Grundlegende Entscheidungen in der ERP-Auswahl
Ähnliche Zusammenhänge wie bei den Themen Flexibilität und Funktionsumfang finden sich in den anderen aufgezählten Entscheidungsdimensionen.
-
Ergonomie/Benutzerführung vs. Funktionsumfang: Neueste ergonomische Konzepte zur Benutzerführung sind in älteren Systemen gegebenenfalls noch nicht umgesetzt.
-
Typ der Standardsoftware: Generalist vs. Spezialist. Spezialisierte Software ist meist schlanker und zeichnet sich in der Regel durch geringere inhärente Komplexität aus. Sie bietet damit die Möglichkeit, Aufwand und Kosten der Implementierung gering zu halten. Die Ausbaufähigkeit der Lösung über zusätzliche Module, wie bei den größeren Softwarepaketen ist aber deutlich eingeschränkt.
-
Globaler Player vs. Nischenanbieter: Hoch spezialisierte Anbieter können aufgrund des kleineren zu betreuenden Kundenstamms eine persönlichere Betreuung anbieten und glänzen darüber hinaus nicht selten mit umfangreicher Kenntnis der speziellen Anforderungen einer Branche oder eines Fachbereichs. Auf der anderen Seite sind ihre Möglichkeiten eingeschränkt, internationale Projekte zu bedienen. Oder sie bieten nicht dieselbe Sicherheit gegen einen Herstellerausfall wie die großen, globalen Softwarekonzerne.
Wie aber sollen die Entscheider in mittelständischen Unternehmen mit der Erkenntnis umgehen, dass sie mit dem Risiko von Trade-Offs leben müssen, die abzuwägenden Anforderungskriterien nicht immer gut zu operationalisieren sind, und sich der Markt ausgesprochen unübersichtlich darstellt?
- Täuschung und Betrug der Kunden
Falsche Präsentationen und versteckte Kosten: Clevere Hersteller tun alles, um den Anwendern das Geld aus der Tasche zu ziehen. - 1. Viel versprechen, wenig halten:
Man glaubt es kaum, aber oft reicht eine imposante Sammlung von nichtssagenden Power-Point-Folien aus, um einem Unternehmen ein neues Software-Paket aufzuschwatzen. - 2. Erst unterbieten, dann übertreiben:
Hersteller von Unternehmens-Software bieten den Kunden extrem verlockende Preise an - aber nur, um ihre Verluste später durch überhöhte Gebühren wieder reinzuholen, sobald der Vertrag in trockenen Tüchern ist. - 3. Den Kunden im Schwitzkasten:
Sobald die Hersteller ihre Kunden in der Mangel haben, lassen sie sie so schnell nicht wieder los - selbst wenn das einen Tabubruch bedeutet. - 4. Die fehlerhafte Rechnung:
Manchmal kostet nicht das, was Sie gekauft haben, sondern das, was Sie nicht gekauft haben und trotzdem in Rechnung gestellt bekommen. - 5. Zum Update gezwungen:
Aus geschätzten Kunden eierlegende Wollmichsäue zu machen, ist eine Kunst für sich, die häufig durch Updatezwang in die Tat umgesetzt wird. - 6. Der ahnungslose Kunde:
Zugegeben, für ahnungslose Kunden können die Hersteller oft nichts. Wenn Anwender zu viel Vertrauen in die Unternehmen stecken und zu wenig ihren eigenen Verstand bemühen, kommen viele IT-Projekte zu Fall.
Im Wesentlichen müssen sie den bewährten Ansatz einer systematischen, stufenweisen Vorgehensweise zur Auswahl eines geeigneten ERP-Systems mit flankierenden Maßnahmen begleiten. Dazu zählen:
-
Frühzeitiges Ausloten der Auswirkung von strategischen Vorgaben auf die beschriebenen Entscheidungsdimensionen. (Ziel: Wesentliche Entscheidungsträger informieren und für Trade-Off-Entscheidungen sensibilisieren.)
-
Prüfen der erarbeiteten Zielsetzungen und K.o.-Kriterien auf Unverträglichkeit und Abstimmen der Prioritäten.
-
Marktrecherche auf möglichst breiter Basis starten, damit der vorhandene Angebots- und Auswahlspielraum auch genutzt werden kann.
-
Abstimmen einer Vorgehensweise zur Bewertung von schwer operationalisierbaren Ausprägungen (z.B. Demonstration und Test oder Gespräche mit Referenzkunden)
-
Erhalten von Rückfalloptionen (zum Beispiel nachträgliches Erweitern des Favoritenkreises)
In Summe fordern die Maßnahmen der Projektleitung einiges ab, da viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist und zusätzliche Planungs- und Abstimmungsumfänge einbezogen und abgearbeitet werden müssen. Vor dem Hintergrund des beträchtlichen Investitionsrisikos und der Tragweite der Auswahlentscheidung lohnen sich aber eine gezielte Vorgehensweise sowie der Aufwand. (pg)