CW: Bewerbungsanschreiben kann man manchmal nur mit Portion Humor ertragen. Worin liegt es, dass Menschen so schief und verdrechselt schreiben?
WINKLER: Wenn Leute als Treffpunkt für ein erstes Date ein Restaurant vereinbart haben, werden sie dort womöglich mit roten Backen und durchgedrücktem Rücken sitzen, die Ellbogen dicht am Körper halten, sich auch sonst um Haltung bemühen und insgesamt so steif wirken, dass es sie selber schmerzt. Aufs schriftliche Bewerben übertragen: Manche benehmen sich so, als ob sie beim Blind Date auf einmal eine Hummerzange erhalten und ein knopfäugiges, die langen Tentakel ausstreckendes Panzertier zu knacken haben. Ob auf Jobschau, ob auf Brautschau: Es ist viel wichtiger, die Distanz zu überbrücken und Vertrauen zu gewinnen, als um jeden Preis formal korrekt zu handeln.
CW: Gibt es Branchen, in denen die Stilblüten besonders wild ins Kraut schießen? Schreiben also etwa Techniker/Ingenieure besonders ungelenk und unfreiwillig komisch?
WINKLER: Je geringer der Bezug zur Unternehmenswirklichkeit oder zu einer beruflichen Praxis, desto verwegener die Argumentation: "Diese für meine geisteswissenschaftlich geschulte Denkweise neuen Arbeitsfelder finde ich sehr spannend. Sie stellen für mich eine neue Herausforderung dar, und Herausforderungen sind das, wonach ich immer wieder suche." Ingenieure, Naturwissenschaftler, Mediziner, IT-Fachleute formulieren in der Regel bündig und geradlinig. Gelegentlich gibt es auch dort den Hang zur Belehrung: "Der Transfer von Wissen zur Nutzung der technischen Systeme sollte einen ebenbürtigen Stellenwert in der IT-Dienstleistung haben." Jobanbieter wollen weder belehrt noch beschmust werden, sondern instruiert und informiert. Die Macher halten sich daran. Die Sprüchemacher halten sich an das, was sie am besten können.
CW: Welches ist Ihre Lieblingsstilblüte?