Scrum im Behördeneinsatz

Stadt Hamburg gelingt agiles IT-Projekt

03.06.2021
Von Christian Thomsen und Tim Schneider

Die Machbarkeitsstudie enthielt bereits ein grobes fachliches Konzept, das für die Verwendung in einem agilen Projekt vorgesehen war. Anstelle von genauen Funktionsbeschreibungen der geplanten Software wurde in einem ersten Schritt lediglich ein inhaltlicher Rahmen festgelegt. Dieser reichte aus, um eine Kostenabschätzung für die Freigabe vorzunehmen. Basten hatte noch Zweifel: "Für mich war ungewiss, ob wir den teils sehr komplexen fachlichen, rechtlichen und technischen Anforderungen gerecht werden können. Es war stellenweise ein Risiko, ob wir das in time und in budget hinbekommen."

Operativ war der inhaltliche Rahmen gleichzeitig die Basis für die granulare Detailplanung: Mittels der Planungssoftware JIRA, einem der Standard-Tools für agile Projekte, konnte der Product Owner sogenannte "Epics" formulieren und diese dann in "Stories" herunterbrechen. Eine Story entspricht einer Entwicklungsaufgabe, die innerhalb eines Zweiwochen-Zeitraums, dem "Sprint", umgesetzt werden kann.

Umsetzung nach Scrum-Konzept

Einer der Grundpfeiler des Scrum-Konzepts: Alle zwei Wochen stellen die EntwicklerInnen in Reviews ihre Umsetzungen und Arbeitsstände live vor. Beim Schiffsregister-Projekt am Hamburger Amtsgericht waren entsprechend meist alle zukünftigen AnwenderInnen dabei und bei übergreifenden Absprachen zu den Oberflächen, Funktionen oder anderer Details gefragt. Auf diese Weise fand ein regelmäßiger Austausch zwischen agilem IT-Projektteam und dem gesamtem Fachbereich statt. Eine derartige Beteiligung aller FachexpertInnen war für die Hamburger Justizmitarbeiter neu, wurde jedoch über die gesamte Projektlaufzeit intensiv genutzt.

Im Spätsommer 2020 ging das digitale Schiffsregister in Hamburg schließlich als erstes seiner Art live, Ende Oktober wurde es offiziell übergeben. Seitdem ist es auch hinsichtlich des Nachnutzungsgebots von Verwaltungsprojekten erfolgreich: Bremen hat das System übernommen, Berlin und Brandenburg werden ihre Schiffsregister an das Hamburger Amtsgericht übertragen.

Agiles versus klassisches Vorgehen in Behörden

Für den öffentlichen Dienst liegen in der agilen Vorgehensweise viele Chancen, die sich im Schiffsregister-Projekt gezeigt haben:

  • Verkürzter Projektvorlauf: Das Herunterbrechen des Grobkonzepts aus der Machbarkeitsstudie in ein Feinkonzept hätte schätzungsweise sechs bis acht Monate gedauert. Durch die Konzentration auf technische Voraussetzungen und eine begrenzte Menge an fachlichen Themen konnte das Entwicklungsteam seine Arbeit unmittelbar und ohne Verzögerung aufnehmen.

  • Schnelle Reaktion: Während der Umsetzung traten regelmäßig Änderungen in den Anforderungen auf - typisch für ein fachlich geprägtes IT-Projekt. Aufgrund der agilen Vorgehensweise konnte der Auftraggeber zu jeder Zeit selbst entscheiden, welche Priorität einer Änderung zugewiesen werden sollte. Bei entsprechender Dringlichkeit lagen zwischen dem Auftreten der Änderung und der Umsetzung zum Testen im nächsten Sprint nur drei Wochen.

  • Stärkere Einbindung und ständiges Feedback: Ein weiterer Vorteil besteht in der Möglichkeit, die Benutzer nicht nur einzubinden, sondern aktiv an der Entwicklung zu beteiligen. Sie können und sollen alle zwei Wochen das in Entwicklung befindliche Produkt sehen, testen und Feedback geben. Die hohe Beteiligung der zukünftigen Anwender hatte sowohl Vorteile für die Akzeptanz des Produkts als auch für dessen Qualität.

Als Vorsitzender des Lenkungskreises hat IT-Manager André Basten über die gesamte Laufzeit stets den Überblick über die Entwicklungen. Rückblickend sieht er das Vorgehen durchweg positiv: "Keine Frage, ich würde an so ein Softwareentwicklungsprojekt immer wieder agil herangehen." Die nur dreimonatige Projektverzögerung ist nach Einschätzung der Beteiligten in der Justiz einzigartig - und vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie im letzten Drittel zu vernachlässigen.