Software-Support

Rimini Street verspricht halbe Kosten für die Softwarewartung

08.12.2016
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

SAP verkalkuliert sich - Oracle klagt

Nach der Übernahme blieb Ravin nur drei Monate an Bord. Doch hatte er in den drei Jahren zuvor einen Marktbedarf festgestellt, den er nun auf eigene Faust befriedigen wollte. Im Herbst desselben Jahres gründete er Rimini Street als Support-Dienstleister für Siebel-Produkte - ebenfalls von Oracle aufgekauft. Im Jahr darauf kamen Serviceangebote für Peoplesoft und JD Edwards hinzu. Andere Oracle-Produkte folgten. Und seit 2008 wendet sich Rimini Street auch an die SAP-Kunden.

SAP hingegen wurde mit seiner Akquisition nicht glücklich. Oracle verklagte den Mitbewerber auf Schadenersatz wegen unberechtigter Nutzung seiner Software. Und dieser Rechtsstreit sollte länger dauern als das ganze Engagement der SAP in Sachen TomorrowNow.

2008 verabschiedete sich der deutsche Softwareprimus wieder vom Thema Fremdwartung - im selben Jahr, in dem sich Rimini Street der SAP-Software zuwandte. Presseberichten zufolge war es SAP nicht gelungen, mehr als ein knappes Viertel der TomorrowNow-Kunden von der Oracle-Software auf die eigene Produktlinie zu konvertieren.

Das endgültige Urteil über die Causa Oracle versus TomorrowNow wurde erst 2014 gesprochen. Am Ende zahlte SAP dem Erzrivalen rund 360 Millionen Dollar - und schickte den überwiegenden Teil der TomorrowNow-Kunden zu ihm zurück.

Geistiges Eigentum von Peoplesoft verletzt

Eine ähnliche Strategie wie gegen SAP verfolgte Oracle auch in Sachen Rimini Street. Gegen den Emporkömmling strengte der Anbieter von ERP-, CRM- und HCM-Software 2010 mehrere Klagen an. Stattgegeben wurde allerdings nur einer davon: Nach Ansicht des Gerichts hatte Rimini Street Oracles "geistiges Eigentum" verletzt, als es Peoplesoft-Installationen der Kunden auf eigene Server herunterlud.

"Wir haben das nicht mit Absicht getan", beteuert President Grady, übrigens auch ein Manager mit Peoplesoft-Vergangenheit: "Uns war nicht klar, dass es eine Klausel in den Verträgen unserer Kunden gab, die das ausdrücklich verbot." Laut Grady hat Rimini Street die Software sofort von den eigenen Servern gelöscht, nachdem Oracle das forderte. Doch das bewahrte den Dienstleister nicht vor einer Schadenersatzklage. Nach langem Hin und Her einigten sich die Kontrahenten vor wenigen Wochen auf die Zahlung von 106 Millionen Euro. Die notwendigen Finanzmittel beschaffte sich Rimini Street durch einen 125-Millionen-Dollar-Kredit, den Colbeck Capital Management vermittelte.

Börsengang im kommenden Jahr?

Sollte Oracle gehofft haben, Rimini Street damit aus dem Geschäft zu drängen, ging der Schuss nach hinten los. Das (noch) nicht börsennotierte Unternehmen ist nach wie vor auf Wachstum gepolt. Möglicherweise auch mit Hilfe eines Börsengangs. Früheren Verlautbarungen zufolge ist der für das kommende Jahr geplant. Mit Rücksicht auf die strengen Regulierungen der amerikanischen Börsenaufsicht will das Unternehmen derzeit nicht mit einer Bestätigung herausrücken - geschweige denn, irgendwelche Details verraten.

Rimini Street hatte, das immerhin leugnen die Entscheidungsträger nicht, schon vor vier Jahren das Initial Public Offering (IPO) in die Wege leiten wollen. Wegen der gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Oracle war das Klima damals aber nicht optimal für einen solchen Schritt. Dieses Hindernis ist nun aus dem Weg geräumt. Mit anderen Worten: Einem neuen Anlauf stünde theoretisch nichts im Weg.

Starkes Wachstum in Europa

Der weitaus größte Teil der Rimini-Street-Klientel ist derzeit in den USA heimisch. Nach europäischen Vorzeigeunternehmen gefragt, sieht sich Jill Harrison, als Managing Director für den alten Kontinent verantwortlich, zu einer Erklärung genötigt. Derzeit belaufe sich die originär europäische Kundenbasis nur auf 60 bis 70 Unternehmen. Aber die europäischen Niederlassungen internationaler Konzerne seien in dieser Zahl nicht enthalten. In Deutschland, dem SAP-Heimatmarkt, sei die Kundenakquise naturgemäß besonders schwierig.

Nichtsdestoweniger legte der in Europa erzielte Umsatz in den vergangenen vier Quartalen, sprich: vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016, überdurchschnittlich zu, bekräftigt Rimini Street in seiner jüngsten Mitteilung. Das Wachstum für den europäischen Markt wird darin mit 67 Prozent beziffert. Absolute Zahlen nennt das Unternehmen nicht. Muss es ja auch nicht, solange es nicht "public" ist.

Und die Voraussetzungen für weiteres Wachstum scheinen nicht schlecht. Kürzlich hat die Deutsche Oracle-Anwendergruppe (DOAG) die Ergebnisse ihrer jüngsten Support-Umfrage veröffentlicht - und die fielen für Oracle wieder einmal wenig schmeichelhaft aus (siehe Seite 8). Mehr als die Hälfte der über 200 befragten Anwenderunternehmen kritisierte die Support-Leistungen ihres Softwarelieferanten als nicht ausreichend. Die Konsequenz: Gut jeder zweite denkt darüber nach, den Support für seine Oracle-Systeme einem Drittanbieter anzuvertrauen.

Run simple? - Zu früh für viele Kunden

Weitere Störmanöver von Seiten der Softwarelieferanten erwartet Grady offenbar nicht mehr. Aus seiner Sicht haben die eigentlich auch keinen Grund, sich zu grämen: "Unsere Kunden installieren immer noch Software von Oracle und SAP. Und genau genommen sind wir doch ein Segen für diese Anbieter. Viele Kunden wären vielleicht längst abgesprungen, wenn wir nicht die Cost of Ownership im erträglichen Rahmen hielten."

Dass Cloud-Angebote wie S/4HANA von SAP (Werbeslogan: "Run Simple") dem Support-Dienstleister mittelfristig das Wasser abgraben könnten, bestreitet Grady: "Es gibt keinen Business-Case für ein Upgrade auf S/4HANA, das belegen mehrere Studien", konstatiert er. "Das ist ja eigentlich auch kein Upgrade, sondern eine Lösung, die völlig neu implementiert werden muss. Und dafür haben die Unternehmen aus unserer Sicht noch fünf bis zehn Jahre Zeit." (ba)