Die digitale Transformation ist ein langer und zum Teil auch langwieriger Prozess, den viele Unternehmen für eine Neu- oder Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells nutzen. Das Gros der Firmen in Deutschland setzt dabei auf die Cloud in ihren unterschiedlichen Facetten und hat sich bei der Migration von Workloads inzwischen auch eine gewisse "Reife" angeeignet.
Reife bedeutet zum einen, dass die Anwenderinnen und Anwender nicht nur Erfahrungen mit einzelnen dedizierten Cloud-Services gesammelt haben, sondern in vielen Fällen nun auch die Kernapplikationen modernisieren und auslagern. Es heißt aber auch, dass über das Scheitern einzelner Cloud-Projekte und / oder über einen inzwischen erfolgten Providerwechsel zu berichten ist - und das im Hinblick auf die Kosten der neuen Cloud-Betriebsmodelle mancherorts auch etwas Ernüchterung eingekehrt ist.
So lassen sich im Kern einige der wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Studie "Cloud-Transformation" zusammenfassen, die das Custom Research Team von CIO, CSO und Computerwoche in Zusammenarbeit mit T-Systems, plusserver, Fortinet und SPIRIT/21 nun veröffentlicht hat.
Automatisierung und Flexibilität im Fokus
Demnach sehen sich rund 37 Prozent der Befragten in der Digitalisierung ihres Unternehmens für die Zukunft schon gut bis sehr gut aufgestellt, sehen aber zum Teil noch deutlichen Handlungsbedarf bei der weiteren Modernisierung ihrer Tools, Prozesse und Workflows. Wichtig sind den IT- und Business-Verantwortlichen dabei insbesondere die Themen Prozess-Automatisierung sowie Verfügbarkeit und Flexibilität der Anwendungen.
Besagter Modernisierungsdruck in der IT und den Geschäftsprozessen hat inzwischen auch erkennbar dazu geführt, dass die meisten Cloud-Transformations-Projekte strategisch geplant und umgesetzt werden. So machen mehr als die Hälfte der befragten Anwenderinnen und Anwender zu Beginn eine Bestandsaufnahme ihrer vorhandenen IT-Infrastruktur. Rund ein Drittel erledigt dies in Eigenregie, die überwiegende Mehrheit sichert sich hier aber auch die Unterstützung eines dedizierten Cloud- oder Service-Providers.
Aufschlussreich sind auch die Motive für diese Vorgehensweise. Zwei Drittel der Befragten sehen in der Konsolidierung und Standardisierung ihrer Applikationslandschaft und Plattformen die Voraussetzung dafür, um überhaupt erfolgreich Workloads in die Cloud auslagern zu können. Für fast die Hälfte der Mitarbeitenden ist eine Bestandsaufnahme sowie die Formulierung einer Cloud-Roadmap auch Anlass, die Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche im Unternehmen (neu) zu definieren.
Cloud Center of Excellence im Kommen
Spannend ist hier vor allem auch zu sehen, wie sich die Unternehmen beim Thema Cloud organisatorisch aufstellen und eine entsprechende Cloud Governance sicherstellen. In vielen Fällen führt das zu einem Bedeutungszuwachs des - wenn vorhanden - konzerneigenen IT-Dienstleisters. Ab und an werden dedizierte Projektteams eingerichtet, in dem alle wichtigen Stakeholder und Know-how-Träger gebündelt sind. Mancherorts nennt sich dieses Gremium auch Cloud Center of Excellence (CCoE). Entscheidend ist: Die Verantwortung für die Transformation und das nachgelagerte Management der neuen IT-Betriebsmodelle wird weitestgehend zentral verortet - und wichtige Fachbereiche wie Legal, Compliance und Risk Management sitzen mit am Tisch.
Interessant ist auch grundsätzliche Haltung der Unternehmen hinsichtlich der Frage "Cloud oder On-Premises". Rund 13 Prozent der Anwenderinnen und Anwender geben an, in Zukunft eine rigide Cloud-Only-Strategie zu verfolgen. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer bekennt sich indes zum einem Cloud-First-Ansatz, also dem bevorzugten Einsatz von Cloud-Services gegenüber On-Premises gehosteten Applikationen.
Mehr als ein Drittel (36 Prozent) favorisiert dabei den Ansatz der Private Cloud, also das Hosting cloudifizierter Anwendungen in einem Rechenzentrum eines externen Providers. Knapp ein Viertel entscheidet sich für die Hybrid-Variante, also dem parallelen Betrieb von Applikationen in der Cloud oder im eigenen Rechenzentrum in einer Legacy-Variante.
Security bleibt Kernanforderung
Unverändert ist auch das Thema Security bei der Migration von Workloads in die Cloud für die IT- und Business-Verantwortlichen von essenzieller Bedeutung. Einerseits sind Cloud-Provider die wohl am meisten von Cyberattacken betroffenen Unternehmen, weil sie schon allein durch ihre Größe ein interessantes Ziel darstellen. Umgekehrt gelten aber deren Sicherheitsvorkehrungen als besonders gefestigt.
Diese in gewisser Hinsicht dialektische Haltung spiegelt sich auch bei den Anwenderinnen und Anwendern wider. Für mehr als 70 Prozent der Befragten spielt der Aspekt der Cloud Security eine wichtige oder sogar entscheidende Rolle. Doch während sich viele Unternehmen von der Auslagerung von Workloads an einen externen Provider ein höheres Schutzniveau versprechen, weil es intern an entsprechenden Ressourcen und Skills mangelt, befürchtet eine vergleichbare Anzahl, dass es beim Verschieben von Applikationen in unterschiedliche Cloud-Domänen zu technischen Reibungsverlusten und vor allem zu erhöhten Sicherheitsrisiken kommt.
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KI wird zum beherrschenden Faktor
Welche Erfahrungen haben nun die Anwenderinnen und Anwender konkret bei ihren Cloud-Migrations-Projekten gesammelt. Welchen technischen und strategisch-organisatorischen Herausforderungen sind sie begegnet?
Eine immer größere Rolle spielt inzwischen - wenig überraschend - das Thema künstliche Intelligenz (KI). Laut Studie nutzen mehr als die Hälfte der Unternehmen KI-Tools für die Datenmigration. Mehr als 44 Prozent geben zudem an, KI auch für die Erstellung von Analysen zu verwenden. An dritter Stelle findet sich die Disziplin App-Migration. Auch bei der Modernisierung beziehungsweise Anpassung von Workloads für Cloud-Umgebungen sowie dem Code Refactoring spielt KI im Zusammenhang mit Cloud-Migrationen eine nennenswerte Rolle.
Alles andere als ein Selbstläufer bei der Transformation von Workloads in die Cloud ist nach Ansicht der IT- und Business-Verantwortlichen nach wie vor auch die Modernisierung von Anwendungsplattformen. Noch immer gelten alte Legacy-Applikationen und proprietäre Software-Silos als großer Hemmschuh. Gleiches gilt für die im Kontext vieler Cloud-Projekte notwendige Verarbeitung sehr großer Datenmengen sowie Integration von Cloud-Services in die bestehende IT-Landschaft.
Auch bei den strategisch-organisatorischen Herausforderungen einer Cloud-Migration vermittelt die Untersuchung einen interessanten Blick auf die Sicht der Anwenderinnen und Anwender. Mehr als 40 Prozent der Befragten fürchten demnach insbesondere die Komplexität der Aufgabe. Bemerkenswert ist zudem, dass die Unternehmen bei den vermeintlichen Handicaps immer eine unpassende oder völlig ungeeignete Firmenkultur ins Feld führen. Fehlende Skills und Ressourcen in der Belegschaft sowie die zu befürchtende Langwierigkeit eines Migrationsprozesses spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Und: Mehr als 22 Prozent der Befragten stellen sich auch noch nach dem Beginn ihrer Cloud Journey die Frage nach dem Nutzen respektive Return on Invest (ROI).
Cloud-Migration führt oft zum Re-Design der Prozesse
Dennoch gilt: Hat man einer Cloud Migration grünes Licht gegeben, wird die Migrations-Roadmap Schritt für Schritt abgearbeitet und man lässt sich nicht mehr treiben. Kein strategisches Migrations-Projekt wird heute noch vom Zaun gebrochen. Vielmehr werden vorab alle Risiken bewertet, spezielle Anforderungen an das Änderungsmanagement definiert, Systemabhängigkeiten und Datenaffinitäten spezifiziert und - zumindest in den Großunternehmen - ein Migrations-Dashboard für die verantwortlichen Führungskräfte eingerichtet.
Neben dem Design des Transformationsprozesses ist noch ein weiterer Aspekt interessant: Nur ein dediziertes Cloud-Migrations-Projekt durchzuführen, greift ja im Hinblick auf den nötigen digitalen Wandel häufig zu kurz. Noch viel wichtiger ist die Frage, ob es mit der Verlagerung von Workloads in die Cloud auch zu einem Re-Design der Geschäftsprozesse kommt. Fast ein Drittel der befragten Anwenderinnen und Anwender bekräftigen dies, indem sie von unmittelbar an ein Cloud-Projekt sich anschließenden "Transformationsphasen" berichten.
Generell spannend ist im Kontext der Cloud-Migration auch der Vendor Lock-in, also die vermeintliche Gefahr einer zu großen Abhängigkeit von einem einzigen Provider, wenn man sich für den Weg in die Cloud entschieden hat. Oftmals könne dann ein Wechsel des Anbieters, so die Annahme, aufgrund immenser technologischer und finanzieller Aufwände, kaum mehr realisierbar sein.
In der aktuellen COMPUTERWOCHE-Studie werden entsprechende Befürchtungen zumindest teilweise widerlegt. So haben bereits mehr als 40 Prozent der Unternehmen ein oder mehrere Cloud-to-Cloud-Migrations-Projekte durchgeführt - also die Verlagerung von Workloads von einem Anbieter zu einem anderen, ohne dass dabei Daten zunächst auf internen Servern zwischengespeichert werden mussten. Weitere 28 Prozent planen ein solches Vorhaben konkret im laufenden Jahr.
- Andreas Bachmann, Adacor
„Man muss beim Thema Cloud-Migration genau hinschauen, wie einzelne Maßnahmen von den Mitarbeitern wahrgenommen werden. Eine On-Premises-Anwendung in die Cloud zu verlagern und dann als SaaS-Lösung zu nutzen, wird in der Regel als reines IT-Projekt angesehen. Anders verhält es sich, wenn mehrere strategische Workloads gleichzeitig in die Cloud transferiert werden, denn dies zieht ja meistens auch signifikante Veränderungen in den Geschäftsprozessen nach sich.“ - Andre Engelbertz, T-Systems
„Man muss bei der Cloud-Reife von Unternehmen deutlich differenzieren. Nahezu jedes Großunternehmen verfügt heutzutage über eine ausformulierte Cloud-Strategie, die auch umgesetzt wird. Es gibt dort also hinlänglich Erfahrung bei Themen wie Multi-Cloud, der Modernisierung von Legacy-Applikationen oder dem Vendor-Management. Häufig arbeitet man bereits mit mindestens zwei der etablierten Hyperscalern zusammen. Ganz anders sieht es bei den Mittelständlern aus. Dort liegt häufig der Fokus bei den Business Operations. Die IT ist lediglich Mittel zum Zweck. Im Hinblick auf die notwendige Modernisierung und Digitalisierung fehlt es an Know-how, Ressourcen und zum Teil auch noch am Willen zur Umsetzung.“ - Bernd König, Fortinet
„Es geht nicht darum, in die Cloud um ihrer selbst willen zu gehen, nur weil es gerade populär ist. Die essenzielle Frage für jedes Unternehmen ist: Wo will das Business hin und inwieweit kann eine Cloudifizierung dabei helfen?“ - Thomas Strigel, SPIRIT/21
„Viele Firmen nehmen lediglich eine Migration, aber keine Transformation in Angriff. Die Cloud kommt häufig in Form einer vom Fachbereich initiierten SaaS-Lösung oder U-Boot-mäßig aufgesetzten Umgebungen bei Hyperscalern in das Unternehmen. Die IT versucht dann, mit möglichst geringem Aufwand die Infrastruktur zu modernisieren – auch da kommt dann sehr schnell die Cloud ins Spiel. In Summe führt dies häufig zu einem Wirrwarr in den Prozessen sowie Applikationen und trägt zur Verunsicherung der Mitarbeiter bei. Gleichzeitig ist diese Vorgehensweise Spiegelbild einer in sich nicht konsistenten Strategie.“ - Orli Shahidi, Getronics
„Ein entscheidender Treiber für die Cloud war auch die Covid-19-Pandemie. Als es darum ging, quasi über Nacht im großen Stil Home-Office-Arbeitsplätze einzurichten, lernten viele Unternehmen die Vorzüge der Office-365-Welt kennen.“ - Benedikt Ernst, Kyndryl
„Ein CCoE kann wichtig und hilfreich sein – aber immer nur temporär. Wichtig ist, dass Unternehmen dabei über den Tellerrand hinausblicken und sich in dieses Gremium auch externes Know-how sowie detaillierte Branchenkompetenz holen. Intern geht es darum, alle Stake Holder an einen Tisch zu bekommen, insbesondere auch Architekten, IT-Risk- und Security-Verantwortliche sowie die führenden Applications Engineers.“ - Mario-Leander Reimer, QAware
„Der größte Treiber für die Cloud ist die Digitalisierung vieler Produkte sowie Dienstleistungen und in Konsequenz daraus vieler Geschäftsprozesse. Jedes Unternehmen, auch die kleinen Mittelständler, müssen daher massiv in ihre Modernisierung investieren und sich neu erfinden.“ - Ralf Schnell, ServiceNow
„Im Gegensatz zu dem einen oder anderen Mittelständler, wo die Familienpolitik auch die IT-Strategie und die Digitalisierung bestimmt, sehe ich bei fast allen größeren Unternehmen einen hohen Professionalisierungsgrad – sei es in der IT, in der Produktentwicklung oder bei den Business-Verantwortlichen. Das Problem dort ist aber, dass diese unterschiedlichen Bereiche sehr unterschiedlich arbeiten und nicht kontinuierlich miteinander reden. Sie verfügen über kein adäquates Tool für die abteilungsübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit, und sie werden an unterschiedlichen KPIs gemessen, was zu Konfliktpotenzial führt.“ - Thomas Linde, plusserver
„Unternehmen sollten nicht länger warten, sondern umgehend mit der Cloud-Transformation beginnnen. Andernfalls laufen sie Gefahr, Innovationen zu verschlafen und vom Wettbewerb überholt zu werden. Selbst wenn noch nicht alle Workloads Cloud-ready sind, ist es wichtig, jetzt anzufangen. Die Modernisierung kann nur Schritt für Schritt gelingen – und wer früher startet, verliert nicht den Anschluss. Mit dem richtigen Partner an der Seite ist die Transformation zudem einfacher umzusetzen.“
Wandel im Anwender-Anbieter-Verhältnis
Dies belegt auch, dass sich das Verhältnis der Anwenderinnen und Anwender zu den Cloud-Anbietern zumindest ein Stück weit gewandelt hat. Mehr denn je zieht man deren Kompetenz und Ressourcen schon bei der Erarbeitung einer Roadmap sowie der Planung und Umsetzung eines Transformations-Prozesses zu Rate; gleichzeitig ist es offenbar gelungen, durch den Aufbau oder die Stärkung interner Vendor-Management-Kapazitäten allzu große Abhängigkeiten zu vermeiden. Dafür spricht im Übrigen auch, dass das "Roll-back", also das Zurückholen von Anwendungen aus der Cloud, inzwischen bei knapp einem Drittel der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer gängige Praxis ist.
Grundsätzlich vermittelt die Untersuchung im Hinblick auf die Vorteile der Cloud ein positives Stimmungsbild aus den Unternehmen. Die Rolle der Cloud als dem zentralen Instrument für die Modernisierung und Digitalisierung wird weitgehend bestätigt. Insbesondere wird die Cloud-Transformation als entscheidender Hebel für das Kreieren performanterer und effizienterer Geschäftsprozesse angesehen.
Lediglich in einem Punkt sind die Befragten doch eher enttäuscht: Lediglich 21 Prozent der Anwenderinnen und Anwender geben an, die Ziele in puncto Kostensenkung voll umfänglich erreicht zu haben. Weitere zwei Drittel sprechen hier davon, dass sich die gewünschten Ergebnisse nur teilweise eingestellt haben.
Studiensteckbrief
Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE
Studienpartner: T-Systems (Platin), plusserver (Gold), Fortinet, SPIRIT/21
Grundgesamtheiten: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels
Gesamtstichprobe: 322 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 6. bis 13. Februar 2024
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern