Quanten-Computing für die Fertigungsbranche

Quantum-Reinforcement-Learning für Roboter

05.05.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Vom Quanten-Computing könnten künftig auch die Roboter in der Produktion profitieren. Zwei Studien zeigen das Potenzial der Quantentechnologie beim Roboter-Training.
Unterstützt durch Quantencomputer sollen Roboter in komplexen Fertigungsumgebungen künftig schneller lernen.
Unterstützt durch Quantencomputer sollen Roboter in komplexen Fertigungsumgebungen künftig schneller lernen.
Foto: Nataliya Hora - shutterstock.com

Lassen sich Roboter effizienter mit Hilfe von Quanten-Computing und Reinforcement-Learning steuern? Das untersuchte NTT DATA in Zusammenarbeit mit dem protolab der TH Rosenheim in zwei Machbarkeitsstudien. Dabei sollte die Quantentechnologie helfen, KI-Prozesse zu beschleunigen, um Roboter für den Einsatz in hochkomplexen Produktionsinfrastrukturen zu trainieren.

Quantum-Reinforcement-Learning

Statisch fixierte Roboterarme übernehmen in der Industrie bereits heute vielfältige Tätigkeiten. Mobil eingesetzt, könnten sie zahlreiche zusätzliche Aufgaben wie die Automatisierung desGütertransports in Produktionsumgebungen (Intralogistik) übernehmen. Allerdings erschwert die Bewegung im Raum die Berechnung der für eine bestimmte Aktion erforderlichen Kräfte. Vereinfacht dargestellt wird dieses Problem in der Wissenschaft als "Cart-Pole"-Modell. Dabei kommt es darauf an, einen fahrbaren Untersatz (Cart) so zu steuern, dass eine darauf stehende Stange (Pole) in der Senkrechten bleibt. Die Herausforderung dabei ist, angemessen auf Veränderungen im Umfeld des Carts (Hindernisse, Erschütterungen etc.) zu reagieren.

Amazon Braket als Basis

Als vereinfachtes Beispiel für viele mögliche Anwendungen von Roboterarmen in der Industrie nutzten die Forschungsteams von NTT DATA und TH Rosenheim das Experiment, um das Potenzial der Quantentechnologie für ein effizienteres Training von Robotern zu belegen. Für ihre praktischen Experimente nutzten die Forschenden den Service Amazon Braket von AWS. Diese Cloud-Plattform bietet verschiedene Geräte zum Ausführen von hybriden Quantenalgorithmen. Damit gelang es erstmals in einem "Real-World-Szenario" nachzuweisen, dass die Quantentechnologie in der Lage ist, die komplexen Steuerungsalgorithmen während der Laufzeit der herkömmlichen digitalen Roboterarmsteuerung auszuführen und damit die Lernkurve erheblich zu steigern.

Chaotische Amplitudenkontrolle mit Quantenhilfe

Ein anderer Aspekt, den NTT DATA und die TH Rosenheim untersuchten, ist Taillards Job-Shop-Problem. Dabei handelt es sich um einen gängigen Benchmark für die Leistungsfähigkeit von Algorithmen in der Fertigungslogistik, der erstmals mithilfe einer Coherent Ising Machine gelöst werden konnte. Die Maschine ist ein von NTT DATA entwickeltes photonisches adiabatischesQuantenoptimierungssystem. Zur Simulation der innovativen Technologie auf klassischer Hardware entwickelten die Forschungsteams mehrere Algorithmen, darunter die chaotische Amplitudenkontrolle.

Insgesamt soll die Quantentechnologie den Anwendern helfen, schneller Lösungen für Steuerungsprobleme in zunehmend komplexeren Fertigungsumgebungen zu finden. "Der Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Steuerung industrieller Prozesse wird zunehmend zu einem kritischen Wettbewerbsfaktor für produzierende Unternehmen in Deutschland, in Europa und weltweit", kommentiert Noah Klarmann, Professor für künstliche Intelligenz an der Technischen Hochschule Rosenheim, die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie. Zumal moderne Anwendungen enorme Rechenleistung erforderten - bei gleichzeitig möglichst geringen Latenzzeiten. Hier hätten die Studien der beiden Partner das enorme Potenzial von Quanten-Computing im Vergleich zu traditionellen Lösungen gezeigt.