Auf ihrem Herbst-Summit Mitte November in Berlin hat die OpenStack Foundation (OSF) die Kurskorrektur vollzogen, die sich bereits seit Anfang dieses Jahres angedeutet hatte. Dabei geht es um eine tief greifende Veränderung ihrer Ziele und ihres organisatorischen Aufbaus. Die Plattform will über das Cloud Computing hinausgreifen und sich Projekten zuwenden, die jenseits ihres ursprünglichen Anliegens fallen - das Ganze zielt auf offene Infrastrukturen.
Die Grundlage dieser Neuaufstellung sollen nach Darstellung der Leitung der Foundation Anforderungen der Anwender und eine gefestigte starke Position der OSF sein. So meldete sie für den Summit in Berlin 2700 Besucher, erwartet worden waren 2500. Ein Viertel der Gäste kam aus Deutschland, was auf eine weitere positive Entwicklung in einem der für OpenStack wichtigsten Ländermärkte hoffen lässt. Außerdem war auffallend viel Russisch zu hören, ein Signal für einen viel versprechenden Markt.
Das Selbstbewusstsein der OSF gründet sich vor allem auf die immer weiter wachsende Community: 100.000 Entwickler aus 187 Ländern sowie 675 Mitgliedsorganisationen zählt die OpenStack Foundation momentan. In den zurückliegenden 12 Monaten brachte es die Community auf 70.000 Commits. Das aktuelle OpenStack-Release "Rocky" - die Entwicklungszeit betrug ein halbes Jahr - erfuhr im Durchschnitt 182 Changes pro Tag. Damit sieht sich die Foundation neben dem Linux-Kernel und dem Google-Browser Chromium an der Spitze der dynamischsten Open-Source-Entwicklungen weltweit.
Auf der Anwenderseite erlebt "OpenStack Ironic" - eine Art Hardware-Hypervisor, der Bare Metal ähnlich flexibel bereitstellen soll wie virtuelle Maschinen - einen anhaltenden Aufschwung. Das Tool wird mittlerweile in 24 Prozent der OpenStack-Umgebungen genutzt, vor zwei Jahren waren es noch neun Prozent. Nach einer aktuellen Umfrage der Foundation interessiert sich jeder zweite OpenStack-Anwender für Bare Metal. Nur Container liegen noch höher im Kurs, nämlich bei 70 Prozent.
IT-Industrie puscht OpenStack
Die Anwenderbefragung offenbart auch Hinweise auf Entwicklungstrends rund um OpenStack. Demzufolge bleibt die IT-Industrie weiterhin der wichtigste Anwender, allerdings ist deren Anteil um sieben Punkte auf 44 Prozent gesunken. Auf dem zweiten Platz stehen nicht mehr die Telco-Konzerne, sondern Forschungseinrichtungen. Besonders das Finanzwesen sowie Regierungs- und Militärorganisationen habe deutlich zugelegt. Im Durchschnitt betreiben die OpenStack-Anwender 58 Prozent ihrer Infrastruktur auf der offenen Plattform.
Europa hat mit 26 Prozent der Anwender Nordamerika hinter sich gelassen. Der größte Boom ist aber in Asien inklusive Russland (48 Prozent) zu beobachten, genauer gesagt vor allem in Japan, Korea und insbesondere in China. Mehr als die Hälfte der Anwender hat eine Unternehmensgröße von 100 bis 10.000 Mitarbeitern, aber immerhin fast ein Viertel sind kleiner. Ihre Motive, OpenStack zu nutzen, sind ziemlich gleichauf operative Effizienz (führend mit 94 Prozent), schnellere Innovation, Vermeidung eines Vendor Lock-in, Standardisierung und Kosteneinsparungen.
Lesen Sie mehr zum Thema OpenStack:
Der Schwerpunkt der OpenStack-Anwendungen liegt in der Private Cloud. Rund drei Viertel der OpenStack-Nutzer setzen auf diesen Infrastrukturtyp. Public Clouds liegen bei elf Prozent; hierzu könnte man Off-premise Private Clouds addieren, die seit Jahren bei einem Anteil von etwa acht Prozent liegen, und beispielsweise von der Deutschen Telekom in der "Open Telekom Cloud" angeboten werden.
Die meistgenutzten OpenStack-Software-Anbieter sind Huawei (mit Abstand führend), EasyStack, RedHat und Canonical. Huawei liegt außerdem an zweiter Stelle bei den Hardwaregrundlagen für OpenStack-Umgebungen. Hier führt Dell EMC; HPE steht auf Platz Drei. Bekanntermaßen basiert die Open Telekom Cloud weitgehend auf Hardware und OpenStack-Infrastruktur-Software von Huawei.
Vier wichtige Kernprojekte rund um OpenStack
Die Foundation hob in Berlin vier Projekte neben der aktuellen Version Rocky als wichtigste Errungenschaften dieses Jahres hervor: An erster Stelle sind "Kata Containers" und "Zuul" zu nennen.
Kata Containers, Versionsstand 1.3, ist ein Tool, mit dem sich Container ähnlich wie virtuelle Maschinen einrichten lassen und dabei Arbeitslasten wie in VMs isolieren können, was Sicherheitsvorteile bringen soll.
Zuul ist eine Plattform für kontinuierliche Integration und Entwicklung (CI/CD), die parallele Programmierarbeiten vereinfacht und integriert sowie per "Ansible" weitere Einbeziehungsmöglichkeiten bietet. Das Projekt, an dem BMW stark beteiligt ist, befindet sich im Versionsstand 3.0. Es ist also nicht ganz neu; vielmehr wurde die grundlegende Technik in den letzten sechs Jahren in der OpenStack-Projektarbeit entwickelt.
Derzeit sind vor allem Telecoms die Treiber zweier Projekte, die für Edge Computing und das Internet of Things interessant sind:
"Airship" soll es ermöglichen, standardisierte, einmal erstellte Umgebungen schnell an vielen Standorten zu verteilen und diese zu verwalten. In Berlin stellte das Projekt einen Release-Kandidaten "Airship in a Bottle" vor, den Interessenten herunterladen und testen können, bevor Anfang nächsten Jahres die Version 1.0 erscheinen soll.
Hand in Hand mit diesem Projekt gibt es "StarlingX", das Komponenten von Ceph, OpenStack und Kubernetes nutzt, um Dienste für Konfigurations- und Fehlermanagement, Hochverfügbarkeit, Quality of Services und kurze Latenzzeiten zu entwickeln. Hier liegt die Version 1.0 vor.
Das Besondere an diesen vier Projekten sind zwei Eigenarten: Erstens liegen sie alle nicht mehr im bisherigen OpenStack-Rahmen von Cloud Computing, sondern gehen darüber hinaus. OpenStack ist als Plattform nicht zwingend erforderlich. Der zweite Aspekt solcher Projekte betrifft die Aufstellung der OpenStack Foundation. Endgültig vorbei ist die Zeit des "Big Tent" für die um den Kern "DefCore" assoziierten Projekte. Der OSF-Verwaltungsrat beschloss in Berlin, dass es zwar bei dem OpenStack-Produktkern bleibt, alle anderen Projekte sich aber unabhängiger von der OSF-Leitung weiterentwickeln sollen.