Business-Process-Management

Siemens BKK integriert IT-Inseln

04.12.2008
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.

Einheitliche Sicht auf die Daten

Richtig ernst wurde es Anfang 2006, als die Krankenkasse das Projekt "Integrierte Kundenbetreuung" aufsetzte. Die mehr als 600 Mitarbeiter in der Beratung sollten im persönlichen Kontakt umfassend und aktuell über die rund 720 000 bei der SBK versicherten Personen informiert sein. Das Management wollte zudem die Aufgabenverteilung besser steuern und damit das Personal effektiver einsetzen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, musste die IT-Abteilung die bislang in unterschiedlichen Systemen gehaltenen Daten zu einer Sicht zusammenführen. "Bis dahin gab es nur Insellösungen mit Import- und Export-Schnittstellen", erinnert sich IT-Leiter Ralf Bayer. "Es war bald klar, dass nur Web-Services uns in die Lage versetzen würden, eine integrierende Schicht über die heterogene Landschaft zu legen."

In der ersten Stufe fasste die SBK den Zugriff auf die unterschiedlichen Backend-Systeme in einer Integrationsschicht zusammen. Im nächsten Schritt wurde eine Orchestrierungsebene hinzugefügt.
In der ersten Stufe fasste die SBK den Zugriff auf die unterschiedlichen Backend-Systeme in einer Integrationsschicht zusammen. Im nächsten Schritt wurde eine Orchestrierungsebene hinzugefügt.

Für das ambitionierte Vorhaben holte die SBK den Bonner Dienstleister Tarent ins Boot. Im Januar 2007 begann das Projekt "Vorgangssteuerung". Mit Hilfe der Business Process Execution Language (BPEL) sollten sich Web-Services zu kompletten Verwaltungsprozessen verknüpfen lassen. In einem Pilotprojekt für ein umfassendes Business Process Management (BPM) startete das Team zunächst mit der Modellierung von Prozessen. Immerhin hatte die SBK-IT schon Erfahrungen mit ereignisgesteuerten Prozessketten (EPKs), aus dem BPM-System "Aris" von IDS Scheer. Deren Notationen ließen sich später in BPEL übersetzen.

Gleichwohl lief das BPM-Vorhaben ganz anders als bisherige Softwareprojekte. "Nie zuvor wurde im Unternehmen so viel in die Prozessmodellierung investiert, um zu allgemeinen Funktionsgruppen zu kommen", erinnert sich SBK-Projektleiter Christian Ullrich. Zwar glaube jede Unternehmensabteilung, völlig eigene Prozesse zu haben. Doch auch diese ließen sich bei genauerer Analyse in Abschnitte zerlegen, die wiederum in Prozessen anderer Bereiche wiederverwendet werden könnten. "Die Kunst besteht darin, einen Moderator zwischen den Fachabteilungen und der IT zu finden", ergänzt IT-Chef Bayer: "Er muss aus der Perspektive der Fachabteilungen die Prozesse und ihre Business-Logik kennen. Gleichzeitig sollte er die technische Sicht mitbringen, um herauszuarbeiten, wo die Prozesse funktionale Elemente haben, die sich andernorts wiederfinden. Genau die sind die Ansätze für Services."

Damit war es aber nicht getan. Das BPM-Projekt war auch als Fundament für eine Service-orientierte Architektur (SOA) bei der SBK angelegt. Es sollte damit zum integralen Teil der Unternehmens-IT werden. Daher musste das entstehende System für Änderungen der Business-Orientierung ebenso offen sein wie für völlig neue Prozesse. Dafür bedurfte es eines flexiblen Service-Frameworks. Dabei galt es, nicht nur die Granularität der Prozesse richtig zu definieren, sondern diese auch mit Hilfe von Web-Services technisch zu implementieren. Zu diesem Zweck nutzt die SBK die quelloffene Prozess-Engine "Active BPEL Community Edition Engine" von Active VOS. Das Kürzel steht für Visual Orchestration System. "Proprietäre Fallen und Hersteller-Lock-ins können in allen Softwareprodukten versteckt sein", erläutert Dirk Renneberg, Projektleiter auf Seiten von Tarent. "Nur in einer Open-Source-Lösung haben Anwenderunternehmen die Chance, diese zu identifizieren und zu umgehen."