Digital Marketing

Social verliert seinen Heldenstatus

09.12.2013
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Dr. Carlo Velten schreibt als Experte zu den Themen Cloud-Platforms und -Developers, Enterprise Cloud Management und Digital Business. Dr. Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Seit über 15 Jahren berät Carlo Velten als IT-Analyst namhafte Technologieunternehmen in Marketing- und Strategiefragen.
Der Social-Trend neigt sich dem Ende entgegen. Aber ist das Thema damit auch perdu? Wohl kaum, denn die Kunden- und Partnerkommunikation hat sich verändert.
Foto: Creativa - Fotolia.com

Trends prägen den Technologiemarkt. Die Kommunikation. Die Produktentwicklung. Die Strategien. Manche Trends sind dabei langlebiger als andere. Analog zur volkswirtschaftlichen Forschung, wo man zwischen konjunkturellen und strukturellen Veränderungen unterscheidet. So zeichnet sich seit einigen Wochen eindeutig ab, dass der sogenannte "Social Trend" sich dem Ende zuneigt. Erst räumt Salesforce-Chef Benioff auf der Dreamforce-Konferenz ein, dass sich das "Social Enterprise" als kommunikativer Imperativ als Fehlschlag erwiesen hat. Kaum eine Woche später gibt F. Scott Woods, Deutschland-Statthalter von Facebook zum Besten, dass er den Begriff "Social" nicht mehr hören mag - dieser sei "von gestern".

Verwundert reiben sich viele Unternehmensentscheider und Medienmacher die Augen. Selbsternannte "Social Media Enthusiasts" wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Erkenntnis, wie gerade in der Huffington Post geschehen. Hier versucht sich Daniel Fürg unter dem Titel "Social ist nicht tot, sondern etabliert!" an einer Ehrenrettung und erhält dafür leider nur fünf Reaktionen: zwei Facebook-Likes, null Tweets, ein Google+, keine eMail und zwei Kommentare. So viel zum Thema Debattenkultur auf Deutschlands neuer Online-Zeitung.

Daniel Fürg bemüht auf der Web-Seite der deutschen Huffington Post um die Ehrenrettung des Begriffs "Social".
Daniel Fürg bemüht auf der Web-Seite der deutschen Huffington Post um die Ehrenrettung des Begriffs "Social".
Foto: Huffington Post

Was aber heißt dies für all die IT- und Marketingentscheider in den Unternehmen, die in den letzten Jahren unglaublich viel Zeit und Budget in die revolutionär anmutenden Social Media- und Social Collaboration-Technologien investiert haben?

1. Social wird fester Bestandteil der digitalen Kundenbeziehung

Man kann vereinfachend sagen, dass der Begriff "Social" in der Unternehmenswelt mit zu hohen Erwartungen überfrachtet wurde - ähnlich überambitionierter Eltern, die ihren vierjährigen Sohn schon einschulen und fünfsprachig aufwachsen lassen wollen. Zudem hat sich in den letzten Jahren ein vollkommen falsches Begriffsverständnis - und damit eine falsche Erwartungshaltung entwickelt. So entstand der Begriff "Social" ursprünglich im Umfeld junger Startups, die neue Kommunikations-, Community- und Publishing-Services für Privatnutzer entwickelten. In diesem Kontext passte der Begriff, ging es doch um den Austausch von privaten und semi-privaten Informationen. Der Beziehungsrahmen war durch individuelle und persönliche Vorlieben, Gemeinsamkeiten und Freundschaften geprägt - "Social" eben.

Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden hat eine andere Prägung. Sie ist nicht auf Freundschaft ausgelegt. Denn wer möchte schon "a brand like a friend"? In Zeiten ernsthafter Datenschutzdebatten und neuer Verwertungsmöglichkeiten á la "Big Data" wünschen sich Kunden und Anwender einen transparenten Austausch mit den Unternehmen - keine von Agentur-Trollen dominierte Marketing-Communities. Freunde hat man besser im echten Leben. Und Unternehmen sollten lieber dafür sorgen, dass der Umgang mit den Kunden den neuen Erfolgskriterien genügt: kompetent, schnell, transparent und integer.

Denn eines ist klar - Anwender und Kunden wollen die "digitale Kundenbeziehung". Wer als Unternehmen seine Leistungen und Informationen nicht exzellent digital aufbereitet und für alle möglichen Endgeräte zur Verfügung stellen kann, wird sich auf steigende Churn-Rates und Umsatzverluste einstellen müssen. Kunden lieben das Internet und den schnellen Zugriff auf relevanten Content. Sie fordern kompetente Mitarbeiter im Service-Chat, hilfreiche Informationen auf den FAQ-Seiten und Transparenz bei AGBs und Produktionsmethoden. Die Facebook-Freundschaft auf der Unternehmens-Fanpage ist dabei lediglich ein einzelner Baustein im Rahmen einer integrierten, personalisierten und digitalisierten Kundenbeziehung.

Der Social Media-Hype der letzten Jahre hatte aber eine wichtige Funktion - hat er doch den Unternehmen aufgezeigt, welch wichtige Rolle das Internet und die neue Kanäle (Blogs, Twitter, Youtube & Co) in der Gestaltung der Kundenbeziehung spielen können. Und dass viele Kunden durchaus bereit sind, ihre Meinungen und Einstellungen gegenüber den Unternehmen kundzutun.

Dass das Buzzword "Social" seinen Helden- und Trendstatus verliert, sollte IT- und Marketingentscheider nicht stören. Nach Einschätzung von Crisp Research vollzieht sich derzeit nur die Normalisierung und Einordnung eines eher kurzlebigen Trends in den größeren Branchenkontext. Social zählt mittlerweile zum Marketing-Alltag. Aber es ist dabei nur eine Teildisziplin des "Enterprise Digital Marketing". In der nächsten Entwicklungsstufe wird sich das Social Media-Management weiter professionalisieren. Hierzu zählen:

  • die Optimierung von Monitoring und Steuerung,

  • Integration in andere Marketing-Lösungen (CRM, Marketing Automation etc.)

  • die Schaffung von Back-Up-Lösungen, die mit den Compliance-Anforderungen der Unternehmen konform sind. Dies ist elementar, da viele Unternehmen bei Rechtsstreitigkeiten oder Ausfällen auf Provider-Seite nicht an ihre Daten kommen.