Wenn wir davon ausgehen, dass IT in Zukunft der größte Hebel für Wertschöpfung ist - ich denke etwa an KI, durchgängige Lieferketten, Prozessoptimierung etc. - müsste der CIO dann nicht auch als Anwärter auf die CEO-Rolle in Frage kommen?
Kaan Bludau: Eher nicht. In der Disziplin Technologie, IT und Informatik kommt es auf Fachkenntnisse an. Topmanager brauchen grundsätzlich andere Skills. Sie haben meistens einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt. Wer CEO werden will, muss in seinem Lebenslauf Know-how in den Bereichen Finanzen und Wirtschaft vorweisen. Ganz wichtig sind Erfahrungen in Marketing und Vertrieb, CEOs haben ja auch häufig einen vertrieblichen Hintergrund. Im Zentrum stehen oft der Aufbau von Marken, Marketing-Strategien, der Vertrieb und so weiter.
Die IT muss sich gut verkaufen
Wie sehen die CIOs selbst ihre Rolle? Tun sie genug, um sich zu vermarkten und für ihre Themen und Projekte zu werben?
Kaan Bludau: Da hat sich in den vergangenen Jahren wirklich eine Menge getan. Das hat man sehr gut auf den Hamburger IT-Strategietagen gesehen. Es war eine Freude zu beobachten, wie sich die CIOs ganz selbstverständlich auf die große Bühne gestellt und von ihren Projekten und Strategien erzählen. Für ihre Unternehmen ist das ganz wichtig, vor allem im Recruiting: Die IT muss sich gut verkaufen und als attraktiv für Talente herüberkommen.
Worauf kommt es bei dieser Selbstvermarktung an?
Kaan Bludau: Ich bin gerade dabei, drei CIO-Positionen neu zu besetzen, und ich merke, wie hier ein Generationswechsel stattfindet. Es werden jüngere Kandidaten gesucht, die strategische und operative Arbeit sinnvoll miteinander verknüpfen können. Gefragt sind Talente, die erfrischend und stark rüberkommen und es verstehen, Menschen mitzureißen. Sie sollen eine neue Kultur im IT-Team etablieren und auch darüber hinaus das Unternehmen nach vorne bringen.
Das ist bei älteren CIOs oft anders, wobei natürlich Ausnahmen die Regel bestimmen. Auch die erfahrene Generation verschließt sich nicht gegenüber den neuen Themen, aber man merkt Unterschiede in der Kommunikation und im Anspruch. Die Jungen treten einen neuen Job als CIO nur an, wenn sie wirklich gestalten können und das nötige Budget dafür bekommen. Die Themen müssen spannend sein, und das Unternehmen muss Veränderung wollen.
Unternehmen müssen CIOs also Budget und Gestaltungsspielraum bieten, wenn sie Qualität wollen?
Kaan Bludau: Genau. Sie müssen aber auch erfrischend rüberkommen, modern, am Puls der Zeit - auch in Sachen Führung. Es gibt nach wie vor Unternehmen, die ihre Probleme mit modernen Arbeitsmethoden haben und deren IT stark im Hintergrund arbeitet. Die werden nicht die besten CIOs bekommen.
Im Vorteil sind Firmen, die sich mutig an hippen, schnellen Unternehmen aus dem Ausland ausrichten, Google, Apple, Tesla und Co. Die prägen eine ganz andere Mentalität, Mitarbeiterkultur und Führung als beispielsweise viele Unternehmen des deutschen Mittelstands.
Gibt es für Sie als Personalberater überhaupt die richtigen CIOs in Deutschland oder rekrutieren Sie eher im Ausland?
Kaan Bludau: Wir müssen auch im Ausland suchen. Dort gibt es CIOs, die sind kulturell oft noch einmal ganz anders geprägt. Die legen teilweise auch ein ganz anderes Tempo vor. Wir dürfen uns nichts vormachen: Deutschland ist in der Digitalisierung ganz weit hinten dran. Alles, was KI betrifft, suchen wir gar nicht erst hierzulande. Die guten Leute sitzen im Ausland.
Lassen Sie uns über die Biographien von CIOs reden. Sie bekommen jede Menge Lebensläufe zu sehen. Welche Muster erkennen Sie da? Kann zum Beispiel ein Software-Entwickler CIO werden?
Kaan Bludau: Theoretisch ja, aber die Frage ist, wie ausgereift die jeweilige Persönlichkeit ist. Wird sie auch weiterführende Aufgaben übernehmen? Es gibt nur wenige Technik-Nerds, die in solch eine Management-Aufgabe hineinwachsen können und wollen, aber es gibt sie. Wo Menschen viele Jahre in der Softwareentwicklung gearbeitet haben, sind die Charaktere entsprechend geprägt. Die haben oft keine Management-Skills entwickelt und ihrer Persönlichkeit auch nicht den Schliff gegeben, der nötig wäre, um im Board anzukommen. Erfolgversprechender ist es da schon, wenn sich ein BWLer oder Volkswirtschaftler aus persönlichem Interesse in Richtung IT weiterentwickelt. Das ist eine Superkombination.
Wie steht es um Wirtschaftsinformatiker?
Kaan Bludau: Auch gut, aber je technischer das Interesse in jungen Jahren war, desto eher ist das für mich ein Indikator dafür, dass ich das Nerdige besonders sorgfältig abprüfen muss.