Change-Expertinnen

So funktioniert User Adoption

02.07.2021
Von 
Petra Lautertal ist freie Autorin in Ulm.
Ob virtuelle Zusammenarbeit gelingt, ist auch eine Frage des Change Managements. Drei Frauen begleiten Menschen auf ihrem Weg in die digitale Arbeitswelt.
Drei für den digitalen Wandel: Alina Meyerdierks, Eloise Schüller und Mareike Theobald (von links) sind beim IT-Dienstleister BTC als Change-Managerinnen unterwegs. Bei der Einführung digitaler Tools sind sie vielfach mit Sorgen und Vorbehalten konfrontiert.
Drei für den digitalen Wandel: Alina Meyerdierks, Eloise Schüller und Mareike Theobald (von links) sind beim IT-Dienstleister BTC als Change-Managerinnen unterwegs. Bei der Einführung digitaler Tools sind sie vielfach mit Sorgen und Vorbehalten konfrontiert.
Foto: BTC

Mit Beginn der COVID-19-Pandemie und dem Umzug ins Homeoffice wurde Microsoft Teams zum zentralen Kommunikationskanal in vielen Unternehmen. Ob als Tool für Video-Meetings oder als gemeinsamer Ort, um Dokumente in der Cloud zu speichern und gleichzeitig zu bearbeiten, Teams war für viele ein wichtiger Schritt in Richtung digitale Zusammenarbeit.

Doch mitunter regt sich Widerspruch, so Mareike Theobald, Change-Beraterin beim IT-Dienstleister BTC: "IT-Einführungen und insbesondere Cloud­-basierende Dienste stoßen regelmäßig auf Abneigung, wenn Anwender nicht ausreichend an eine Veränderung herangeführt werden." Microsoft 365 ist in den Augen der Wirtschaftswissenschaftlerin "ein Change-Produkt", nur 30 Prozent fallen in den Bereich Technik, der Rest sind kulturelle Änderungen, etwa für die Collaboration, mit denen die User klarkommen müssen.

Alina Meyerdierks spürt als User-Adoption-Spezialistin Vorurteile oder Bedenken bei Einführungen von Microsoft 365 auf: "Die Bedenken gelten oft der hohen Transparenz, die kollaborative Werkzeuge mit sich bringen." Die studierte Psychologin mit Schwerpunkt Organisationsentwicklung nimmt diese Vorbehalte ernst. Im Vordergrund ihrer Arbeit steht die persönliche Betroffenheit, die bei jedem Menschen anders aussehen kann. "Dass ich keine Informatikerin bin, tut meinen IT-Projekten in der Regel gut", schmunzelt die Beraterin. "Genau diese erste Irritation bricht bei den Auftraggebern oft das Eis."

Wer in Unternehmen den digitalen Wandel begleitet, muss nicht Informatik studiert haben, das bestätigt auch die Arbeits- und Organisationspsychologin Eloise Schüller: "Als Change-Managerinnen müssen wir verstehen, wie die Welt unserer Kunden tickt. Empathie ist hier die wichtigste Kompetenz."

Blockade am Anfang

Am Anfang jeder Einführung stehen Sorgen oder Blockaden: Dem Versprechen von "mehr Effizienz" durch das neue Tool folgt oft die Frage: Bin ich nun überflüssig? Andere werden beim Schlagwort "modern" hellhörig und zweifeln, ob sie die künftige Aufgabe überhaupt bewältigen können. Immer wieder stoßen die Expertinnen auch auf Unternehmen, die die historische Last eines gescheiterten Projekts mit sich schleppen. Auch Führungskräfte befinden sich unter den Skeptikern: Wer plötzlich Wissen teilen soll oder sein Team nur mehr im fernen Homeoffice wähnt, fürchtet Kontroll- und Machtverlust.

"Solange wir als Individuen nicht erkannt haben, welche Probleme eine Software für uns löst beziehungsweise welche Erleichterung sie für unsere Aufgaben bringt, werden wir zuerst mal skeptisch sein", so Meyerdierks. Das sei eine nachvollziehbare Reaktion, führe jedoch ohne Begleitung zu einem fatalen Teufelskreis, wie alle drei Change-Spezialistinnen berichten. Mangelnde Kenntnis hat eine geringere oder ineffektivere Softwarenutzung zur Folge; dadurch sinkt die Erlebnisqualität und bleibt der Aha-Moment aus, bis die Veränderung schließlich komplett abgelehnt wird.

User Adoption ist ein elementarer Faktor, um Anwender für eine neue Software zu begeistern. Denn solange Individuen nicht erkannt haben, welche Probleme eine Software für sie löst und welche Erleichterung sie für ihre Aufgaben bringt, werden sie skeptisch sein.
User Adoption ist ein elementarer Faktor, um Anwender für eine neue Software zu begeistern. Denn solange Individuen nicht erkannt haben, welche Probleme eine Software für sie löst und welche Erleichterung sie für ihre Aufgaben bringt, werden sie skeptisch sein.
Foto: fotogestoeber - shutterstock.com

Dieses Risiko verpuffter Chancen einer IT-Einführung ist nichts Neues, wie Nicolas Lange von BTC berichtet. Als er in einem seiner ersten Jobs für IBM Change-Projekte umsetzte, nahmen diese noch sehr viel Zeit in Anspruch: "Da gab es Wechselprojekte mit drei bis fünf Jahren Laufzeit. Die Planung wurde sogar bis auf den einzelnen Wochentag heruntergebrochen." Heute werden die meisten Änderungen in Unternehmen nicht mehr durch eine geplante Umstrukturierung der Organisation ausgelöst, sondern durch Technologie, bekräftigt Lange. Oft veränderten sich hierdurch Aufgaben einzelner, doch "Arbeitsplätze verschwinden selten, nur die Rollen ändern sich!", so Langes Erfahrung.

Bleibt die Frage, wann eine Einführung funktioniert? "Das ist jedes Mal anders", sagt Theobald. "Sobald wir in Vorgesprächen mit dem IT-Team - das sind meist unsere Auftraggeber - erste Eindrücke gewonnen haben, entwickeln wir gemeinsam eine Idee, wie wir vorgehen." Die Change-Teams arbeiten dabei immer mit der Kommunikationsabteilung zusammen, manchmal auch mit erfahrenen Trainern im Unternehmen.

Botschafter für neue Technik

Eine wichtige Stütze sind die Multiplikatoren, die als Botschafter für die neue Technik unterwegs sind. "Darunter sollten sich unbedingt auch Zweifler finden", ist Schüller überzeugt. Denn diese legen den Fokus auf sonst verborgene Schwachstellen der Organisation. Schüller, die auch im fachlichen Presales arbeitet, entscheidet maßgeblich, welche Kollegin am besten zu einem neuen Kunden passt. Manchmal harmoniert die ruhigere gelassene Art einer Kollegin besser mit der Arbeitsweise eines Betriebs, manchmal ist die quirlige Change­Expertin diejenige, der Fragen, Sorgen, Neugierde oder Offenheit "nur so zufliegen".

Bisweilen sind die Change-Spezialistinnen mit Herausforderungen konfrontiert, die nicht nur mit der Technik zusammenhängen. Schüller erinnert sich an einen Workshop, bei dem plötzlich die Unzufriedenheit mit den Chefs aus den Teilnehmern herausbrach. "In dem Moment war es nicht möglich, am Konzept festzuhalten", berichtet Schüller. Doch was tun? Sie stellte die Gegenfrage: "Was würden Sie sich für die Zusammenarbeit wünschen?" Am Ende ließ sich der angestaute Frust in konstruktive Energie für die neuen Herausforderungen umwandeln.

Ihre erfolgreichen Einführungsprojekte geben den User Adoption Specialists recht: User Adoption und Change Management sind ein zentraler Schlüssel, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die digitale Zukunft des Arbeitens zu führen. (pg)