4. Process Mining ist (k)ein Thema der IT
Process Mining zählt nicht zu den typischen Produktivitäts-Werkzeugen der IT Infrastruktur. Der Nutzen eines Process Mining Tools für die IT-Abteilung ist, abgesehen von dem Einsatz im Customer Help Desk Umfeld oder zur Unterstützung in Migrationsprojekten, in der Regel gering. Process Mining ist eine toolbasierte Methode für die Analyse fachlicher Geschäftsprozess und stellt damit primär ein Thema für das Prozessmanagement, die Interne Revision sowie die Fachbereiche wie Einkauf, Finanzen oder Vertrieb dar.
Während bei der Lizenzierung von Process Mining Tools der Implementierungsaufwand zunächst vor allem in der IT entsteht, so sind Nutzen und Anwender primär im Fachbereich zu finden. Zu berücksichtigen sind auch die in Unternehmen existierenden verschiedenen Sichten auf Geschäftsprozesse. Während sich das Prozessmanagement in der Regel mit den Soll-Prozessen beschäftigt, der Fachbereich die bestmögliche fachliche Prozessunterstützung benötigt, so beschäftigt sich die IT in der Regel mit den in den Systemen technisch ausgeführten Prozessen. Diese Verschiedenheit spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Anforderungen an ein Process Mining Tool wider. Bei IT-getriebenen Process Mining Investitionsentscheidungen ist daher vor allem darauf zu achten, dass der Fachbereich und das Prozessmanagement als primäre Anwender maßgeblich beteiligt werden.
5. Mit Process Mining Tools automatisch Maßnahmen ableiten?
Die Visualisierung der tatsächlich gelebten Geschäftsprozesse und wesentlichen KPIs (Key Performance Indikatoren) gehören zweifelsfrei zu den Stärken aller im Markt angebotenen Process Mining Tools. Allerdings ist die Visualisierung nur die halbe Miete, da sich die dargestellten Bilder und Zahlen nicht automatisch in konkrete Maßnahmen übersetzen lassen. Die Herausforderung beginnt im Process Mining Prozess häufig schon vor Verwendung der erzeugten Berichte: die logische Verknüpfung operativer Daten aus unterschiedlichen Quellen und deren effiziente Auswertung.
- Veränderung von Prozessen und Rollen
Mit der Suche nach Einspar- und Verbesserungspotenzialen in Geschäftsprozssen sind neue Rollen und Verantwortlichkeiten entstanden. So benennen immer mehr Unternehmen einen Business Process Manager. - Die Rolle des Business Process Managers
Noch zeigt sich die Rolle des Business Process Managers undeutlich. Er soll beispielsweise Geschäftsprozesse optimieren oder gleich neu definieren, IT ebenso wie Business verstehen und per "Predictive Analytics" vorne auf der Digitalisierungswelle surfen. - Samantha Searle, Gartner
Samantha Searle, Research Analyst bei Gartner, stellt die Rolle eines Business Process Directors in engem Zusammenhang mit Predictive Analytics. Seine Aufgabe ist es, geschäftskritische Prozesse zu erkennen und die entsprechenden Key Performance Indikatoren (KPI) zu entwickeln. - Alexander Linden, Gartner
Alexander Linden ist Research Director aus Gartners Niederlassung in Düsseldorf. Er sieht die IT bei Searles Verständnis von BPM nicht an erster Stelle. Die wichtigsten Skills seien hier das Verständnis der Geschäftsprozesse und die Anwendung mathematisch-quantitativer Methoden. Die IT sei in vielen Unternehmen eher ein Datenmotor, der bei Datenakquisition, Rechenleistung und Deployment hilft – nicht aber bei der Identifikation der relevanten Daten und auch häufig nicht bei der eigentlichen Geschäftsprozessmodellierung. - Stefan Rohrlack, Accenture
Für Stefan Rohrlack, Director Technology beim Unternehmensberater Accenture, muss ein Prozess-Manager einerseits das Management mit validen Business Cases von Prozessinnovationen überzeugen, andererseits aber auch die geeigneten IT-Lösungen für eine erfolgreiche Umsetzung nutzen. Rohrlack erwartet, dass „einige Unternehmen hier künftig ganz bewusst auf die entsprechende IT-Kompetenz setzen“ – schon wegen der zu erwartenden Digitalisierungswelle.
Wenn es im Unternehmen an Transparenz über die in Datenbanken verwendeten Tabellen und Felder sowie die Verknüpfungslogik und Berechnungsmethodik fehlt oder IT-Systeme stark angepasst wurden, steigt der Aufwand in der Vorverarbeitung von Daten. Im Bereich der Medizin haben beispielsweise Radiologen die Rolle übernommen, qualifizierte Erstdiagnosen unter Einsatz bildgebender Verfahren zu stellen. Das Expertenwissen des Radiologen qualifiziert zur Übersetzung von Auffälligkeiten in konkrete Maßnahmen. Der Einsatz von Process Mining Methoden im Unternehmen macht den Einsatz eines "Prozessradiologen" empfehlenswert. Die Qualifikation eines Prozessradiologen lässt sich an der gesammelten Projekterfahrung mit Process Mining Tools, dem Prozesswissen und der Fähigkeit der Interpretation der Ergebnisse festmachen.
Fazit
Process Mining hat durchaus das Potenzial zum "next big thing". Die diagnostische Qualität von Process Mining Verfahren beschleunigt und erleichtert das Erkennen der Ineffizienten, Ordnungsmäßigkeit und Risiken in Geschäftsprozessen. Zudem liefern sie eine objektiv ermittelte Grundlage für die Bewertung der tatsächlichen Ist-Prozesse und Leistungsdaten. Diese neue Perspektive auf Geschäftsprozesse fehlt derzeit häufig in den Unternehmen. Und sie fehlte den Prozessberatern der Beratungshäuser über viele Jahre hinweg.
Es ist daher zu erwarten, dass die Global Fortune 1000 Unternehmen Process Mining Tools Inhouse einsetzen werden. Allerdings ist auch zu erwarten, dass die Mehrheit der Unternehmen die für Process Mining Tools notwendigen initialen und kontinuierlichen Investitionen in IT-Hardware, Software, IT-Services und dediziertes Personal, zunächst scheuen werden. Es ist ferner davon auszugehen, dass die Zukunft im Process Mining in der Nutzung der Technologie als Service liegt. Dafür sprechen kurze Ramp-up-Zeiten, eine effiziente Durchführung der Analyse und aussagekräftige Diagnosen. Vor allem aber das damit verbundene attraktive Aufwand-Nutzen-Verhältnis für die Unternehmen. (ba)