pilotprojekt aus und stattet jeden Reifen mit Sensoren aus und sammelt verschiedene Nutzungsparameter. Nachdem die neue Reifenserie auf den Markt gebracht wurde, stellt das QS-Team (Qualitätssicherung) bei Auswertung der Sensordaten fest, dass bei einer Produktionscharge der Abrieb deutlich erhöht ist. Dank des Digitalen Zwillings lassen sich die von einer fehlerhaften Materiallieferung betroffenen Reifen lokalisieren und gezielt zurückrufen.
In einem weiteren Transformationsschritt könnte der Reifenhersteller in den Datenhandel einsteigen und Herstellern digitaler Assistenzsysteme innerhalb eines Ökosystems Realdaten anbieten, welche Kräfte bei Lenkmanövern auf die Reifen wirken und wie sich die Reifen in kritischen Situationen verhalten.
Vom Kleinen zum Großen, aber schnell
Die Kunst erfolgreicher Transformationsstrategien ist es, motivierende, schnelle Erfolge mit visionärem Weitblick zu vereinen. Klein zu starten, aber von Beginn an groß zu denken - und schnell zu handeln. Denn die Digitalisierung wird die Fertigungsindustrie revolutionieren. Heute entscheidet sich, wer morgen zu den Gewinnern des Wandels zählt.