Digital Marketing wird zur Chefsache
2. Enterprise Digital Marketing wird zur Chefsache
Doch wie können Unternehmen ihren Kunden über alle Kanäle hinweg kompetent, schnell, transparent und integer gegenübertreten? Wie lässt sich eine durchgängige "Digital Customer Experience" gestalten, die die Kundenzufriedenheit erhöht und die Prozesse beschleunigt?
Seit einiger Zeit zeichnet sich ab, dass die verschiedenen Marketing- und Vertriebsinstrumente technologie- sowie strategieseitig zusammengeführt werden müssen. Dabei erweist sich die Integration von CRM, Marketing Automation, eCommerce, Social Media und klassischer Online-Werbung als höchst anspruchsvoll und technologisch komplex. Bislang haben nur die wenigsten Unternehmen in Europa eine integrierte "Enterprise Digital Marketing Platform" im Einsatz. Nach Prognosen von Crisp Research können derzeit lediglich rund fünf Prozent der Unternehmen ihre digitalen Kundenbeziehungen einheitlich steuern und überwachen.
Dies deutet auf ein sehr großes Optimierungs- und Innovationspotenzial hin. Die Ausgestaltung der digitalen Kundenbeziehung wird nach Einschätzung der Analysten von Crisp Research zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor in den kommenden fünf Jahren. Denn nur die Nähe zum und der kontinuierliche Austausch mit den Kunden schafft die notwendige Datenbasis, um mittels neuer Analyse- und Personalisierungstechnologien das volle Potenzial in Bezug auf Kundenbindung, Sales Performance und Produktentwicklung zu heben.
Dies haben einige der großen Software-Anbieter erkannt und vor rund zwei Jahren begonnen, ihr Portfolio um entsprechende Lösungen mittels Akquisitionen zu ergänzen. Vor allem IBM, Oracle, Adobe und Salesforce haben sich hier hervorgetan und die Preise für attraktive Zielunternehmen deutlich in die Höhe getrieben. Nach Einschätzung von Crisp Research handelt es sich beim Thema "Digital Customer Experience" um den zentralen Technologietrend der Jahre 2014 und 2015. Dieser wird - analog zu Cloud Computing auf der IT-Infrastrukturseite - einen strukturverändernden Charakter haben. Kein rein konjunktureller Einfluss also.
Dies liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass Verbesserungen und neue Ideen in der Ausgestaltung der digitalen Kundenbeziehung gut mess- und vergleichbar sind. Zudem ergeben sich direkte Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg, wenn Marketingkampagnen und Vertriebsinitiativen optimiert und integriert ablaufen. So kann beispielsweise Porsche durch Messung und geografische Auswertung der Web-Zugriffe auf seiner deutschen Internet-Seite den Verkaufserfolg in den lokalen Autohäusern in Deutschland mit rund vierwöchigem Vorlauf voraussagen - und dementsprechend handeln. Derartige Beispiele gibt es unzählige.
Kreativität und die IT-seitige Integration der verschiedenen Tools und Services werden zum Erfolgsfaktor - und zur Chefsache! Nicht umsonst steigt wöchentlich die Zahl derjenigen Artikel, die sich mit dem Verhältnis von CMO und CIO beschäftigt. Diese beiden werden nach Einschätzung von Crisp Research in den kommenden Jahren wohl zu "ziemlich besten Freunden" und ab 2016 werden wir die ersten CIOs in den Chefsessel (CEO) aufrücken sehen. Denn in einer Welt der digitalisierten Geschäftsprozesse werden IT- und Technologiekompetenz in vielen Industrien zu einer unverzichtbaren Kompetenz der Unternehmenslenker.
Zwar steht das Thema "Digital Customer Experience" weder bei Gartner noch IDC auf der Liste der Trendthemen für 2014 (nur Forrester und Crisp Research führen das Thema als eine der Top Prioritäten), doch viele Aktivitäten und Verlautbarungen der letzten zwölf Monate sprechen dafür. Anbei einige Beispiele:
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• Salesforce macht das "Internet of Customers" zur obersten Marketingmaxime.
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• T-Systems investiert schon seit über einem Jahr unter der Losung "Zero Distance" in neue Lösungen und Partnerschaften, um Unternehmen IT-gestützt mehr Kundennähe zu ermöglichen
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• IBM hat unter dem Titel "The Customer-activated Enterprise - Insights from the Midmarket" ein internationales Studienprojekt ins Leben gerufen
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• Accenture hat kürzlich die Gründung einer neuen Geschäftseinheit unter dem Namen "Accenture Digital" bekanntgegeben, in der sich laut Unternehmensangaben über 20.000 Mitarbeiter dem Thema digitale Geschäftsprozesse widmen sollen.
Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass das Thema "digitale Kundenbeziehung" auf die Agenda 2014 eines CIOs gehört. Zumindest all derjenigen, die sich von den Kollegen aus dem Marketing nicht den Schneid und die Budgets abkaufen lassen wollen. Eine spannende Zeit bricht an - das ist garantiert.
3. Das "Soziale Unternehmen" versus "Behavioral-IT"
Abseits der Überlegungen, welche Rolle Social-Media-Plattformen für die Gestaltung der digitalen Kundenbeziehung und das Online-Marketing spielen, müssen sich Unternehmen und deren CIOs im Jahr 2014 neu mit der Frage beschäftigen, welche Tools die Mitarbeiter- und Teamproduktivität wirklich befördern. In der Hypephase des Social-Collaboration-Trends wurde meist außer Acht gelassen, ob und wie sich Kommunikations- und Verhaltensmuster durch den Einsatz der neuen Social-Tools verändern und welche Auswirkungen dies konkret für das Unternehmen hat. So gibt es bis heute nur sehr wenige empirische und wissenschaftliche Befunde hinsichtlich der Erfolge beziehungsweise Misserfolge.
Auch wenn die meisten CIOs den Heilsversprechen der IT-Anbieter in Bezug auf die Entstehung des "Sozialen Unternehmens" nur bedingt Glauben geschenkt haben, ist es elementar, sich mit den Chancen, Möglichkeiten und Limitationen der Social-Collaboration-Tools genauer auseinanderzusetzen. Die Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen Ökonomie ("Behavioral Economics") könnten dabei Hilfestellung leisten. Nur wer versteht, wie Menschen sich verhalten und entscheiden, kann den Einsatz neuer Social-Collaboration-Tools im Unternehmen effektiv planen und managen. Wenn sich mehr CIOs für das wirkliche Verhalten ihrer Anwender interessieren, entsteht in Analogie zur Finanzwissenschaft ("Behavioral Finance") vielleicht eine "Behavioral IT", die uns hilft, IT-Services nutzerfreundlicher zu gestalten und erfolgreicher einzuführen.
In diesem Zusammenhang spielt auch das Thema "Usability" und "User Experience" eine entscheidende Rolle. Denn fruchtbare und effiziente Zusammenarbeit ist nur dann möglich, wenn die Tools intuitiv bedienbar sind und menschliche Nähe entstehen lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist die junge Firma Sqwiggle. Deren Video-Chat und Collaboration Service für verteilte Teams spricht mittels seiner Einfachheit und guten Nutzerführung für sich selbst. Das Marketing kommt daher ohne den inflationären Gebrauch des Trendbegriffs "Social" aus. "Increase human collaboration" steht auf der Website.
Fazit: Der Mensch im Mittelpunkt und IT geht 2014 neue Wege
Kosten, Prozesse, Technologien - die klassischen Schlagworte in der Unternehmens-IT. Resümiert man die obigen Gedanken, lässt sich mit ein bisschen Optimismus eine neue IT-Welt vorausahnen. Eine IT-Welt, in der der Anwender beziehungsweise der Kunde im Mittelpunkt des Interesses steht, in der die User Experience wichtiger als die Kosten ist, und in der Technologie im Hintergrund geschmeidig ihren Dienst verrichtet.
Die erfolgreichen Cloud- und eCommerce Companies haben dies schon vorgelebt. Ab 2014 werden in weiteren Branchen neue "Digital Champions" entstehen, die ihre Wettbewerber alt aussehen lassen, indem sie ihre Kundenbeziehungen online abbilden und dem Kunden schnell, kompetent und transparent zu Diensten sind. Nah am Kunden. Wer muss sich da noch "Social" schimpfen? (jha)