"Autos kaufen keine Autos"
In einem "FAZ"-Artikel weist der Sprecher des Chaos Computer Club (CCC), Frank Rieger, auf einen Aspekt der Veränderungen hin, der sich im Zuge von Digitalisierung, Automatisierung und durch den Einsatz von Robotik und KI ergeben könnte. Betrachte man "die Automatisierungseffekte auf gesellschaftlicher Ebene, entsteht ein Bild, das die Grundannahmen der Demokratien in Frage stellt. Das einzig verbleibende relevante Produktionsmittel ist Kapital", schreibt Rieger.
Das aber habe Folgen: "Wer in moderne Maschinen und Software investieren kann, streicht im derzeitigen System den Mehrwert aus deren Produktivität ein." Die Folgen hieraus dürften allerdings nicht im Interesse der Kapitalgeber liegen: "Je weniger Menschen an der Wertschöpfung finanziell beteiligt sind, desto weniger können sie noch die Waren kaufen, welche die Maschinen produzieren." Für Sahra Wagenknecht, die bereits im Teenager-Alter ihren Karl Marx gelesen hat, sollte das Riegersche Credo quasi ein Heimspiel sein.
Wenn die Produktionsmittel mit dem Kapital gleichgesetzt werden, dann scheint doch eine Entwicklung, wie sie Rieger beschreibt, unausweichlich. Was bedeutet das für das Wirtschafts- und damit Gesellschaftssystem westlicher Nationen?
Sahra Wagenknecht: Den Widerspruch, auf den Frank Rieger aufmerksam macht, hat Karl Marx schon beschrieben. In der Konsequenz werden die Eigentümer von modernen Maschinen, Patenten und Software immer reicher, während sich die Lebensbedingungen der einfachen Arbeiter verschlechtern - vor allem jener, die nicht über gefragte Qualifikationen verfügen. Aber das kann nicht endlos so weitergehen. "Autos kaufen keine Autos", hat Henry Ford einmal gesagt.
Wenn wir wachsende Ungleichheit und Armut bekämpfen wollen, müssen wir letztlich dafür sorgen, dass nicht mehr nur einige Aktionäre und superreiche Familien aus dem Einsatz hochmoderner Maschinen sowie aus geistigen Eigentumsrechten wie Software und Patenten ihren Profit ziehen könnten. Die Früchte des technologischen Fortschritts sollten von der gesamten Gesellschaft geerntet werden. Denn dass sie reifen konnten, dafür hat auch die gesamte Gesellschaft, dafür haben Bildungseinrichtungen, Generationen von Arbeitern, Wissenschaftlern und Steuerzahlern gesorgt.
Dem Verkauf von KUKA hätte Wagenknecht nicht zugestimmt
Der Chef der deutschen Post, Frank Appel, brachte im Zusammenhang mit den technischen Entwicklungen insbesondere in der Informationstechnologie das Thema Robotersteuer auf. Zitat: ""Man könnte zum Beispiel bei Arbeit, die von Menschen geleistet wurde, auf die Mehrwertsteuer verzichten - und nur die Arbeit von Robotern besteuern." Das Modell einer Maschinensteuer - also einer Wertschöpfungsabgabe - ist dabei so neu nicht. In Deutschland hatte sie etwa Arbeitsminister Herbert Ehrenberg bereits Ende der 1970er Jahre in der sozialliberalen Koalition zur Sprache gebracht. Heute scheint die Erhebung solch einer Wertschöpfungsabgabe aktueller denn je.
Kann sich Die LINKE solch eine Besteuerung auch vorstellen?
Sahra Wagenknecht: Man kann das machen, aber man sollte davon nicht zu viel erwarten. Maschinen zahlen keine Steuern, sondern es sind immer ihre Besitzer, die auf der Basis der Wertschöpfung besteuert würden. Eine Roboter- oder eine Maschinensteuer hätte zur Folge, dass Unternehmen, die mit hohem Kapitaleinsatz und relativ wenig Mitarbeitern wirtschaften, höher belastet werden als Unternehmen, die mit wenig Kapital und vielen Mitarbeitern arbeiten. Das mag den Abbau von Arbeitsplätzen verlangsamen. Industriepolitisch ist es allerdings wenig sinnvoll, den Einsatz moderner Technik zu bremsen.
Der Staat hat die Entwicklung von Robotern ja aus guten Gründen gefördert. Statt dem Verkauf der KUKA AG - eines weltweit führenden Anbieters von Robotik - an ein chinesisches Unternehmen tatenlos zuzusehen, hätte ich mir gewünscht, dass das Unternehmen in die öffentliche Hand überführt wird. Je mehr unser gesellschaftlicher Reichtum von Robotern und Maschinen, von großen gesellschaftlichen Infrastrukturen und Netzen abhängt, desto dringender wird es, diese in gesellschaftliches Eigentum zu überführen. Eine Robotersteuer allein springt also zu kurz.