Für 40 Milliarden Dollar in bar und Aktien

Nvidia greift nach ARM

15.09.2020
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Von der Übernahme des Chipdesigners ARM Holdings erhofft sich Nvidia weiteres Wachstum. Die Frage ist, ob die Hardwarehersteller mitspielen werden.
Mit der Übernahme von ARM will Nvidia sein Wachstum weiter vorantreiben.
Mit der Übernahme von ARM will Nvidia sein Wachstum weiter vorantreiben.
Foto: Ascannio - shutterstock.com

Der Prozessor- und Grafikkarten-Hersteller Nvidia übernimmt für 40 Milliarden Dollar den Chip-Designer ARM Ltd. aus Cambridge. Eigentümer von ARM war zuvor der japanische Konzern Softbank, der ARM Mitte 2016 für 32 Milliarden Dollar übernommen hatte. Softbank wird sich im Gegenzug voraussichtlich mit einem einprozentigen Anteil an Nvidia beteiligen. Damit der Deal planmäßig zustande kommt, müssen innerhalb der kommenden 18 Monate die zuständigen Behörden aus den USA, Großbritannien, China und der Europäischen Union ihre Zustimmung geben.

Nvidias Rüstzeug für KI und IoT

Mit ARM will sich Nvidia vor allem für das Zeitalter von Künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge rüsten, wie Gründer und CEO Jensen Huang erklärt: "KI ist die stärkste technologische Kraft unserer Zeit und hat eine neue Welle des Computings ausgelöst. In den kommenden Jahren werden Billionen von Computern mit KI ein neues Internet der Dinge schaffen, das tausendmal größer ist als das heutige Internet der Menschen. Unsere Kombination wird ein Unternehmen schaffen, das für die KI-Ära fantastisch positioniert ist."

Wie die Verantwortlichen von Nvidia und ARM versichern, werden die Briten auch unter dem Dach des neuen Eigentümers am Modell der offenen Lizenzvergabe festhalten. ARM designt seit Anfang der 1990er-Jahre sehr erfolgreich Prozessorkerne und andere Chip-Bestandteile. Das Unternehmen spielt eine Schlüsselrolle im weltweiten Hardwaremarkt. 90 Prozent aller Smartphones sowie viele PCs und inzwischen auch Server rechnen mit den energieeffizienten Prozessoren, die von ARM designt wurden.

Die Briten designen, andere bauen die Rechner

Die Briten produzieren selbst keine Hardware, sondern lizenzieren das Recht, Prozessoren nach ihrem Bauplan herzustellen, an Dritte. In vielen Phones und Tablets - unter anderem von Apple und Samsung - werkeln Prozessoren im ARM-Design, fast alle Chips von Qualcomm nutzen die Technik.

Apple hatte zu Beginn dieses Jahres auch angekündigt, bei seinen Mac-Rechnern mit Intel-Prozessoren auf eigene Chips umzustellen, die nach ARM-Designs gebaut werden sollen. Noch vor dem Jahresende sollen erste Endgeräte mit ARM-Prozessoren herauskommen. Die Frage ist nun, ob Apple und auch andere Hardwarehersteller mitspielen, wenn ARM zu Nvidia gehört.

Jack Gold, Principal Analyst bei J. Gold Associates etwa fragt, ob Apple als ARM-Lizenznehmer wirklich eine solch starke Abhängigkeit von Nvidia eingehen wolle, nachdem man sich gerade erst von Intel gelöst habe. ARM sei ein Geheimnisträger, nicht alle Rechnerhersteller wollten ihr geistiges Eigentum auch mit Nvidia teilen.

Apple will sein Schicksal selbst bestimmen

Auch andere Analysten haben Zweifel angemeldet, dass der Deal so einfach über die Bühne gehen wird. Immerhin würde Nvidia theoretisch einen früheren Zugang zu neuen Chipdesigns bekommen als die Wettbewerber. Bislang war das Geschäftsmodell von ARM neutral, die Briten standen in keinem Wettbewerbsverhältnis zu Hardwareherstellern. Unter dem Dach von Nvidia wird sich das ändern. Gold ist sich nicht sicher, ob Kunden wie Apple mitspielen werden: "Die wollen die Kontrolle über ihr eigenes Schicksal behalten."

Umso wichtiger ist es, dass Nvidia-Gründer Huang sogleich öffentlich versicherte, Kundenneutralität und das offene Lizenzmodell beizubehalten. Mit dem Chip- und Grafikkarten-Know-how könne man Kunden auf der ganzen Welt zu besseren Rechnern verhelfen. Die Neutralität von ARM sei in der Vergangenheit die Grundlage für deren Erfolg gewesen. Das werde auch in Zukunft so bleiben.

ARM wird amerikanisch - und gerät in Trumps Einflussbereich

Gold glaubt auch, dass diese Aussagen durchaus ernst gemeint sind, doch mittelfristig würden sich die Begleitumstände ändern. ARM sei eine britische Company, Nvidia eine amerikanische. Werde Donald Trump wiedergewählt und sein America-first-Mantra weiter bekräftigen, sei nicht auszuschließen, dass ARM für den wirtschaftspolitischen Feldzug des US-Präsidenten gegen China missbraucht werden könnte. "Wir befinden uns in einem Wirtschaftskrieg. Das könnte alle chinesischen Chiphersteller aus dem Geschäft werfen", so der Analyst. Vor diesem Hintergrund sei ohnehin keineswegs sicher, dass die chinesischen Kartellbehörden dem Deal zustimmen würden.