REL Working Capital Studie 2016

Leichte Verbesserung der Working Capital Performance

06.09.2016
Von 


Paul Moody ist als Direktor bei REL, einer Tochter der Hackett Gruppe, verantwortlich für die Projektentwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Schwerpunkte sind unter anderem Working Capital und Supply Chain Optimierung.
Bei Europas Großunternehmen liegen 981 Milliarden Euro an Liquidität brach. Bei deutschen Unternehmen sind es 226 Milliarden und im DAX-Sektor 165 Milliarden Euro.

Gegenüber dem Vorjahr konnten deutsche Großunternehmen im Geschäftsjahr 2015 ihr Working Capital, also ihr Umlaufvermögen, um 3,3 Prozent verbessern. Die in der aktuellen REL-Studie analysierten 124 produzierenden deutschen Unternehmen wiesen 2015 eine Kapitalbindungsdauer (Cash Conversion Cycle, CCC) von durchschnittlich 46,3 Tagen gegenüber dem Vorjahr mit 50,2 Tagen auf.
Der Cash Conversion Cycle, also die Kapitalbindungsdauer gibt an, wie viele Tage es braucht, bis jeder in Produktion und dem Verkauf vorgelagerten Prozessen gebundene Euro durch den Verkauf an den Kunden in Cash umgewandelt wird. Gerechnet wird nach der Formel DIO (Tage der Bestandsreichweite) + DSO (Tage Umsatz aus Forderungen) – DPO (Tagesreichweite eigener Verbindlichkeiten). Dabei werden DIO und DPO dividiert durch COGS (Costs of goods sold), DSO wird dividiert durch den Umsatz.

Die europäischen Unternehmen zahlen ihre Rechnungen im Schnitt nach 65,4 Tagen, die deutschen Unternehmen bereits nach 52,8.
Die europäischen Unternehmen zahlen ihre Rechnungen im Schnitt nach 65,4 Tagen, die deutschen Unternehmen bereits nach 52,8.
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Die untersuchten 23 produzierenden DAX-Unternehmen konnten zwar ihren CCC-Wert auf 49,7 Tage verbessern (2014: 51,3), lagen aber dennoch – gemessen am deutschen Unternehmensdurchschnitt – um 3,4 Tage darunter. Insgesamt, das ergab die Working Capital-Studie, in der 960 europäische Unternehmen (ohne Finanzsektor) untersucht wurden, liegen knapp 981 Milliarden Euro an Liquiditätspotential brach – 2014 waren es noch über 1,1 Billionen Euro.

Später zahlen, schneller kassieren

Die Verbesserung um 1,7 Prozent lag vor allem daran, dass die europäischen Großunternehmen ihr Zahlungsverhalten geändert haben: Sie zahlen später, treiben aber ihre Forderungen schneller ein. Trotzdem, so die REL-Studie, könnten durch eine Optimierung der Kenngrößen CCC, und DIO (Bestandsreichweite, Lagerhaltung) weitere erhebliche Liquiditäten erschlossen werden. Bei den 124 untersuchten deutschen Großunternehmen liegt dieses Potenzial bei 226 Milliarden Euro und bei den 23 DAX-Unternehmen beträgt die brachliegende Liquidität immerhin noch 165 Milliarden Euro.

Im europäischen Vergleich der Working Capital Performance liegen die deutschen Unternehmen weit abgeschlagen. Der europäische Durchschnitt der 960 untersuchten Großunternehmen brachte es 2015 auf einen CCC-Wert von 38,2 Tagen. Damit liegt der europäische Durchschnitt 2015 um 11,9 Tage besser als die durchschnittlichen deutschen Unternehmen. Dieser Unterschied liegt an mehreren Faktoren:

• Deutsche Unternehmen wuchsen 2015 im Vergleich zur europäischen Konkurrenz am schnellsten.

• Dank der unglaublich günstigen Kredite wurde die Optimierung des Umlaufvermögens zweitrangig.

• Die europäischen Unternehmen zahlen ihre Rechnungen im Schnitt nach 65,4 Tagen, die deutschen Unternehmen bereits nach 52,8 und DAX-Unternehmen sogar schon nach 49,5 Tagen.

• Die deutschen Unternehmen stehen in Europa einzig da, was die Mischung der sehr kapitalintensiven Produktion und die Fertigungstiefe angeht. Das aber bedingt auch eine intensive und auf größere zeitliche Reichweite ausgelegte Lager- und Vorratswirtschaft, die mehr und länger Kapital bindet.

Die trotz der leichten Verbesserung gegenüber 2014 immer noch ungünstigen DPO-Werte der DAX-Unternehmen erklärt sich so: DAX-Companies können aufgrund ihrer finanziellen Kraft relativ schnell zahlen und sich dadurch attraktive Skonti sichern. Die anderen deutschen Unternehmen generieren mit Hilfe der längerfristigen Zahlungsziele günstige Kreditlinien. Zudem müssen die Ergebnisse relativiert werden, waren die deutschen und die DAX-Unternehmen auch 2015 führend, was Wachstum, Rentabilität, Gewinne und Exporterfolge anging. Bei verschlechterten Rahmenbedingungen und einer neuerlichen Finanz- und Wirtschaftskrise kann sich die im europäischen Vergleich schlechtere Working-Capital-Performance aber durchaus als kritischer Wettbewerbsnachteil auswirken.

Spitzenreiter und Schlusslichter

Wie breit gefächert das Liquiditätspotential bereits erschlossen oder noch erschließbar ist, zeigt ein Blick auf einige deutsche Protagonisten der Schlüsselindustrien:

Autofirmen: Spitzenreiter ist Audi mit einer Kapitalbindungsdauer von 18 Tagen, gefolgt von BMW mit 30 Tagen. Volkswagen hat einen CCC-Wert von 52 Tagen, Daimler bildet das Schlusslicht mit 67 Tagen.

Autozulieferer: Unter den deutschen Unternehmen führt die Leoni AG mit 36 Tagen CCC, die schweizer Autoneum Holding schafft es in 19 Tagen, Cash in Cash plus Profit umzuwandeln.

Chemie: Der Durchschnitt der deutschen Unternehmen konnte den CCC-Wert von 2014 auf 2015 um knapp zehn Prozent von 83 auf 75 Tage verbessern. Verbesserungsfaktoren waren dabei die um einen Tag verkürzte Bestandsreichweite sowie die um drei Tage verlängerten Zahlungsfristen für Verbindlichkeiten. Mit 17 Tagen Kapitalbindungsdauer hält die Linde AG die Spitze, die SGL Carbon benötigt 153 Tage und liegt damit weit abgeschlagen.

Energieunternehmen: In dieser Branche lag der europäische Durchschnittswert der Kapitalbindungsdauer bei 11 Tagen. Die RWE AG erreichte 2015 einen CCC-Wert von 5 Tagen, während die EON SE eine Kapitalbindungsdauer 2015 von 36 Tagen aufwies.

Dass Liquiditätspotentiale generell erfolgreich und konsequent genutzt werden können, belegt die REL-Studie eindrucksvoll: In Deutschland erreichen die Spitzenunternehmen des statistischen 1. Quartils einen CCC-Wert von -6,3 Tagen gegenüber dem Mittelwert aller produzierenden deutschen Unternehmen von 62 Tagen, sie liegen also um 110 Prozent besser. Wie das möglich ist, zeigen die Einzelbereiche: Die Topunternehmen zahlen ihre Zulieferer nach 68,3 Tagen, der Durchschnitt schon nach 52,8 Tagen, sie treiben ihre Forderungen um rund 14 Tage schneller ein als der Durchschnitt und halten ihre Lagerbestandsreichweite bei 25 Tagen, während der Mittelbereich die Lager für 63,1 Tage bevorratet.