Preis- und Wettbewerbsstrategie

So profitiert der Mittelstand von Digital Analytics & KI

11.05.2023
Von   IDG ExpertenNetzwerk und
Jan Rodig leitet das Kompetenzfeld Digital Performance & Analytics bei der Unternehmensberatung Struktur Management Partner. Er ist Experte für die Konzeption und Umsetzung von Digitalstrategien, für digitale Geschäftsmodelle und Digitalorganisationen. Herr Rodig ist Co-Autor mehrerer IoT-Fachbücher, Mitglied der BMWi-Initiative Plattform Industrie 4.0 und war bis 2019 CEO eines von ihm mitgegründeten IoT-Softwaredienstleisters.
Von Haus aus gelernter Volkswirt und Mathematiker, verantwortet Janis Steinfort das Analytics Lab von Struktur Management Partner. Neben der Beratung des deutschen Mittelstands vermittelt er Praxiswissen als Dozent an der Frankfurt School of Finance and Management.

Datengestützte Prozessdigitalisierung

Oft wird von komplett digitalisierten Fabriken geredet, als wären diese schon längst Realität. Doch tatsächlich sind wir von flächendeckender autonomer Wertschöpfung – also Smart Factory und automatisierten Overhead-Prozessen in der (mittelständischen) Industrie noch viele Jahre entfernt.

Lesetipp: Was Sie zum Thema Smart Factory wissen müssen

Kurzfristig erfolgversprechend, jedoch oftmals unterschätzt, sind punktuelle Initiativen zur Prozessdigitalisierung. Häufig scheitert die Hebung dieser Potenziale jedoch noch am Fehlen einer gut strukturierten, sauberen Datenbasis. Um diese zu schaffen, helfen Data Governance-Richtlinien. Ein absoluter Quick-Win ist in diesem Zusammenhang die Einführung von klaren Datenqualitätskriterien – beispielsweise niedergeschrieben in der Zielvereinbarung für Führungskräfte.

Folgende Kriterien an erhobene Daten sind empfehlenswert:

  • Vollständigkeit

  • Eindeutigkeit

  • Korrektheit

  • Aktualität

  • Genauigkeit

  • Konsistenz

  • Redundanzfreiheit

  • Relevanz

  • Einheitlichkeit

  • Zuverlässigkeit

  • Verständlichkeit

Sind diese Qualitätskriterien gegeben, sind automatisierte Rechnungseingangsprüfungen, digitale Freigabeprozesse oder ein einfacher Workflow für den Versand des Monatsberichts nur noch Formsache.

Tipp: Oftmals hilft dabei schon der Blick in die Microsoft 365 Suite. Mit Power Automate lassen sich einfache Workstreams schnell automatisieren. Für Unternehmen, die ohnehin die Microsoft 365 Suite nutzen, ist Power Automate kostenfrei. Allerdings: Eine gute Datenstruktur ist die Voraussetzung.

Automatisierter, dynamischer Wettbewerbsvergleich

"Best in class" und "Benchmarking" sind Buzzwords, die im Top-Management vermutlich niemals aus der Mode kommen. Doch oft ist die konkrete Umsetzung solcher Vorhaben sehr herausfordernd. Auch wenn es in der Praxis unzählige Benchmarks gibt, helfen sie selten bei der optimierten Steuerung eines Unternehmens. Man spricht in diesem Kontext auch von Value Benchmarking.

Die Grundlage von Value Benchmarking sind Daten – viele Daten. Und es gilt, Wettbewerbsdaten, Studien und öffentlich verfügbare Daten in eine Form zu bringen, die Rückschlüsse auf das eigene Unternehmen zulässt. Fokussiert auf wenige KPIs lässt sich einfach und schnell ein Frühwarnsystem implementieren, das eine schnelle Indikation liefert, ob das Unternehmen noch auf dem richtigen Weg ist.

Tipp: Idealerweise analysiert ein Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette mit Hilfe von Benchmarks und sucht gemeinsam mit Lieferanten und Kunden datengetrieben nach Potenzialen. Das ist oft der Anfang eines für alle Seiten zielführenden Prozesses der kontinuierlichen Daten-Teilung. Es lohnt sich also regelmäßig und systematisch mit Lieferanten und Kunden zu sprechen.

Darkweb Monitoring

Laut einer Bitkom-Studie sehen 45 Prozent der deutschen Unternehmen ihre geschäftliche Existenz durch Cyberangriffe bedroht. Mehr als jedes dritte Unternehmen gab an, dass ihm bereits sensible Daten gestohlen wurden und mehr als jedes vierte Unternehmen wurde bereits Opfer digitaler Sabotage.

Eine relativ unaufwändige Möglichkeit, solche Cyberattacken zu erkennen, bevor sie stattfinden, ist das sogenannte Darkweb Monitoring. Dabei prüfen spezielle Tools, ob im Darknet aktuelle Informationen zum eigenen Unternehmen kursieren, beziehungsweise gehandelt werden. Oft existieren solche Angebote bereits Wochen vor einem Cyberangriff – genug Zeit, um wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ein systematisches Monitoring solcher Signale kann helfen, wochenlange Systemausfälle oder hohe Lösegeldzahlungen an digitale Erpresser zu vermeiden.

Lesetipp: Darkweb-Zugang - Insights aus dem Untergrund

Tipp: Auch ohne gesperrte Systeme oder entwendete Geschäftsgeheimnisse können die Schäden durch Cyberangriffe enorm sein – beispielsweise durch die Veröffentlichung vertraulicher, unternehmensinterner Daten. Der Aufwand für ein Darkweb Monitoring fällt gegenüber diesen signifikanten Risiken kaum ins Gewicht.

Wettbewerbsfähiger mit ganzheitlicher Transformation

Die in diesem Beitrag vorgestellten Use Cases können helfen kurzfristig Kosten zu sparen, Erlöse zu steigern und bessere Entscheidungen zu treffen. Doch der Effekt aus der Implementierung einzelner punktueller Digital Analytics- oder KI-Maßnahmen ist nur gering im Vergleich zur Transformation eines Unternehmens hin zu einer datengetriebenen Organisation.

Bei einer solchen nachhaltigen Weiterentwicklung des Geschäftsmodells entstehen Daten nicht nur als "Abfallprodukte", sondern sind ein zentrales Element zur Steuerung und Wertgenerierung. Für eine derartige Transformation, die erfahrungsgemäß viele Jahre dauert, haben sich folgende fünf Schritte bewährt:

  1. Datenstrategie entwickeln: Wertorientiert und eng verzahnt mit der Digital- sowie Geschäftsstrategie - mit klarer Zuständigkeit im Top-Management (kein IT-Projekt).

  2. Organisationsdesign anpassen: Neue Stellenprofile entwickeln, bestehende Stellenprofile um Datenkompetenz ergänzen und Operating Model entsprechend weiterentwickeln.

  3. Technologische Voraussetzungen schaffen: Datenbanken, BI-Software, etc. auswählen und implementieren.

  4. Momentum aufbauen: Erste Anwendungen für "Quick wins" etablieren, um sichtbare Erfolge zu schaffen und die Basis der Promotoren sukzessive zu erweitern.

  5. Skalieren: Strukturen Schritt für Schritt weiterentwickeln und professionalisieren und dabei Freiraum zum Experimentieren lassen. Zwanglose Formate wie beispielsweise Hackathons können wahre Innovationskatalysatoren sein.

Digital Analytics und Künstliche Intelligenz können schnell und wirksam greifbare Verbesserungen in mittelständischen Unternehmen bewirken. Digital führende Unternehmen gehen bereits heute weit über solche punktuellen Implementierungen hinaus und arbeiten an der ganzheitlichen Transformation zur datengetriebenen Organisation. Ihre signifikant gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit wird in den nächsten Jahren zunehmend Druck auf alle anderen Unternehmen ausüben. (bw)