Schlappe für Go-spielende KI-Systeme

Mensch schlägt KI

21.02.2023
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Im Rennen KI versus Mensch führt der Mensch wieder. Sieben Jahre, nachdem die KI den Go-Weltmeister Sedol schlug, entzaubert jetzt ein Amerikaner den Mythos von der unbesiegbaren KI.
Dem Mythos der unbesiegbaren KI hat der US-Amerikaner Kellin Pelrine zumindest beim Go-Spiel entzaubert.
Dem Mythos der unbesiegbaren KI hat der US-Amerikaner Kellin Pelrine zumindest beim Go-Spiel entzaubert.
Foto: Elnur - shutterstock.com

Künstliche Intelligenz ist unbesiegbar, KI zu stark geworden: 18-facher "Go"-Weltmeister geht entnervt in Pension - so oder ähnlich lauteten 2019 die Schlagzeilen. Was war passiert? Der langjährige Go-Weltmeister Lee Sedol beendete seine Karriere, weil er zu der Überzeugung gelangt war, dass die KI bei dem Brettspiel die Oberhand gewonnen habe. Allerdings scheint sich Sedol getäuscht zu haben. Dem US-Amerikaner Kellin Pelrine, nach eigenen Angaben ein Go-Spieler der Mittelklasse, gelang es jetzt in 14 von 15 Partien, KataGO, eine der weltbesten Go-KIs, zu schlagen.

Herausforderung Go

Gozählt mit zu den ältesten Brettspielen der Welt und galt lange als eine große Herausforderung für KI-Systeme, da es komplexer als Schach ist. Zumal sich auf dem größeren Brett mit 19 x 19 Feldern eine deutlich größer Zahl an möglichen Zügen ergibt. Klassische Brute-Force-Algorithmen sind deshalb zum Scheitern verurteilt. Zudem gab es für die KI-Systeme keine geeigneten heuristischen Methoden, um eine Spielstellung zu bewerten.

2016: KI schlägt Mensch

Dies änderte sich erst, als das zu Google gehörende Start-up DeepMind das Programm AlphaGo vorstellte. 2016 schlug AlphaGo dann den Go-Weltmeister Sedol. Dabei kamen sogenannte Monte-Carlo-Algorithmen in Kombination mit Lernmethoden für tiefe neuronale Netzwerke zum Einsatz. Dennoch benötigte AlphaGo in den Partien gegen Sedol eine enorme Rechenleistung. So wurde ein Rechnerverbund mit 1920 CPUs und 280 GPUs verwendet.

2023: Der Mensch schlägt zurück

2016 besiegte die KI den Go-Weltmeister Lee Sedol.
2016 besiegte die KI den Go-Weltmeister Lee Sedol.
Foto: maxuser - shutterstock.com

Doch das Ergebnis sprach für sich: Die KI schien der menschlichen Intelligenz überlegen zu sein. Bis jetzt eben Pelrine der KI-Euphorie einen Dämpfer verpasste und KataGo in 14 von 15. Allerdings benötigte Pelrine anfangs Computerhilfe, um die Schwächen von KataGo zu entdecken. Hilfe erhielt er dabei von dem Forschungsunternehmen FAR AI, das die entsprechende Software entwickelte.

So wurde die KI bezwungen

Die Strategie, mit der Pelrine die KI schlug, liest sich auf den ersten einfach: Er versuchte, Gruppen gegnerischer Spielsteine einzukreisen. Damit dies der KI nicht auffällt, setzte er dazwischen Steine auf anderen Teilen des Spielfelds, um so die KI von seiner eigentlichen Strategie abzulenken. Mit dieser Vorgehensweise hatte Pelrine nicht nur bei KataGo Erfolg, sondern er konnte damit auch die Go-KI Leela Zero austricksen. Go-Spieler sind allerdings davon überzeugt, dass der Amerikaner mit seiner Taktik gegenüber einem menschlichen Spieler keine Chance hätte. Ein Mensch würde die Versuche der Einkreisung sofort erkennen. Eine ausführliche Erklärung der verwendeten Strategie ist hier zu finden.

Darüber, warum die KI an Pelrines Taktik scheitert, gibt es bislang nur Vermutungen. Ein Erklärungsversuch, so die Financial Times, ist, dass die von dem Amerikaner verwendete Vorgehensweise so selten ist, dass sie sich nicht in den Trainingsdaten der KI befand - der Algorithmus also das Verfahren nicht erkennt.

Grenzen der KI

Für den Berkeley-Informatiker Stuart Jonathan Russell demonstriert das Go-Beispiel das Dilemma jeder modernen KI: Sie beherrsche nur Situationen, für die sie gut trainiert sei. Gelte es jedoch, das trainierte Wissen auf andere Situationen anzuwenden, versage sie. Deshalb rät der Informatiker, KI-Systeme vor dem Einsatz penibel zu prüfen, ob sie mit den möglichen Einsatzsituationen auch wirklich zurechtkommen.