So vermeiden Sie die häufigsten Fehler

Process Mining richtig einsetzen

26.10.2016
Von 
Tobias Rother ist Gründer der Process Analytics Factory und einer der Pioniere im Process Mining Markt. Als Vorstand der holländischen Software-Firma Pallas Athena (heute Perceptive Software) verantwortete er 2008 die Markteinführung des ersten kommerziell verfügbaren Process Mining Tools. Sein Erfahrungsschatz beruht auf mehr als 200 Process Mining basierten Analysen, Audits und BPM-Projekten.
Mit Process Mining gewinnt eine innovative Prozessanalyse-Methode immer mehr an Bedeutung. Ihr Einsatz kann zu einer deutlichen Leistungssteigerung operativer Prozesse führen. Lesen Sie, was Anwender dabei beachten sollten und welche Fehler es zu vermeiden gilt.

Process Mining Tools sind stark im Kommen. Immer mehr Process Mining Anbieter drängen auf den Markt. Mitte dieses Jahres wurde bekannt, dass sich die US-Private-Equity-Gesellschaft Accel Partners und der israelische Investor 83North Venture mit 27,5 Millionen US Dollar an dem deutschen Start-up Celonis beteiligt haben. Neue Produkte wurden von Anbietern wie SNP, Cognitive Technologies oder LANA vorgestellt. Mitte September 2016 haben ProcessGold und Magnaview einen Merger bekannt gegeben. Im November 2016 wird Signavio ein eigenes Process Mining Tool vorstellen. Arrivierte Anbieter, wie Perceptive Software, QPR oder Fluxicon, haben neue Versionen ihrer Process Mining Software vorgestellt oder angekündigt.

Process Mining ist eine Grundlagentechnologie für die Analyse von Geschäftsprozessen. Auf die in Datenbanken (zum Beispiel Process Logs von ERP-Systemen) gespeicherten prozessbezogenen Informationen, wird ein softwaregestütztes Process Reverse Engineering-Verfahren angewendet. Damit kann das in den Unternehmen in der Praxis gelebte Prozessmodell rekonstruiert und visualisiert werden. In diesem Kurzartikel stellen wir Ihnen die fünf häufigsten Fehler bei der Auswahl und Einführung von Process Mining vor und erklären, was dabei zu beachten ist:

1. Unüberlegte Toolauswahl

Häufig ist zu beobachten, dass Unternehmen Process Mining Tools anschaffen, ohne vorab im Rahmen einer Prozessanalyse zu testen, wie einfach oder schwierig sich unternehmenseigene Daten mit Process Mining Verfahren verarbeiten lassen. Dadurch werden oft Investitionen getätigt, ohne greifbaren Nutzen daraus ziehen zu können. Es ist daher zunächst zu empfehlen, eine konkrete Prozessanalyse unter Einsatz des Process Mining Verfahrens durchzuführen, um zu erkennen, ob der Einsatz von Process Mining im Unternehmen einen tatsächlichen Wertbeitrag leistet.

Bei zufriedenstellenden Ergebnissen ist anzuraten, zunächst die Anforderungen für ein Werkzeug zu analysieren und erst dann ein Tool auszuwählen. Fachbereiche in Unternehmen oder Revisions-Abteilungen, welche beispielsweise einen ihrer Geschäftsprozesse im Hinblick auf Schwachstellen und Fehler untersuchen möchten, bietet sich der Einsatz typischer Process Discovery Tools wie zum Beispiel Fluxicon Disco, Perceptive Process Mining oder QPR Process Analyzer an. Prozessmanagement-Abteilungen, welche nach Lösungen für einen automatisierten Soll-Ist-Abgleich von Prozessmodellen suchen, um Differenzen in Prozessmodellen und Prozessvarianten, ausgelassene Prozessschritte oder unnötige Zusatzarbeiten zu identifizieren, bietet sich zum Beispiel LANA Process Mining oder Signavio Process Intelligence an. Für Firmen, die ein Prozessproblem bereits als kritisch identifiziert haben und es daher für notwendig erachten, einen Geschäftsprozess permanent zu überwachen, eignen sich beispielsweise Monitoring Tools wie Celonis Process Mining, Cupenya, ProcessGold oder SAP OPINT an. Mit der Auswahl eines Process Mining Tools sollte von Beginn an die Analyse eines Geschäftsprozesses im Mittelpunkt stehen, verbunden mit dem Ziel, das im Rahmen der Analyse identifizierte Potenzial zu heben.

2. Überschätzte Tool-Frage

Immer mehr Unternehmen wollen von den Process Mining Vorteilen profitieren. Doch nicht für alle Anwender lohnt sich der Einstieg mittels eines Tools. Zunächst geht es bei Process Mining eigentlich um nichts anderes als die Analyse digitaler Geschäftsprozesse. Es geht darum zu verstehen, ob ein Problem in einem Geschäftsprozess vorliegt, dieses zu bewerten und es zu beheben. Die toolgestützte Vorgehensweise ersetzt mehr und mehr die traditionelle Prozessaufnahme mittels Interviews, Workshops, Begehungen und Aufschreibungen. Daher haben eine zunehmende Anzahl Unternehmens- und Prozessberater wie beispielsweise BDO, Fujitsu, KPMG oder Deloitte begonnen, das Process Mining-Verfahren in ihren Beratungsansatz zu integrieren.

Der Vorteil für Unternehmen ist, dass bei einem solchen Einsatz-Szenario keine Software zu lizenzieren ist. Vor allem auf Process Mining spezialisierte Dienstleister, wie beispielsweise die Process Analytics Factory, bringen Erfahrung aus vielen Projekten zum Kunden mit, nehmen ihm den häufig noch hohen Aufwand der Datenvorverarbeitung ab, sowie eine aufwändige Tool-Evaluierung und die Bewertung der Analyse-Ergebnisse. Unternehmen können vom "Process Mining as a Service" Ansatz sehr gute Diagnose-Ergebnisse in kürzester Zeit erwarten.

3. Total Cost of Ownership

Anwender unterschätzen hin und wieder, dass es mit der Investition in ein Tool nicht getan ist. Im BI-Markt gehören ETL (Extraktion, Transformation und Laden) Prozesse zu den wichtigsten und teuersten Bestandteilen einer Business Intelligence Lösung. Das gilt auch für den Einsatz von Process Mining Tools im Unternehmen - vor allem dann, wenn Software kontinuierlich oder sogar im Rahmen eines Real-Time-Szenarios genutzt werden soll. Darüber hinaus ist in den Fachbereichen der Unternehmen entsprechendes Fachpersonal auszubilden und vorzuhalten, denn die automatisch generierten Prozessmodelle und Key Performance Indikatoren müssen weitergehend analysiert, interpretiert und bewertet werden. Daher sollten Unternehmen bei Investitionen in ein Process Mining Tool zusätzlich die 2-3-fachen Kosten des reinen Software-Anschaffungspreises berücksichtigen.