Folgen für AWS und Microsoft unklar

Salesforce und Google schließen Cloud-Pakt

08.11.2017
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Google wird zum bevorzugten Public Cloud Provider, kündigte Salesforce auf seiner Kundenkonferenz Dreamforce an. Für Anwender wird die Cloud-Strategie des CRM-Spezialisten damit jedoch immer undurchschaubarer. Denn auch mit AWS und Microsoft gibt es Cloud-Bündnisse.

Die Google Cloud soll künftig im Salesforce-Universum den Status einer "preferred Public Cloud" erhalten. Das gab der weltgrößte Anbieter von Customer Relationship Management-Lösungen (CRM) anlässlich seiner Kundenkonferenz Dreamforce in San Francisco (6. bis 9. November 2017) bekannt. Ziel sei es, so kündigten die Salesforce-Verantwortlichen an, Googles Cloud-Infrastruktur als Plattform für die eigenen Kernservices zu verwenden.

Etwa 170.000 Besucher tummelten sich auf der Salesforce-Kundenkonferenz Dreamforce 2017 in San Francisco.
Etwa 170.000 Besucher tummelten sich auf der Salesforce-Kundenkonferenz Dreamforce 2017 in San Francisco.
Foto: Salesforce / Jakub Mosur Photography

Beide Partner wollen dafür ihre Lösungen enger miteinander verzahnen. So sollen einzelne Bestandteile aus dem Cloud-Kosmos von Salesforce mit den Collaboration-Services von Googles "G Suite" integriert werden. Das betrifft beispielsweise "Salesforce Lightning", eine Plattform für die Anwendungsentwicklung, um interne Prozesse rund um das Kundenmanagement stärker automatisieren zu können. Mit "Lightning for Gmail" sollen Anwender in die Lage versetzt werden, Daten aus dem Salesforce CRM in Gmail zu nutzen und zu bearbeiten. Lightning soll zudem enger mit der Google-eigenen Tabellenkalkulation "Sheets" verknüpft werden, um Daten zwischen den beiden Lösungen austauschen und im jeweils anderen System bearbeiten zu können.

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Alternative zu Legacy-Intranets

Auch die Collaboration-Lösungen beider Anbieter sollen stärker miteinander integriert werden. Das betrifft auf Seiten von Salesforce die Collaboration-Suite "Quip", die Anwendern verschiedene Werkzeuge zur Verfügung stellt, um gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten sowie Aufgaben innerhalb von Teams zu organisieren.

Mit "Quip Live Apps for Google Drive and Google Calendar" könnten diese Teams in Zukunft auch auf Dateien in Googles Online-Speicher "Drive" zugreifen, beispielsweise auf Dokumente, Präsentationen oder Tabellen. Auch Kalenderinformationen aus Google sollen künftig in Quip verfügbar sein. Die Kombination von Quip und der G Suite biete eine Alternative zu veralteten Legacy-Intranet-Lösungen, versprechen Salesforce und Google.

Darüber hinaus soll Salesforce CRM mit Google Hangouts Meetintegriert werden, einem Videokonferenz- und Instant-Messaging-Dienst von Google. Anwender könnten so in Hangouts Meet direkt auf Kundendaten aus Salesforce zugreifen, um beispielsweise Vertriebsprojekte oder Serviceanfragen effizienter abzuwickeln.

Mit Google Analytics Kundendaten im Salesforce-CRM auswerten

Das zweite Standbein der Salesforce-Google-Kooperation betrifft das Thema Analytics. Beispielsweise sollen Marketing-Verantwortliche mit Hilfe von "Google Analytics 360" Kundenanalysen und -segmentierungen in der "Salesforce Marketing Cloud" vornehmen können, um so ihre Marketing-Aktivitäten aus Salesforce heraus zielgenauer zu planen. Mit der Integration der "Sales Cloud" in Google Analytics 360 könnten Anwenderunternehmen zudem bessere Einsichten aus den Vertriebsergebnissen gewinnen und damit den gesamten Marketing- und Sales-Prozess optimieren.

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Salesforce hat mit "Sales Analytics" und "Service Analytics" allerdings auch eigene Analyse-Werkzeuge in seinem Cloud-Werkzeugkasten. Diese dürften von Haus aus enger mit den anderen Salesforce-Lösungen integriert sein. Darüber hinaus forciert der Cloud-CRM-Spezialist unter dem Label "Einstein" seit einiger Zeit die Entwicklung von Funktionen für Künstliche Intelligenz (KI) in seinem Portfolio - ein Thema, das auch bei Google ganz oben auf der Liste der Entwicklungsprioritäten steht. In Sachen KI kooperiert Salesforce eng mit IBM.

Neben der Integration auf Lösungsebene haben sich Salesforce und Google auch dazu verpflichtet, jeweils die Produkte des Partners einzusetzen. So lautet die Vereinbarung, dass Google weiterhin Salesforce als bevorzugten CRM Provider sowie Salesforce die G Suite als bevorzugten E-Mail- und Produktivitäts-Anbieter nutzen will.

Ziemlich beste Freunde

Die Partnerschaft mit Google stelle für die Kunden das Beste aus beiden Welten dar, kommentierte Marc Benioff, Chairman und CEO von Salesforce, die Partnerschaft. Es sei für Unternehmen nie einfacher gewesen, ihr gesamtes Geschäft in der Cloud zu betreiben, stellte der Manager seinen Kunden in Aussicht, von Produktivitätsanwendungen über E-Mail und Analysen bis hin zu Vertriebs-, Service- und Marketinganwendungen. "Diese Partnerschaft wird unsere Kunden intelligenter und produktiver machen." Diane Greene, verantwortlich für die Google Cloud, stieß ins gleiche Horn. Salesforce CRM und G Suite zusammen ließen Teams produktiver arbeiten. "Das wird ein großer Gewinn für unsere Kunden und Partner."

Salesforce-Chef Marc Benioff sprach im Zusammenhang mit der Google-Kooperation von einem großen Gewinn für die Kunden.
Salesforce-Chef Marc Benioff sprach im Zusammenhang mit der Google-Kooperation von einem großen Gewinn für die Kunden.
Foto: Salesforce / Jakub Mosur Photography

Salesforce-Bestandskunden könnten im Rahmen der Kooperation die G Suite ein Jahr lang kostenlos einsetzen, gaben die Partner bekannt. Darüber hinaus seien bereits etliche Integrationen zwischen Salesforce und der G Suite verfügbar, beispielsweise Salesforce Lightning für Gmail sowie Verknüpfungen mit dem Google-Kalender und Google Drive. Weitere Integrationsmodule sollen ab dem kommenden Jahr nach und nach ausgerollt werden.

Die Verbindung zwischen Quip Live Apps und Google Drive soll in der ersten Hälfte 2018 herauskommen und unter der Quip Enterprise Lizenz 25 Dollar pro Monat und User kosten. Ohne zusätzliche Kosten sollen Anwender dagegen die Integration zwischen Salesforce uns Google Analytics 360 erhalten, die ebenfalls in der ersten Hälfte des kommenden Jahres auf den Markt kommen soll.

Partner-wechsel-dich in der Cloud-Strategie von Salesforce

Zwar bemühten sich die Verantwortlichen von Salesforce und Google, den rund 170.000 Besuchern der Dreamforce ihren Cloud-Pakt als großen Vorteil für die Anwenderunternehmen zu verkaufen. Doch hinter der Cloud-Partnerstrategie von Salesforce stehen viele Fragezeichen.

Erst im Mai 2016 hatte der CRM-Spezialist den Google-Konkurrenten Amazon Web Services (AWS) zum "preferred Public Cloud Provider" für seine internationale Infrastruktur-Expansion ernannt. Die Sales-, Service- und App-Cloud sollten auf AWS laufen, lautete der Plan - neben Salesforce-Services wie der Entwicklungsplattform Heroku und der IoT-Cloud, die bereits auf Amazons Cloud-Infrastruktur verfügbar waren.

Der Deal helfe Salesforce, seine internationale Ausbreitung weiter zu forcieren, ohne eigene Rechenzentrumskapazitäten für die Cloud aufbauen zu müssen, hieß es damals. Gerade angesichts schärferer regulatorischer Vorschriften, was die Datenhaltung innerhalb bestimmter geographischer Grenzen anbelangt, sind die Anbieter von Cloud-Lösungen gezwungen, ihre Infrastrukturen dezentraler zu organisieren.

Um den damit verbundenen Aufwand nicht selbst stemmen zu müssen, sind Partnerschaften offenbar das Mittel der Wahl. So pries denn auch Salesforce-Chef Benioff den Pakt mit AWS in höchsten Tönen. "Es gibt keinen Anbieter von Public-Cloud-Infrastrukturen, der ausgereifter ist oder über robustere Enterprise-Funktionen verfügt", lobte Benioff AWS.

Salesforce setzt auf Multi-Technologiepartner

Diese Begeisterung scheint nun etwas abgeflaut zu sein. Für die internationale Expansion scheint künftig die Google Cloud gesetzt. AWS bleibe zwar ein Cloud-Partner, beteuerte Ryan Aytay, Enterprise Vice President für die Bereiche Business Development und Strategische Accounts bei Salesforce. Für neue Regionen sei indes die Google-Cloud künftig die präferierte Option.

"Wir halten es für sinnvoll, mehrere Technologiepartner zu haben", sagte Aytay. Für Anwender wird der Cloud-Kosmos von Salesforce damit jedoch immer undurchschaubarer. Angesichts der verschiedenen Verknüpfungen werden sich die Anwender wohl stärker mit Multi-Cloud-Infrastrukturen anfreunden müssen, die eine gewisse Flexibilität in der Wahl der Lösungen bieten, im Management allerdings auch mehr Komplexität mit sich bringen.

Weitgehend außen vor in der Salesforce-Welt bleibt derzeit offenbar Microsoft mit Azure, der dritte große Cloud-Infrastrukturanbieter weltweit. Zwar gibt es Verknüpfungen zwischen Microsofts Cloud-Büro-Suite Office 365 und den Salesforce-Lösungen. Eine entsprechende Kooperation hatten beide Anbieter auf der Dreamforce 2014 angekündigt. Von einer Partnerschaft wie mit AWS oder Google kann dabei allerdings keine Rede sein. Gerade im CRM-Markt sind beide Anbieter erbitterte Konkurrenten. Außerdem hat sich das Verhältnis zwischen Salesforce und Microsoft in den vergangenen Jahren deutlich abgekühlt.

Ziemlich beste Feinde

2015 präsentierte Benioff den Microsoft-Chef Satya Nadella noch als "guten alten Freund" auf der Dreamforce. "Unsere Produkte ergänzen sich in hervorragender Weise", sagte der Salesforce-CEO in seiner Keynote und lobte den Schulterschluss mit dem früheren Erzkonkurrenten. Doch schon ein Jahr später und nach der spektakulären Übernahme von LinkedIn durch Microsoft sah die Welt wieder ganz anders aus.

Salesforce war ebenfalls an LinkedIn interessiert, konnte allerdings mit den finanziellen Möglichkeiten einer Microsoft nicht mithalten, die sich die Akquisition des Business-Social-Network rund 26 Milliarden Dollar kosten ließ. Das wurmte den Salesforce-Boss offenbar. Benioff zeigte sich als schlechter Verlierer und wollte dem Konkurrenten wegen wettbewerbsrechlicher Bedenken die Kartellbehörden auf den Hals hetzen. Die Wettbewerbshüter kündigten zwar an, den Deal genau prüfen, segneten die Übernahme dann jedoch ab.

Apps-Entwickeln soll leichter werden

Auf der Dreamforce präsentierte Salesforce außerdem eine neue Lösung, die das anhaltende Problem vieler Kunden adressiert, eigene Enterprise-Apps an den Start zu bringen. So bietet die Company zwar schon länger die Möglichkeit, mit dem "Lightning"-App-Baukasten eigene mobile Anwendungen zu kreieren und im Unternehmen zu verteilen. Die nun vorgestellte und in Kürze für alle Kunden der Sales Cloud, Service Cloud, Community Cloud oder Salesforce Platform verfügbare Plattform-Service mySalesforce soll den Prozess aber noch schneller und einfacher machen. mySalesforce-Anwendungen werden mit dem Salesforce Lightning App Builder erstellt, der in einer Drag-and-Drop-Bibliothek konfigurierbare Komponenten wie Kalender, Dashboards oder Task-Manager bereitstellt.

Die niederländische Supermarktkette hat mit dem neuen Tool mySalesforce die App Foodcoach entwickelt.
Die niederländische Supermarktkette hat mit dem neuen Tool mySalesforce die App Foodcoach entwickelt.
Foto: Salesforce

Außerdem beinhaltet der Service ein neues Tool namens Listing Wizard, um die Veröffentlichung der Apps in AppStore oder Google Play zu beschleunigen. Das Werkzeug enthält dazu eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Veröffentlichungsprozess und testet und konfiguriert die App, bevor sie zur Genehmigung eingereicht wird. Auf diese Weise ist es laut Salesforce möglich, typische Probleme zu identifizieren, wegen denen Anwendungen in der Regel von Apple und Google abgelehnt werden, etwa häufige Abstürze, Fehler in der Benutzeroberfläche und defekte Links. Erste Nutzer von mySalesforce sind der US-Baumarktriese The Home Depot mit seinem "inHome Selling Planning Tool" für mobile Vertriebsteams. Die niederländische Supermarktkette Jumbo wiederum hat mit dem Tool die Consumer-App "Foodcoach" entwickelt, die Kunden bei der Suche nach Produkten und der Zubereitung gesunder Mahlzeiten zu Hause hilft.