Neues S/4HANA-Release

SAPs Cloud-Software erreicht funktional ECC

13.10.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Anwender wollen On-premises - SAP die Cloud

Doch das RISE-Angebot ist in den vergangenen beiden Jahren von den SAP-Kunden kaum angenommen worden. Wie aktuelle DSAG-Zahlen zeigen, wollen die meisten Unternehmen ihr SAP-System im eigenen oder einem gemanagten Rechenzentrum betreiben - entweder selbst oder von einem Partner.

SAP-Chef Christian Klein hat zuletzt allerdings deutlich klar gemacht, dass für SAP-Kunden kein Weg mehr an der Cloud vorbeiführt. Man habe vor drei Jahren begonnen, den Softwarekonzern neu aufzustellen und dafür einen enormen Aufwand betrieben. Deshalb könne der eingeschlagene Cloud-Kurs nicht zur Diskussion stehen.

Für SAPs CEO Christian Klein ist die Marschrichtung klar - es geht in die Cloud.
Für SAPs CEO Christian Klein ist die Marschrichtung klar - es geht in die Cloud.
Foto: SAP SE

Mittlerweile erhöht SAP denn auch den Druck auf seine Kunden. Mitte des Jahres hatte der Softwarekonzern angekündigt, Innovationen im Umfeld von KI oder Nachhaltigkeitsmanagement nur noch in der Cloud und ebenfalls nur noch für Kunden mit einem RISE- oder GROW-Vertrag anzubieten. Jetzt stellte SAP mit Premium Plus ein weiteres RISE-Paket vor. Die Anwender erhalten damit mehr Tools zur Entscheidungsunterstützung sowie KI zum Optimieren ihrer Geschäftsprozesse, sagt SAP-Manager van Rossum.

Im Einzelnen beinhaltet das Premium-Plus-Paket folgende Funktionen:

  • Mehr Transparenz über Nachhaltigkeitsdaten: Informationen über CO2-Emissionen lassen sich laut SAP über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg berechnen und austauschen. Kunden seien damit in der Lage, den sich rasch ändernden Vorgaben bei der ESG-Berichterstattung zu folgen.

  • KI-Funktionen für ERP-Systeme: SAP will seinen kürzlich angekündigten KI-Assistent Joule über Premium Plus verfügbar machen. Der Bot durchsucht Daten aus unterschiedlichen Systemen und stellt sie in einen Zusammenhang, um intelligentere Erkenntnisse zu gewinnen, verspricht der Hersteller.

  • Entscheidungsfindung für Finanzverantwortliche: Die in Premium Plus enthaltenen Lösungen sollen helfen, Planungsabläufe zu straffen, das Rechnungsmanagement sowie die Inkassoprozesse zu verbessern und präzisere Prognosen zu treffen.

  • Vernetztes ERP: Anwender könnten ein Lieferantenportal bauen, das die Ausgabenverwaltung vereinfacht, eine enge Zusammenarbeit mit dem Lieferantennetz ermöglicht und Beschaffungs- und Rechnungstransaktionen automatisiert.

Mit diesen Funktionen hofft SAP seine Kunden in Richtung Cloud zu locken. Doch für den Konzern geht es noch um etwas anderes. SAP-Mann Gilg lässt durchblicken, dass mit den aufgesetzten und von SAP begleiteten Migrationsprogrammen Fehler vermieden werden sollen. Der Manager räumt ein, dass S/4HANA-Umstiege durchaus komplex werden könnten. Egal ob On-premises oder als Hosting beziehungsweise Managed Service - gerade wenn es um die Feineinstellungen der Systeme oder die Anbindung zusätzlicher Dienste oder Services gehe, könnten Probleme auftreten. Oft werde dann der Hersteller verantwortlich gemacht.

Hilfestellung oder Bevormundung?

Mit Programmen wie RISE oder GROW will SAP dagegenhalten und die Migrationsprojekte mit entsprechenden Services in sichere Bahnen lenken. Doch der Grat zwischen Hilfestellung und Bevormundung ist schmal. Gerade erst betonte DSAG-Chef Hungershausen auf dem Jahreskongress 2023, jedes Unternehmen müsse die Freiheit haben selbst zu entscheiden, wann es welchen Weg einschlage. SAP-Kunden beschäftigten sich sehr wohl mit der Cloud, doch Druck seitens der Anbieter würden sie nicht akzeptieren. "Eine Cloud-first-Strategie von SAP ist durchaus nachvollziehbar", so Hungershausen, "eine Cloud-only-Strategie ist aber keine Option".

Cloud-first ja, Cloud-only nein, so lautet die klare Botschaft des DSAG Vorstandsvorsitzenden Jens Hungershausen an SAP.
Cloud-first ja, Cloud-only nein, so lautet die klare Botschaft des DSAG Vorstandsvorsitzenden Jens Hungershausen an SAP.
Foto: DSAG

Auf SAP dürften also noch etliche Diskussionen zukommen, auch was die Kosten anbelangt. Neben dem Ärger um von Innovationen abgeschnittene On-Premises-Kunden, kritisieren die Anwender auch die massiven Preiserhöhungen für SAPs Cloud-Lösungen und die Wartung alter Systeme. SAP-Manager Gilg versucht abzuwiegeln. Von einem im Vorfeld vielfach kolportierten pauschalen 30-prozentigen Aufschlag für das Premium-Plus-Paket von RISE könne keine Rede sein. Zwar hätten die zusätzlichen Funktionen ihren Preis. Dies werde jedoch transparent abgerechnet, beispielsweise verbrauchsabhängig nach Capacity Units für KI-Use-Cases. Ob das die Anwender zufriedenstellt, die seit vielen Jahren die aus ihrer Sicht zu komplexen Lizenzmodelle von SAP monieren und eine Vereinfachung der Metriken fordern, ist fraglich.

Weg vom ERP-Monolithen, hin zu modularen und agilen Systemen

Es bleibt also weiter unklar, ob und wie schnell SAP-Anwender den Weg in die neue ERP-Welt gehen. Weg von schwerfälligen, aber vorintegrierten Monolithen und hin zu modularen Systemen, die sich die Kunden selbst auf Basis der BTP-Plattform aus verschiedenen Services zusammenstellen können - das erscheint vielen als weiter Weg, bei dem nicht sicher ist, dass er sich lohnt.

50 Jahre SAP: Der Softwarekonzern steht am Scheideweg

Die Diskussion erinnert an die Debatten rund um Service-orientierte Architekturen (SOA) vor zwei Jahrzehnten - SAP sprach von der Enterprise Services Architecture (ESA). In der Namengebung sei SAP schon in der Vergangenheit kreativ gewesen, erinnert sich Gilg mit einem Schmunzeln. Damals sei die Argumentation sehr technisch getrieben gewesen. Ein Fehler, wie SAPs Cloud-Verantwortlicher einräumt. Heute will SAP den Business-Mehrwert herausarbeiten, der sich mit Hilfe der neuen Lösungen erzielen lasse. Bleibt abzuwarten, ob die Kunden SAPs Rechnungen folgen können.