Studie No-Code/Low-Code 2023

Spezialplattformen und KI sind gefragt

09.10.2023
Von 
Dr. Andreas Schaffry ist freiberuflicher IT-Fachjournalist und von 2006 bis 2015 für die CIO.de-Redaktion tätig. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Berichterstattung liegen in den Bereichen ERP, Business Intelligence, CRM und SCM mit Schwerpunkt auf SAP und in der Darstellung aktueller IT-Trends wie SaaS, Cloud Computing oder Enterprise Mobility. Er schreibt insbesondere über die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen IT und Business und die damit verbundenen Transformationsprozesse in Unternehmen.
Softwareentwicklung und Prozessanpassung mit No-Code-/Low-Code-Plattformen sind vielerorts State of the Art. Die Integration von KI-Funktionen gewinnt ebenfalls an Bedeutung.
Der digitale Wandel eröffnet Unternehmen aller Größen und nahezu aller Branchen neue Möglichkeiten, um mit Kunden zu interagieren oder die Geschäftsprozesse zu optimieren und flexibel an neue Anforderungen des Marktes anzupassen. Vielerorts werden die dafür nötigen Softwarelösungen und Web-Apps in Eigenregie entwickelt.
Der digitale Wandel eröffnet Unternehmen aller Größen und nahezu aller Branchen neue Möglichkeiten, um mit Kunden zu interagieren oder die Geschäftsprozesse zu optimieren und flexibel an neue Anforderungen des Marktes anzupassen. Vielerorts werden die dafür nötigen Softwarelösungen und Web-Apps in Eigenregie entwickelt.
Foto: Ico Maker - shutterstock.com

Es kristallisiert sich heraus, dass die Firmen die Softwareentwicklung immer häufiger nach dem No-Code-/Low-Code-Ansatz realisieren. Der Einsatz entsprechender Plattformen ist inzwischen ein fester Bestandteil im Methoden-Mix, auch wenn klassische Entwicklungsplattformen gegenwärtig (noch) die Nase vorn haben. 51 Prozent der Unternehmen nutzen demnach eine klassische Plattform, die Hälfte eine Low-Code- und 46 Prozent eine No-Code-Plattform. Das zeigt: No-Code/Low-Code-Plattformen kommt bei der Entwicklung und Erstellung von Software/Apps nahezu der gleiche Stellenwert zu wie klassischen Plattformen.

Das ist das zentrale Ergebnis der aktuellen Studie zu "No-Code/Low-Code", die CIO, CSO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit Nintex, TRANSCONNECT®, ESCRIBA, Simplifier, Engomo und Neptune Software durchgeführt haben.

No Code/Low Code ist inzwischen ausgereift

"Das Ergebnis zeigt, dass moderne Low-Code-Ansätze zur Anwendungsentwicklung mittlerweile so leistungsstark und vielseitig sind, dass sie mit herkömmlicher, handcodierter Entwicklung mithalten können. Dies hat mehrere positive Implikationen: Nicht-technische Benutzer können jetzt aktiv an der Anwendungsentwicklung teilnehmen, Unternehmen können schneller auf sich ändernde Anforderungen reagieren und Ideen schneller in Prototypen und Anwendungen umsetzen", kommentiert Stefan Ehrlich, CEO der TRANSCONNECT das Ergebnis. Und Jens Stier, Gründer und Geschäftsführer der engomo GmbH, ergänzt: "Low-Code hat sich in großen Unternehmen als gleichwertige Option zur klassischen Entwicklung etabliert, jedoch scheinen mittelständische Unternehmen trotz drängender Kapazitätsprobleme immer noch stark auf traditionelle Entwicklung zu setzen. Es gilt für die Low-Code-Plattformen, ihren Mehrwert für den Mittelstand klarer in den Fokus zu stellen".

Übrigens: 94 Prozent der Unternehmen, die No-Code-/Low-Code-Entwicklung betreiben, nutzen mindestens zwei Plattformen, auch weil eine Universalplattform spezielle Anforderungen, sei es aus dem CRM-, ERP- oder HR-Bereich nicht zufriedenstellend abdecken kann.

Die Befragten nennen als die fünf wichtigsten Gründe für den No-Code-/Low-Code-Einsatz die Beschleunigung der Softwareentwicklung (39 Prozent), die Erhöhung der Prozesseffizienz (37 Prozent), Kostensenkungen (34 Prozent) sowie die Möglichkeit zum Citizen Development und Steigerung der Usability (jeweils 33 Prozent). Knapp ein Drittel (32 Prozent) entscheidet sich für No-Code/Low-Code, um auf diese Weise IT-Lösungen zu entwickeln, die nah am Business sind. Aus Sicht von Christoph Garms, Geschäftsführer bei Neptune Software Deutschland, können "IT-Abteilungen, die bei der App-Entwicklung einen No-Code-/Low-Code-Ansatz verfolgen, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil bei der Digitalisierung erzielen. Dieser Ansatz ermöglicht den IT-Abteilungen, schnell individuelle Apps zu erstellen, die von den Fachbereichen dringend benötigt werden und Prozesse effizienter machen."

Dass verstärkt auf No-Code/Low-Code gesetzt wird, hängt auch damit zusammen, dass die klassische Entwicklung diverse Nachteile mit sich bringt. Aus technischer Sicht mangelt es klassischen Plattformen an der nötigen Skalierbarkeit (23 Prozent). Jeweils etwas mehr als ein Fünftel der Befragten sehen Probleme beim Datenschutz (22 Prozent) sowie bei der Anwendungssicherheit und der IT-Infrastruktur (je 21 Prozent). Beklagt wird aber auch die unzureichende Unterstützung durch die Fachbereiche (26 Prozent) und durch die Geschäftsleitung beziehungsweise das Management (21 Prozent).

KI als fester Bestandteil von No-Code/Low-Code

Für die Mehrzahl der Unternehmen, die Software und Apps mit einer No-Code-/Low-Code-Plattform entwickeln, gewinnt die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) an strategischer Bedeutung. Entsprechende Funktionen bezeichnen fast zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten als "sehr wichtig" oder "wichtig", wobei der Fokus zurzeit auf KI für Sprach- und Bilderkennung sowie Vorhersageanalysen liegt. "In Zukunft wird KI bei der No-Code-/Low-Code-Entwicklung eine große Rolle spielen. Dank KI lässt sich nicht nur die Entwicklung von Applikationen weiter beschleunigen. Auch neue Bedienmöglichkeiten von Software-Apps, zum Beispiel per Sprachbefehl, werden populärer", verdeutlicht Dr. Juergen Erbeldinger, CEO und Gründer der ESCRIBA AG. Und Florian Rühl, Vorstandsmitglied, Simplifier AG, bestätigt: "KI entwickelt sich zu einem wichtigen Bestandteil jeder Low-Code Plattform, um die Effizienz und Zugänglichkeit zu erhöhen."

Für 65 Prozent der Befragten ist die Integration von KI in Plattformen besonders wichtig.
Für 65 Prozent der Befragten ist die Integration von KI in Plattformen besonders wichtig.
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

Naturgemäß beschäftigen sich die Unternehmen in diesem Zusammenhang auch mit generativer KI. Immerhin 39 Prozent bezeichnen es als wichtig, eine No-Code-/Low-Code-Plattform mit generativer KI auszustatten, die mögliche Lösungsansätze autogenerieren kann. „ChatGPT hat die Sicht auf den Einsatz von KI in Software und speziell von generativer KI revolutioniert. Durch leistungsstarke LLMs (Large Language Models) wurde für jeden Anwender aus jedem Fachbereich ersichtlich, welche Effizienzsteigerung und Erleichterung KI gestützte Systeme im Wissensaufbau bedeuten. Daher ist die Nachfrage signifikant gestiegen, diese in die No-Code/Low-Code-Entwicklung zu integrieren, um die Projektumsetzung zu beschleunigen“, kommentiert Cosima von Kries, Director, Pre-Sales Solution Engineering EMEA bei Nintex, diese Entwicklung.

Interessant ist, in welchen Bereichen die Befragten das größte Nutzenpotenzial einer mit KI-Funktionen ausgestatteten No-Code-/Low-Code-Plattform verorten. Für 68 Prozent liegt es in der Logistik und im Supply Chain Management, für 60 Prozent im Vertrieb und im Marketing, für 57 Prozent im Personalwesen und für 41 Prozent bei der Kundenbetreuung.

Die Schattenseiten von No-Code/Low-Code

Beim No-Code/Low-Code-Einsatz herrscht nicht nur eitel Sonnenschein, wie die Studie zeigt. Nachholbedarf herrscht sowohl in Bezug auf die Anzahl als auch die Zufriedenheit der durchgeführten Projekte, zum Teil fürchten Unternehmen auch nicht unerhebliche Nachteile beziehungsweise Probleme durch No-Code/Low-Code.

Doch der Reihe nach: Knapp ein Viertel der Befragten (24 Prozent) haben in den vergangenen fünf Jahren nur ein bis fünf No-Code-/Low-Code-Projekte durchgeführt, also im Schnitt maximal ein einziges pro Jahr. 40 Prozent haben sechs bis zehn Projekte und damit maximal zwei im Jahr verwirklicht. Auch die Zufriedenheit mit den durchführten Projekten lässt einige Wünsche offen. Zwar sind 69 Prozent der Befragten mit ihren No-Code-/Low-Code-Projekten "sehr zufrieden" oder "zufrieden", doch drei von zehn Befragten sehen hier noch Luft nach oben und immerhin fünf Prozent sind unzufrieden. Übrigens: In den Fachbereichen ist die Zufriedenheit (55 Prozent) am niedrigsten, und zwar mit großen Abstand.

Die Entwicklung von Software und Apps per No-Code/Low-Code-Plattform bringt nach Ansicht der Befragten auch jede Menge Nachteile mit sich: in erster Linie im Hinblick auf die IT-Security (35 Prozent) und das Entstehen einer "Schatten-IT" (30 Prozent) sowie ein unkoordiniertes Vorgehen bei der Softwareentwicklung (27 Prozent), den Datenschutz (26 Prozent) und die Bildung von Insellösungen (24 Prozent).

Als größten Nachteil sehen die Befragten die IT-Security im Kontext von No-Code/Low-Code.
Als größten Nachteil sehen die Befragten die IT-Security im Kontext von No-Code/Low-Code.
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

Citizen Development gewinnt an Bedeutung

Die aktuelle No-Code-/Low-Code-Studie hält eine Reihe weiterer interessanter und überraschender Ergebnisse parat, zum Beispiel in puncto Citizen Development. Die Hälfte der Unternehmen bewertet den eigenen Reifegrad hier äußerst positiv. Ein Fünftel gibt an, auf einer Skala von 0 bis 5 (0 = nicht vorhanden; 5 = Innovation durch unternehmensweites Citizen Development) den höchsten Reifegrad (Stufe 5 - Innovation) erreicht zu haben. 24 Prozent stufen sich auf dem zweithöchsten Reifegrad (Stufe 4 = Skalierung) ein.

Besonders interessant: Unternehmen, die über No-Code-/Low-Code-Citizen-Developer verfügen, hieven diese in knapp drei Viertel der Fälle "grundsätzlich" oder "in der Regel" auf die Position eines Product Owner, professionelle Programmierer aber in nur acht Prozent der Fälle. Das lässt sich dahingehend interpretieren, dass die Fachbereiche als "Herrscher über das Prozesswissen" inzwischen verstärkt in die Verantwortung bei der No-Code-/Low-Code-Entwicklung genommen werden.

Umso überraschender ist, dass nur 41 Prozent der Befragten überzeugt sind, durch eine No-Code-/Low-Code-Plattform das IT-Business-Alignment zu stärken und eine Transformation der IT in Richtung Business-Technology-Organisation anzustoßen. Dieser Prozess steckt also noch weitgehend in den Kinderschuhen.

Jetzt im Shop: die Studie "No-Code / Low-Code 2023".
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Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

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Studiensteckbrief

Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE

Studienpartner: Nintex Deutschland (Platin) ; TRANSCONNECT® (Gold) ; ESCRIBA AG (Silber) ; Simplifier AG (Silber) ; engomo GmbH (Partner) ; Neptune Software GmbH (Partner)

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die Entscheiderdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels

Gesamtstichprobe: 386 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 04. bis 11. Juli 2023

Methode: Online-Umfrage (CAWI) Fragebogenentwicklung & Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und Computerwoche in Abstimmung mit den Studienpartnern