Microsofts Business-Tablet im Praxistest

Surface Pro: Ein Gerät sucht seine Nische

13.08.2013
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Nach dem Surface RT schickt Microsoft hierzulande nun auch sein zweites Tablet ins Rennen. Die COMPUTERWOCHE hat sich das Surface Pro genauer angeschaut, das ab Ende Mai nun auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Preis von 870 Euro (64-GB-Version) beziehungsweise 979 Euro (128 GB) erhältlich ist.
Surface Pro: Microsofts Business-Tablet geht in den Handel
Surface Pro: Microsofts Business-Tablet geht in den Handel
Foto: Microsoft

Hatte sich Microsoft bei seinem ersten Versuch als Tablet-Hersteller noch an den vermeintlichen Wünschen der privaten Nutzer von iPad und Co. orientiert, steht beim Surface Pro die Business-Klientel im Vordergrund. Immerhin versteckt sich unter dem Mantel des kleinen 10-Zoll-Tablets ein richtiger PC mit x86-Prozessor und vollwertigem Windows-Betriebssystem, der sich in die Unternehmens-Infrastruktur integrieren lässt, erweiterte Datenschutzfunktionen zulässt und neben Apps mit Touch-Bedienung auch spezielle Desktop-Anwendungen, die unter Windows 7 laufen, unterstützt.

Mehr noch: Wie Microsoft als Entscheidungshilfe auf seiner Website angibt, liegt der Fokus des Surface Pro zudem auf Verarbeitungsgeschwindigkeit und Kompatibilität. Dafür müsse man allerdings Kompromisse bei Gewicht, Dicke und Akkulaufzeit in Kauf nehmen, so der Hinweis des Softwareriesen auf Abwegen.

Worauf sich der Nutzer einlässt, zeigt sich bereits bei einem direkten Vergleich mit dem Surface RT: Von vorne betrachtet sehen die beiden Varianten mit dem kantigen aber gut verarbeiteten Gehäuse aus Magnesium-Legierung und dem lang gestreckten 10,6-Zoll-Display im 16:9-Format nahezu gleich aus. Nur bei genauem Hinsehen erkennt man, dass der Bildschirm des Surface Pro deutlich schärfer ist - die Auflösung wurde gegenüber dem ersten Microsoft-Tablet von 1366 mal 768 Pixel auf Full-HD (1920 mal 1080 Bildpunkte) erhöht.

Auf der Rückseite befindet sich auch der metallene Aufsteller, der das Surface in Kombination mit der Tastaturerweiterung in eine Art Note- oder Netbook verwandelt. Leider lässt sich die Neigung des Kickstand aber nicht verändern, sondern der Nutzer muss seine Körperhaltung entsprechend anpassen, um Spiegelungen am Display zu vermeiden und das Gerät ideal einsehen und bedienen zu können. Damit nicht genug: In dieser Position zeigt sich deutlich, dass das Surface Pro mit 13 Millimeter Dicke wesentlich pummeliger ausfällt als das Surface RT (9 Millimeter) und so ziemlich alle am Markt erhältlichen Tablets. Mit einem Gewicht von 910 Gramm ist das Pro-Gerät außerdem fast ein Drittel schwerer als das erste Microsoft-Tablet, rechnet man noch die zur Nutzung fast obligatorische Tastatur hinzu, kommt man auf über ein Kilogramm – das Surface Pro bewegt sich damit schon fast in Ultrabook-Sphären.

Mehr Ultrabook als Tablet

Auch sonst ist das Surface Pro näher mit der besonders schlanken Notebook-Gattung verwandt, die die Ähnlichkeiten mit dem RT sind eher äußerlicher Natur. So ist im Inneren des Geräts anstelle des stromsparenden ARM-Prozessors eine 1,7-Ghz-Dual-Core-CPU von Intel (Core i5-3317U) verbaut, die von vier GB RAM unterstützt wird. Diese Kombination bringt ordentliche Rechenleistung, um herkömmliche Windows-Anwendungen ohne Verzögerungen und Ruckeln zu nutzen, lediglich bei grafikintensiven Spielen dürfte das integrierte HD-4000-Grafikmodul an seine Grenzen stoßen.

Gleichzeitig benötigt der Notebook-Prozessor aber auch zusätzliche (leise) Lüftung und -Schlitze sowie allgemein mehr Platz als die ARM-CPU. Wenig überraschend liegt auch der Stromverbrauch deutlich höher, trotz der von 35 auf 42 Wattstunden vergrößerten Akkukapazität machte das Surface Pro im Test bereits nach gut vier Stunden Laufzeit schlapp – als wir Ende 2012 das Surface RT unter die Lupe nahmen, schafften wir immerhin einen knappen Arbeitstag. Leider ist ein einfacher Wechsel des Akkus nicht möglich, womit die Mobilität deutlich begrenzt ist. Wenig überraschend ist das Surface Pro auch kein Always-On-Gerät – wird der Einschaltknopf auf der Oberseite betätigt, wacht das Tablet aber in nur wenigen Sekunden aus dem Standby-Modus auf.

Speicherplatz ist Mangelware

Einschränkungen gibt es auch beim Speicherplatz: Beim Surface Pro stehen SSDs mit 64 und 128 GB zur Auswahl, auf ein Modell mit 32 GB wie beim Surface RT hat Microsoft sinnigerweise verzichtet. Dies geschah aus gutem Grund, denn selbst in der zum Testen zur Verfügung gestellten 128-GB-Version stehen nur 88 GB zur freien Nutzung bereit, der Rest ist mit dem Windows-Betriebssystem und der Wiederherstellungsdatei belegt – diese immerhin 8 GB kann man jedoch bei Bedarf auf einen USB-Stick auslagern, um Speicher freizumachen. Weitere bis zu 64 GB Speicherplatz erhält man durch die Verwendung des schwer auffindbaren, da unscheinbaren MicroSDXC-Slots auf der rechten Seite (NTFS-Formatierung).

Bei der restlichen Hardware orientierte sich Microsoft weitgehend am Surface RT: Das Pro-Tablet verfügt über einen Umgebungslichtsensor, einen Beschleunigungssensor, ein Gyroskop sowie einen Kompass und unterstützt WLAN a/b/g/n und Bluetooth 4.0. Auf Vorder- und Rückseite ist jeweils eine Kamera mit 0,9 Megapixel (720p) Auflösung angebracht. Außerdem besitzt der dicke Flachmann einen vollwertigen USB-3.0-Anschluss und eine 3,5mm-Kopfhörerbuchse.

Während Microsoft beim Surface RT zum Anschluss externer Monitore auf miniHDMI setzte, erhielt die Pro-Version einen Mini-DisplayPort – eine gute Wahl, denn dieser wird eher den Anforderungen im Business gerecht, zusätzlich bietet Microsoft noch Adapter für HD-AV und VGA zum stolzen Preis von je 40 Euro als Extra an – das Zubehör ist in anderen Shops aber günstiger erhältlich. Hinzu kommt noch als Zusatz-Equipment die per Bluetooth anzubindende Wedge Touch Mouse für 69 Euro.

Fest im Lieferumfang enthalten und Surface-Pro-only ist hingegen ein Digitizer-Stift, der sich präzise nutzen lässt und insbesondere bei der Arbeit im Desktop-Bereich von Windows 8 und unterwegs (z.B. Handschrifterkennung) gute Dienste leistet.

Wohin mit dem Stift?

Schnell verloren: Der Digitizer-Stift des Surface Pro
Schnell verloren: Der Digitizer-Stift des Surface Pro
Foto: Microsoft

Leider gibt es für den Surface Pen keinen speziellen Schacht für den Transport, sondern er teilt sich mit dem proprietären Ladestecker den Magnetanschluss an der Seite zur mehr oder weniger stabilen Befestigung. Schade, dass die Microsoft-Ingenieure ausgerechnet hier nicht mitdachten, während sie andererseits das Netzteil mit einem Extra-USB-Anschluss zum Laden eines zusätzlichen Smartphones ausstatteten.Wer den Stift nicht gleich wieder verlieren will, sollte sich also zum Transport einen anderen Unterbringungsort suchen.

Wie bereits beim Surface RT finden auch bei der Pro-Version die per Magnet-Clip andockbaren und in mehreren Farben erhältlichen Tastaturerweiterungen Touch-Cover und Type-Cover Anwendung. Sie werden allerdings nicht mitgeliefert, sondern müssen extra gekauft werden – zum Preis von jeweils über 100 Euro. Dabei ist das Type-Cover mit seinen mechanischen Tasten dem Touch-Cover in puncto Bedienbarkeit weit überlegen. Berichten von Surface-Nutzern zufolge lässt sich aber auch das Touch-Cover nach etwas Eingewöhnungszeit gut nutzen.