TechEd 2019

SAP bringt Business Technology Platform heraus

14.10.2019
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
SAP positioniert die Business Technology Platform als neue Schaltzentrale in seinem Softwarekosmos. Anwender sollen damit Anwendungen und Daten besser integrieren können. Das gelte für Cloud und On-Premise-Plattformen wie auch für Systeme von Drittanbietern, verspricht das SAP-Management.

"Unsere Business Technology Platform verknüpft SAP HANA und Analytics-Funktionen enger mit der SAP Cloud Platform, so dass Anwender schnellere, fundiertere Entscheidungen treffen können", sagte SAPs Chief Technology Officer (CTO) Jürgen Müller anlässlich der Eröffnung der TechEd-Konferenz in Barcelona. Im Rahmen der TechEd-Trilogie, die im September in Las Vegas gestartet war, vom 8. bis 10. Oktober in der katalanischen Metropole gastierte und im November im indischen Bangalore enden soll, skizziert der deutsche Softwarehersteller die Leitlinien seiner Technikstrategie und wie sich das eigene Produktportfolio weiterentwickeln soll.

Jürgen Müller, CTO und Vorstand bei SAP, erläuterte auf der TechEd 2019 in Barcelona die neue Plattformstrategie des Softwarekonzerns.
Jürgen Müller, CTO und Vorstand bei SAP, erläuterte auf der TechEd 2019 in Barcelona die neue Plattformstrategie des Softwarekonzerns.
Foto: SAP SE

Laut Müller geht es dabei nicht darum, Revolutionen zu forcieren und das eigene Portfolio umzukrempeln. Vielmehr stünden derzeit inkrementelle Verbesserungen auf der Hausaufgabenliste SAPs, die aber große Auswirkungen auf das Geschäft der Kunden haben könnten. Der CTO bekräftigte den Anspruch SAPs, die Prozesse seiner Kunden besser zu machen - End-to-End und auch unter Einbeziehung von Third-Party-Lösungen.

Das Fundament dafür soll die Business Technology Platform bilden. Diese gewährleistet Müller zufolge ein hohes Maß an Offenheit und Flexibilität, durch vorkonfigurierte Integration sowie einen modularen Aufbau. Darüber hinaus lasse sich die Plattform über verschiedene Deployment-Modelle hinweg aufspannen - Cloud-, On-Premise- sowie Hybrid-Landschaften.

Ein Stack - eine Architektur

SAP führt damit seinen technologischen Unterbau in einem "Stack" mit einer einzigen Referenzarchitektur zusammen. Innerhalb dieses Stacks sind verschiedene Aspekte wie Datenbank- und Datenmanagement, Anwendungsentwicklung und -integration, Analytik sowie intelligente Technologien und Services miteinander verknüpft und aufeinander abgestimmt.

Erst mit der Verbindung von operativen Daten (O) mit Experience-Daten (X) sei das "Intelligent Enterprise" möglich, so die Prämisse der SAP.
Erst mit der Verbindung von operativen Daten (O) mit Experience-Daten (X) sei das "Intelligent Enterprise" möglich, so die Prämisse der SAP.
Foto: SAP SE

Anwender sollen auf dieser Basis ihre Systeme erweitern und ihre Systemlandschaft integrieren sowie neue Anwendungen entwickeln können. Müller zufolge können Anwenderunternehmen aus den verschiedenen Modulen die jeweils benötigten Bausteine für ihre Infrastruktur auswählen.

Neue Datenservices aus der Cloud

Zu den neuen Services, die SAP in Barcelona vorgestellt hat, gehört die "SAP Data Warehouse Cloud". Sie ist als Self-Service-Lösung konzipiert und soll es Anwendern erlauben, sämtliche Geschäftsdaten einfach und schnell miteinander zu verknüpfen. Die Data Warehouse Cloud lässt sich entweder als eigenständige Lösung oder als Erweiterung zu einer bereits on-premise vorhandenen Business-Warehouse-Lösung SAP BW/4HANA oder zu SAP HANA nutzen, skizziert der Hersteller die Einsatzszenarien. Aktuell hätten sich bereits mehr als 2000 Kunden für das das Beta-Programm registriert. Die Lösung soll ab dem vierten Quartal 2019 allgemein verfügbar sein.

Lesen Sie mehr über SAP:

SAP verabschiedet sich damit von althergebrachten Paradigmen in Sachen Datenhaltung. Das Data Warehouse als zentrale Instanz, in der Unternehmen sämtliche Datenbestände zusammenführen, hat demnach ausgedient. "Dezentrale Datenhaltung ist die Zukunft", sagte Gerrit Kazmaier, Executive Vice President Database & Analytics von SAP. Ein modernes Data Warehouse schaffen Verbindungen zu Datentöpfen und sammle sie nicht an einem zentralen Ort.

Schaltzentrale für die Datenflüsse

Die Herausforderung für die Anwenderunternehmen besteht laut Kazmaier darin, ständig neue Datenquellen integrieren zu müssen. Das Data Warehouse soll als eine Art intelligente Schaltzentrale für Datenflüsse fungieren. Dafür hat SAP den bereits vor einigen Jahren vorgestellten Data Hub in seinen Infrastruktur-Stack integriert. Dieser Hub bildet das Netzwerk der Data Pipelines innerhalb eines Unternehmens ab. Die Verantwortlichen erhalten hier einen Überblick, wie Daten innerhalb der eigenen Organisation genutzt werden und können dementsprechend die erforderlichen Pipelines zwischen den vorhandenen Datenbeständen und den Zielsystemen modellieren. Das Replizieren von Daten aus den einzelnen Silos in einem zentralen Data-Warehouse-System ist Kazmaier zufolge nicht mehr erforderlich.

Als weiteren neuen zentralen Datenservice hat der Softwarekonzern die "SAP HANA Cloud" vorgestellt. Dabei handelt es sich Müller zufolge um ein Cloud-native entwickeltes HANA-System. Bis dato konnten die Anwender die In-Memory-Datenbank zwar auch schon aus der Cloud beziehen. Dabei handelte es sich aber um einen gehosteten Managed Service.

Um HANA als Cloud-nativen Service aufzustellen, habe man die Datenbank zwar nicht neu coden müssen, es sei aber einiges an Architekturarbeit notwendig gewesen, beschrieb Gunther Rothermel, Executive Vice President für die Bereiche Cloud Platform und Leonardo Technology bei SAP, die Vorarbeiten. Über die HANA Cloud ließen sich neben den HANA-eigenen In-Memory-Ressourcen auch klassische relationale Datenbanksysteme und Data Lakes integrieren, sagte Technikchef Müller. SAP spricht an dieser Stelle von einer virtuellen interaktiven Zugriffsschicht über verschiedenste Datenquellen hinweg mit einer skalierbaren Abfrage-Engine, um Datennutzung und -verwaltung zu entkoppeln. Funktionen für Datenzugriffe sollen Müller zufolge in Container-basierte Mikroservices verpackt werden.

Die Business Technology Platform positioniert sich als Schaltzentrale für das Datenhandling in Unternehmen.
Die Business Technology Platform positioniert sich als Schaltzentrale für das Datenhandling in Unternehmen.
Foto: SAP SE

Anwender erhielten damit eine vereinfachte, einheitliche Datenzugriffsschicht, verspricht der Softwarehersteller. Damit seien sie in der Lage, ihre Datenverarbeitung zu optimieren und gleichzeitig die Datenintegration in ihren Anwendungen zu konsolidieren und zu harmonisieren. SAP HANA Cloud kann entweder als eigenständige Lösung oder als Erweiterung einer vorhandenen On-Premise-Umgebung eingesetzt werden. Ab dem vierten Quartal dieses Jahres sollen Kunden die neue Lösung bei SAP ordern können.

Neue Preismodelle - SAP will Pay-as-you-go ausprobieren

Neben funktionalen Erweiterungen seiner Plattform plant SAP auch neue Abrechnungsmodelle für bestimmte Teile seiner Cloud-Dienste. Müller kündigte im Rahmen seiner TechEd-Keynote an, dass sich Services aus der HANA- und der Data Warehouse Cloud künftig auch in einem Pay-as-you-go-Modell beziehen ließen. Anwender könnten so ihre Cloud-Nutzung nach oben wie nach unten skalieren. Die zugrundeliegenden Metriken sollen sich beispielsweise an genutzten Compute- oder Storage-Ressourcen orientieren oder auch Workflow-basiert funktionieren. Das heißt der Preis richtet sich zum Beispiel nach der Zahl von bearbeiteten Dokumenten oder Dateien.

Lesen Sie mehr zu SAPs Preis- und Lizenzmetriken:

Mit den neuen Abrechnungsmodellen will SAP zunächst in Nordamerika starten, wie der Konzern bereits im September auf der TechEd in Las Vegas durchblicken ließ. Weitere Details, wie und wann die nutzungsbasierten Modelle weltweit ausgerollt und welche Preisschilder die einzelnen Services tragen werden, sind noch nicht bekannt.

Daten harmonisieren mit SAP Graph

Auskunftsfreudiger gaben sich die SAP-Manager hinsichtlich ihrer Integrationsbemühungen. Nachdem der Konzern in Las Vegas mit "SAP Graph" ein Werkzeug vorgestellt hatte, das den Datenzugriff von Anwendungen auf SAP-Daten vereinheitlichen und damit vereinfachen soll, ging Müller in Barcelona weiter ins Detail. Der CTO beschrieb eine Integration Suite: Darin könnten Anwender mehr als 1200 vorkonfigurierte Integration Flows finden, mit deren Hilfe sich Daten und Anwendungen über die SAP Cloud Platform (SCP) verbinden ließen. Darüber hinaus gibt es SAP zufolge über 160 sogenannte Open Connectors zu verschiedensten Fremdsystemen, darunter beispielsweise Salesforce und ServiceNow. Der SAP-Manager verspricht seinen Kunden damit eine vereinfachte Integration. "SAP ist viel offener als viele denken", sagte Müller.

"SAP ist viel offener als viele denken", sagte SAP-CTO Jürgen Müller auf der TechEd in Barcelona und verwies auf die Kooperationen mit den Cloud-Hyperscalern.
"SAP ist viel offener als viele denken", sagte SAP-CTO Jürgen Müller auf der TechEd in Barcelona und verwies auf die Kooperationen mit den Cloud-Hyperscalern.
Foto: SAP SE

Das betrifft auch den Cloud-Betrieb. SAP setzt dabei vor allem auf die Kooperation mit Hyperscalern wie Alibaba, AWS, Google und Microsoft. Sich selbst sieht der Konzern weniger in der Rolle als Infrastrukturanbieter. Kunden könnten die Lösungen zwar auch aus SAP-eigenen Rechenzentren beziehen. Der Fokus liege jedoch ganz klar auf der Zusammenarbeit mit den großen Cloud-Providern.

Dabei geht es nicht nur um die Bereitstellung der Infrastruktur aus Compute-, Storage und Netzwerkressourcen, sondern auch um die Nutzung bestimmter Cloud-Services. SAP-Manager Rothermel spricht von verschiedenen Servicetypen. So könnten Anwender bestimmte Dienste der Cloud-Anbieter, die SAP selbst nicht anbietet, mit in ihre Infrastruktur integrieren. Als Beispiel nennt er den Datenverarbeitungsservice "Lambda" von AWS. Einen vergleichbaren Serverless-Computing-Dienst hat SAP nicht im Programm. Andere Services der Cloud-Anbieter baut SAP selbst in sein Cloud-Portfolio ein, beispielsweise für die Authentifizierung von Nutzern. Allerdings konkurriert SAP auch mit AWS, Google und Co., wie Rothermel einräumt. Das betrifft beispielsweise Bereiche wie Machine Learning.

Grundsätzlich ziehen die Walldorfer eine Trennlinie zwischen Infrastruktur-nahen Diensten, die der Softwarekonzern nicht selbst bedienen möchte und gerne den Cloud-Providern überlässt, sowie Business-relevanten Services, die eher direkten Prozessbezug haben. Hier positioniert sich SAP selbst mit eigenen Angeboten und steht damit an der einen oder anderen Stelle im Wettbewerb mit seinen Cloud-Partnern.