Jetzt dreht Elon Musk völlig ab

Neuralink: Menschenversuche mit Gehirnchip in sechs Monaten

01.12.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
In sechs Monaten, so Elon Musk, soll Neuralink seinen Gehirnchip an Menschen testen, obwohl Tierversuche bisher angeblich tödlich verliefen. Die Chips sollen bei neurologischen Krankheiten helfen
Damit der Mensch im Wettlauf mit der KI bestehen kann, möchte Elon Musk ihn mit Hilfe von Human Enhancements zum Cyborg transformieren.
Damit der Mensch im Wettlauf mit der KI bestehen kann, möchte Elon Musk ihn mit Hilfe von Human Enhancements zum Cyborg transformieren.
Foto: Shevs - shutterstock.com

Jetzt scheint Elon Musk endgültig alle Skrupel verloren zu haben: Nachdem er schon Teslafahrer mit der nicht ausgereiften Full-Self-Driving-(FSD-)Software als Betatesterauf öffentliche Straßen schickt, will er in sechs Monaten Menschenversuche mit einer Gehirnchip-Technologie von Neuralink starten. Und dies, obwohl die Technik, so Kritiker, noch nicht ausgereift sei. So berichtete etwa die Economic Times, dass bei Primatenversuchen mit dem Neuralink-Gehirnchip, 15 von 23 Affen gestorben seien. Neuralink wurde 2016 von Elon Musk und acht anderen Investoren gegründet und Musk ist CEO des Unternehmens.

Der Mensch als Cyborg?

Neuralink entwickelt Chips für brain-control-interfaces (BCI), die als Gehirnsteuerungsschnittstellen fungieren sollen. Mit ihrer Hilfe sollen dann später Neuroprothesen entwickelt werden, um Erkrankungen des Gehirns sowie des zentralen Nervensystems behandeln zu können. Als weitere Ziele kann sich Musk die konsensbasierte Telepathie oder sogenannte Human Enhancements vorstellen, um bei den Fortschritten in der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) mitzuhalten. Schließlich könne der Mensch lediglich zehn, vielleicht hundert Bits pro Sekunde per Daumen etc. übertragen, während Computer mit Gigabit oder Terabit pro Sekunde kommunizierten. In den Augen von Musk ist das "eine grundlegende Einschränkung, die wir meiner Meinung nach angehen müssen, um das langfristige Risiko der künstlichen Intelligenz zu mindern".

Fitbit im Schädel?

Fluch oder Segen? Modell einer Gehirnschnittstelle von Neuralink, die einerseits bei der Behandlung neuronaler Krankheiten helfen könnte, andererseits aber auch die Tür zu anderen Anwendungen wie konsensbasierter Telepathie etc. öffnet.
Fluch oder Segen? Modell einer Gehirnschnittstelle von Neuralink, die einerseits bei der Behandlung neuronaler Krankheiten helfen könnte, andererseits aber auch die Tür zu anderen Anwendungen wie konsensbasierter Telepathie etc. öffnet.
Foto: JLStock - shutterstock.com

Hier kommen für Musk die Chips von Neuralink ins Spiel, "die in vielerlei Hinsicht wie ein Fitbit im Schädel seien, mit winzigen Drähten". Das Gerät stützt sich auf bis zu 1.024 Leitungen mit einem Durchmesser von 5 Mikrometern, die in das Gehirn des Patienten "eingenäht" werden, um Verbindungen mit den umliegenden Neuronen herzustellen. Auf diese Weise sollen hochauflösende Abtastungen der elektrischen Emissionen des Gehirns geliefert werden. Der Chip selbst übernimmt dann die Übersetzung zwischen analogen elektrischen Impulsen und digitalem Computercode. Zumindest theoretisch. Denn wie Engadget berichtet, hat Neuralink bislang lediglich erreicht, dass ein Affe ohne Joystick Pong spielen kann.

Verdacht der Tierquälerei

Angesichts der Tierversuche beschuldigt das US-amerikanische Physicians Committee for Responsible Medicine Neuralink der Tierquälerei -- Vorwürfe, die man seitens Neuralink zurückweist. Allerdings musste man mittlerweile einräumen, dass Affen während der Prototypentests der BCI-Implantate am Primatenzentrum der Universität von Kalifornien in Davis gestorben sind.

Neuralink-Konkurrent ist schneller

Zudem kämpft Neuralink noch immer um eine FDA-Zulassung für sein Implantat, obwohl das Unternehmen im Juli 2020 von der Behörde eine sogenannte Breakthrough Device Designation erhalten hat. Dieses Programm ermöglicht es Patienten und Betreuern, vielversprechende Behandlungen und medizinische Geräte schneller zu erhalten. Dennoch war Konkurrent Synchron in Sachen Neuroprothesen schneller. Im Juli 2022 setzten Ärzte am Mount Sinai Hospital in New York ein eineinhalb Zentimeter langes Synchron-Gerät erfolgreich bei einem ALS-Patienten ein. Der Patient, der die Fähigkeit verloren hat, sich unabhängig zu bewegen und zu kommunizieren, soll mit Hilfe der Neuroprothese in die Lage versetzt werden, im Internet zu surfen und Textnachrichten zu verschicken, indem er das Gerät benutzt, um seine Gedanken in Computerbefehle zu übersetzen.