Der Kunde von heute ist ein kompliziertes, ja manchmal sogar zwiespältiges Wesen, dessen Bedürfnisse gar nicht so einfach zu befriedigen sind. Auf der einen Seite verlangen die Konsumenten, als Individuum erkannt und wahrgenommen zu werden, sowie punktgenau im richtigen Moment das für sie passende Angebot unterbreitet zu bekommen. Auf der anderen Seite ist der Kunde sehr scheu, was die Preisgabe von Daten über die eigene Person anbelangt. Schnell fühlt er sich überwacht, ja geradezu von den Unternehmen auf Schritt und Tritt verfolgt. Und ist das Misstrauen erst einmal erwacht, folgt meist schnell der Rückzug. Jedes noch so gut gemeinte Angebot wird verschmäht. Ist der Kunde nachtragend, kann es eine ganze Weile dauern, bis er sich wieder hervorlocken lässt.
- Pizza kommt per #EasyOrder
Seit Mai 2015 können Domino's-Kunden die Lieferung ihrer Lieblingspizza per Twitter veranlassen – dazu posten sie ein "Pizza-Emoji" an @Dominos oder nutzen den Hashtag #EasyOrder. Mehr als jeder zweite Pizzafan nutzt das bereits. - "Blinde Vorbestellung" bei Taco Bell
Die amerikanische Fast-Food-Kette Taco Bell startete im vergangenen Februar die "blinde Vorbestellaktion" eines neuen Produkts. Um was es sich handelte, blieb geheim – sicher war nur, dass es sich online vorbestellen ließ und dann am 6. Februar zwischen 14 und 16 Uhr im lokalen Restaurant abgeholt werden konnte. Die Taco-Bell-Jünger kamen in Scharen. - Edeka-Video #HeimKommen
Das weihnachtliche Werbevideo der Supermarktkette Edeka berührte im vergangenen Winter viele Hunderttausende Zuschauer. - Niveas zweite Haut
Auch dieser Weihnachtsclip aus 2015 ging viral: Kosmetik-Hersteller Niva stellte sein "Second Skin Project" vor und erreichte deutlich sechsstellige Abrufzahlen. - Snapchat-Kampagne zur Oscar-Verleihung
PricewaterhouseCoopers (PwC) kümmert sich seit 82 Jahren um die Auszählung der Stimmen für die Academy Awards, im Volksmund auch Oscar-Verleihung genannt. Für die 2016er-Ausgabe startete PwC eine Snapchat-Story rund um die berühmten goldenen Umschlägen mit den Oscar-Gewinnern. Viele neue Fans und ein Shorty Award waren der Lohn. - Lustige Sprüche frei Haus
"Unsere Klingen sind so gut, dass du sie einen ganzen Monat lang benutzen kannst" - das Start-up Dollar Shave Club verschickt unter diesem Claim im Monatsabo Rasierer und Rasierklingen per Post. Die zugehörige Marketing-Kampagne mit Bildern abgewetzter Klingen und lustigen Sprüchen sorgte für eine große Aufmerksamkeit im Social Web. - Für eine Handvoll Dollar
Black Friday als Konsum-Höhepunkt des Jahres? Der Partyspiel-Anbieter "Cards Against Humanity" machte da im vergangenen Jahr nicht länger mit. Er nahm seinen Shop einen Tag lang vom Netz und bot den Kunden stattdessen "nichts" für fünf Dollar an. Die dankten es ihm und zahlten - es kamen über 71.000 Dollar zusammen. - Luxus bei Snapchat
Das britische Modelabel Burberry war im April 2016 die erste Luxusmarke, die eine native Snapchat-Werbeanzeige buchte. 24 Stunden lang wurde ein neues Parfum beworben - mit exklusiven Videos, darunter dem Kurzfilm "Mr. Burberry" des Oscar-prämierten Regisseurs Steve McQueen, der binnen eines Monats bei Youtube fast 370.000 Mal aufgerufen wurde. - "Deadpool" – ein durchschlagender Erfolg
Das Antihelden-Epos "Deadpool" verhalf 20th Century Fox zu neuen Social-Web-HöhenflügeN: Die fast 500.000 Follower des @deadpoolmovie-Twitter-Kanals, der fast ein Jahr (!) vor dem Kinostart mit einem mehr als 55.000 Mal retweeteten Posting gestartet ist, die vielen prominenten Fans der Comicreihe und der im Social Web ebenfalls sehr aktive Hauptdarsteller Ryan Reynolds ließen die Grenzen zwischen PR und purer Fan-Vorfreude verschwimmen. - Verkaufen per Pinterest
Nach dem "127 Corridor Sale" im vergangenen Jahr bot der Spraydosen- und Farbenverkäufer Krylon dort erworbene und aufgehübschte Waren online via Pinterest Buyable Pins zum Verkauf an - als erster Anbieter überhaupt. Neben den erzielten Einnahmeen, die kmplett gespendet wurden, erfuhr Krylon für die Aktion eine mediale Aufmerksamkeit, die das Unternehmen ein Vielfaches von dem gekostet hätte, wäre sie auf klassischem Wege per Werbeanzeige zustande gekommen.
Dieses weit verbreitete Verhalten stellt die Marketing- und Vertriebs-Verantwortlichen in den Unternehmen vor ein scheinbar kaum zu lösendes Dilemma. Den immer härter werdenden Konkurrenzkampf entscheidet der für sich, der seine Kunden besser kennt und damit besser bedienen kann. Um hier nicht ins Hintertreffen zu geraten, sammeln Heerscharen von Marketiers, CRM-Managern (Customer Relationship Management) sowie Vertriebs- und Servicemitarbeitern unzählige Daten aus Internet-Shops, Filialen, Kundenkarten und Telefon-Calls. Zusätzlich angereichert werden diese eigenen Daten beispielsweise mit zugekauften Verbraucherinformationen, Daten aus sozialen Netzwerken usw.
Kundenprofil zum Greifen nahe
Doch damit begeben sich die Unternehmen schon auf dünnes Eis. Angesichts dieser Fülle an Daten sehen die Unternehmen das detaillierte Kundenprofil schon zum Greifen nahe. Doch in aller Regel braucht es die Einwilligung der betroffenen Kunden, diese Daten sammeln, verknüpfen und auswerten zu dürfen. Dem steht aber oft die bereits erwähnte Skepsis vieler Verbraucher im Wege. Was machen die Unternehmen mit meinen Daten? Werden die Informationen womöglich auch noch weitergegeben? Stehe ich am Ende als gläserner Kunde da, dessen persönliche Bedürfnisse und Wünsche quasi jede x-beliebige Firma einsehen kann?
Diese Befürchtungen zu entkräften, zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Marketiers in den Unternehmen. Es gilt, Anreize zu schaffen, um Interessenten und Kunden dazu zu bewegen, Informationen über sich preiszugeben. Wenn diese einen Nutzen und einen Mehrwert dahinter erkennen, fällt es in aller Regel zudem leichter, mit den von den Anbietern so heiß begehrten Daten herauszurücken.
Konsumenten erwarten Gegenleistung
In einer Studie haben Experten des CRM-Anbieters BSI Business Systems Integration AG sowie des Instituts für Marketing Management der ZHAW School of Management & Law untersucht, unter welchen Voraussetzungen die Bereitschaft der Kunden wächst, Daten zu teilen, und welche Gegenleistung sie dafür erwarten. Befragt wurde via Online-Umfrage eine Gruppe von fast 200 jungen Konsumenten: 20- bis 30-jährige Studenten, die als sogenannte Digital Natives in einer Share Economy aufwachsen und sich daher mit der Frage des Daten-Teilens mehr oder weniger intensiv auseinandersetzen.
Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass Informationen zur eigenen Person bereitwillig herausgerückt werden, wie die Umfrage zeigte. Prinzipiell sahen die Befragten wenig Mehrwert darin, Anbietern ihre Daten zu überlassen. Es gibt jedoch Unterschiede je nach Kaufart und Kaufphase. Die Studienautoren unterschieden nach vier verschiedenen Kaufarten:
Prestige-Kauf (zum Beispiel Louis Vuitton Handtasche, iPhone, Bose-Kopfhörer)
Alltags-Kauf (zum Beispiel Milch, Brot, etc.)
Impuls-Kauf (zum Beispiel Kiosk-Artikel, Kleider, Buch)
Intimer Kauf (zum Beispiel rezeptfreie Medikamente, Reizwäsche, Erotik-Artikel)
Lediglich beim Prestige-Kauf zeigen zeigten knapp zwei Drittel der Befragten eine mittlere beziehungsweise höhere Bereitschaft, Daten zu teilen. Bei den anderen Kaufarten ist dies weitaus weniger der Fall. Eine mittlere oder höhere Bereitschaft gab beim Impuls-Kauf lediglich ein Viertel der Befragten an, beim Alltags-Kauf waren es 14 Prozent und beim intimen Kauf gerade einmal gut jeder Zehnte (elf Prozent).
Auch der Zeitpunkt zu dem Anbieter die Kunden nach Daten fragen, sollte wohl bedacht sein. Denn auch hier gibt es große Unterschiede. Die Studienautoren unterscheiden folgen Kaufsituationen:
Das Entstehen des Bedürfnisses
Suche des Artikels/Produkts
Verkaufsgespräch
An der Kasse
Nach dem Kauf
Ich möchte grundsätzlich keine Daten angeben
Der Umfrage zufolge wollen die Kunden gerade in den Frühphasen des Kaufprozesses möglichst nicht identifiziert werden. Erst in der Phase des Verkaufsgesprächs trauen sich die Interessenten aus der Deckung. Das gilt allerdings nur für die Prestige-Käufe. Hier zeigten sich gut 30 Prozent der Befragten bereit, Informationen zu ihrer Identität preiszugeben. Bei den anderen Kaufarten liegt dieser Anteil indes deutlich unter zehn Prozent. Beim Alltagskauf ist jeder vierte Kunde bereit, sich an der Kasse zu outen. Das spiegelt in erster Linie die Verbreitung von Kundenkarten wider.
Diese Umfrage-Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kunden am ehesten bei Prestigekäufen den Wert einer Identifikation für eine individuellere Beratung und persönliche Wertschätzung durch die Anbieter sehen. Die Ergebnisse zu den Alltagskäufen mit einem Schwerpunkt auf Identifikationswunsch an der Kasse deuten dagegen darauf hin, dass die Befragten hier vor allem den direkten finanziellen Nutzen aus Kundenkarten wie zum Beispiel Punkte oder direkten Rabatte sehen.